Ist es rassistisch, wenn man genau wissen will, wo die familiären Wurzeln eines Migranten liegen? Keineswegs. Das ist zuallererst ein Zeichen von Neugier. Ausgrenzend sind allenfalls die Reaktionen.
Alles begann mit Dieter Bohlen und seiner einfachen Frage in einer Castingshow. Kaum zu glauben, aber sie löste eine gesellschaftliche Diskussion aus. Anstoß war ein Tweet des Journalisten Malcolm Ohanwe, der den Dialog aus der Castingshow zwischen Dieter Bohlen und einer fünfjährigen Kandidatin veröffentlichte und dazu schrieb: „Dieter Bruder, sie hat Dir drei mal gesagt dass sie aus Herne ist und du überforderst das Mädel mit der Einwanderungsgeschichte ihrer Großeltern.“

Bohlen hatte ihr angesehen, dass sie asiatische Wurzeln hat, deshalb wollte er erfahren, aus welchem Land ihre Vorfahren kommen. Das Mädchen verstand die Frage nicht und antwortete mit „Herne“, auch dass ihre Eltern aus Herne kommen. Für sie war es ganz selbstverständlich, dass Herne ihre Heimat und die ihrer Eltern ist.

Als Reaktion darauf sprach die Kolumnistin Ferda Ataman auf „Spiegel Online“ davon, dass wir in Deutschland von Wurzeln „besessen“ seien. „Wir reden über Stämme, Herkünfte und Kulturen, als sei es das Natürlichste der Welt, Menschen in diese Schubladen zu stecken“, schrieb sie und twitterte unter dem Hashtag #vonhier von ihren Erfahrungen mit dieser Frage. Prompt folgten viele andere Menschen mit migrantischen Wurzeln, und der Vorwurf „Alltagsrassismus“ wurde in den Raum gestellt.
Ist die Frage „Woher kommst du?“ per se rassistisch? Nein. Diese Frage ist menschlich und gehört zu unserem Alltag, gerade in einer ethnisch und kulturell diversen Gesellschaft. Wer dieses Land als Einwanderungsland sieht, sollte sich an diese Frage gewöhnen. So vielfältig wir sind, so vielfältig sind auch die Antworten auf diese Frage.

Die Annahme, dass jemand aufgrund seines Geburtsortes oder seiner Staatsbürgerschaft deutsch ist oder eben „nur“ aus Rosenheim, Solingen oder Weimar „stammt“, zeugt von Ignoranz und einem nationalistischen Verständnis, das nicht besser ist als ein völkisches. Das erkennen wir, wenn wir auf die Türkei blicken: In einem Teil der Gesellschaft wird die kurdische Identität ignoriert und werden alle Menschen in der Türkei und in der türkischen Diaspora unabhängig von ihren ethnischen Wurzeln und ihrer individuellen Selbstbestimmung zu Türken gemacht.

Die Frage „Woher kommst du?“ ist zuallererst ein Zeichen für Neugier und Interesse. Nur so können wir miteinander sprechen und im Dialog dem anderen zu verstehen geben, wie komplex und vielfältig die Antworten auf diese Frage sind.(...)
https://www.welt.de/debatte/kommentare/article189519937/vonhier-Woher-kommst-du-Eine-ganz-normale-Frage.html