GespenstersonateOriginal anzeigen (0,3 MB)

Dieses wohl berühmteste Kammerspiel August Strindbergs aus dem Jahr 1908 thematisiert in einer Groteske die Lügenhaftigkeit der bürgerlichen Gesellschaft. Dominiert wird das Stück von alten Männern, die sich regelmäßig zu einem gespenstischen Abendessen bei einem adeligen Oberst treffen. Durch einen Greis (Direktor Hummel) und einen Studenten namens Arkenholz wird in diese Gesellschaft eingedrungen und sie bloßgestellt:

Der adelige Oberst (früher Diener) hat seinen Adelstitel gestohlen und der Militärrang ist ungültig.
Dessen Diener war früher Adeliger.
Seine Frau lebt als Mumie in einer Abstellkammer und spricht wie ein Papagei.
Seine schöne Tochter lebt in einem Hyazinthenzimmer, ist aber die leibliche Tochter des Greises.

Der Greis lebt davon, dass er Schuldverschreibungen aufkauft und die Schuldner in den Ruin treibt, so auch den Vater des Studenten. Dies hat er nun mit dem Obersten vor. Jedoch ist er selbst ein Betrüger, der Schuldverschreibungen fälscht und bei einem Aufenthalt in Hamburg aus Selbstschutz ein Milchmädchen ermordet hat. Der Student kann als Sonntagskind in traumhaften Szenen das Milchmädchen am Brunnen sehen. Strindberg gibt ihm Seherkraft, was dessen Schlussfolgerungen am Ende des Stücks einen Anspruch auf Wahrhaftigkeit verleiht.

Bereits zu Beginn des Stücks warnt der Diener des Greises den jungen Studenten vor dem Alten:
Er will herrschen ... Den ganzen Tag zieht er umher in seinem Wagen wie der Gott Thor ... er besieht Häuser, reißt sie ein, erschließt Straßen, bebaut Marktplätze; aber er bricht auch in Häuser ein, kriecht durch Fenster, zerstört Menschenschicksale, tötet seine Feinde und verzeiht niemals.
Die mumienhafte Frau des Oberst offenbart es und spricht ihn gar nicht mehr papageienhaft an:
Du bist ein Menschendieb, denn du hast mich einstmals mit falschen Vorspiegelungen gestohlen; du hast den Konsul, der hier gestern begraben wurde, gemordet; du hast ihn mit Schuldscheinen erwürgt; du hast den Studenten gestohlen, indem du ihn bandest mittels fingierter Schulden seines Vaters, der dir nie einen Heller schuldig war ...
Der alte Greis verschwindet hinter den Todesschirm und erhängt sich.

Aber auch die Jugend hat in der Schlussszene keine Hoffnung auf Liebe. Der Student und das Hyazinthenmädchen finden in ihrem Gespräch nicht zueinander, das Mädchen geht hinter den Todesschirm und stirbt. Resigniert bleibt der Student zurück und sieht das wahre Glück nur noch in der Fantasie, jedoch nicht in der Lebensrealität:
Durch zu langes Schweigen bildet sich stillstehendes Wasser, das fault, und so ist es hier im Hause ebenfalls. Hier ist etwas faul! Und ich glaubte, es sei das Paradies, als ich Sie hier zum erstenmal hineingehen sah ... Da stand ich am Sonntagmorgen und sah hier hinein; ich sah einen Obersten, der kein Oberst war, ich hatte einen edlen Wohltäter, der ein Bandit war und sich erhängen mußte, ich sah eine Mumie, die keine war, und eine Jungfrau, apropos, wo findet man Virginität? Wo findet man Schönheit? In der Natur und in meinem Gemüt, wenn es sein Sonntagsgewand trägt! Wo findet man Treu und Glauben? In den Märchen und in den Kindervorstellungen! Wo findet man das, was hält, was es anspricht? In meiner Phantasie
Strindberg macht aber auch durch den Studenten deutlich, dass das Kammerspiel nicht Einzelne darstellt, sondern die Gesellschaft selbst:
ich weiß, daß die Welt zusammenstürzen würde, wenn man wirklich aufrichtig wäre.
Dieses resignative Alterswerk Strindbergs war zunächst ein Flop, mit einer Aufführung von Max Reinhardt in Berlin 1916 begann sein Weltruhm, und heutzutage zählt es zu den bedeutendsten Theaterstücken und gilt als Beginn der Moderne.