9783150064894

Diese berühmte Novelle spielt im Emmentaler Dorf Sumiswald, das vom Teufel heimgesucht wird, und weil der Teufelslohn, ein ungetauftes Kind, nicht bezahlt worden ist, zweimal von einer schwarzen Spinne und ihren vielen Abkömmlingen verheert wird. Der Teufel kann abgewehrt werden, indem die Spinne in ein Loch eines Trägerpfostens eines Hauses gesperrt wird.

Diese Novelle könnte damit abgetan werden, dass sie xenophob und misogyn sei (mit dem Teufel verhandeln immer nur Frauen, die nicht aus dem Dorf stammen), doch dies greift viel zu kurz, denn der Teufel hat immer dann Zugang zur Gesellschaft, wenn diese sich beinahe in tyrannischer Weise zu spalten beginnt: der terroristische Ritter bzw. die hoffärtigen und die Knechte und Mägde quälenden reichen Bauern.
Wie sie früher von den Rittern geplagt worden waren, so wurden sie jetzt hart gegen das Gesinde und plagten dieses, und je weniger sie selbst arbeiteten, um so mehr muteten sie diesem zu, und je mehr sie Arbeit von Knechten und Mägden forderten, um so mehr behandelten sie dieselben wie unvernünftiges Vieh, und daß diese auch Seelen hätten, die zu wahren seien, dachten sie nicht. Wo viel Geld oder viel Hoffart ist, da fängt das Bauen an, einer schöner als der Andere, und wie früher die Ritter bauten, so bauten jetzt sie, und wie früher die Ritter sie plagten, so schonten sie jetzt weder Gesinde noch Vieh, wenn der Bauteufel über sie kam.
Es ist die einheimische Dorfgesellschaft, die in der zweiten Binnenhandlung Sündenböcke sucht für ihr eigenes Verfehlen, nicht Gotthelf. Und es sind diese Textpassagen, welche diese Novelle weit über ein religiöses Erbauungswerk hinaushebt.

Was viel eher vermittelt wird, ist die Ansicht, dass Gemeinwohl vor Eigennutz geht. Alle, die sich mit dem Teufel versuchen zu arrangieren, wollen Leid von sich oder ihrer eigenen Familie abwenden, jedoch diejenigen, die sich an Gott halten, setzen das Wohl der Gemeinde über ihr eigenes Leben. Beide, welche die Spinne in den Pfosten sperren, sterben bei diesem Unterfangen.

Jeremias Gotthelf (eigentlich Albert Bitzius), kalvinistischer Pfarrer und Reformpädagoge, setzt in diesem Werk wohl seine eigenen gesellschaftlichen Werte um, aber nicht als Lehrstück, sondern als spannend geschriebene Erzählung, die sich in manchen Passagen durchaus mit dem Horror-Genre messen kann:
[...] vom geweihten Wasser berührt, schrumpft mit entsetzlichem Zischen Christine zusammen wie Wolle im Feuer, wie Kalch im Wasser, schrumpft zischend, flammensprühend zusammen bis auf die schwarze, hochaufgeschwollene, grauenvolle Spinne in ihrem Gesichte, schrumpft mit dieser zusammen, zischt in diese hinein, und diese sitzt nun giftstrotzend, trotzig mitten auf dem Kinde und sprüht aus ihren Augen zornige Blitze dem Priester entgegen.
Online hier:
http://www.zeno.org/Literatur/M/Gotthelf,+Jeremias/Erzählungen/Die+schwarze+Spinne