Schlehenherz

Ein wenig viel, was die bayrische Drehbuchautorin Heike Eva Schmidt 2012 in ihren Jugendthriller gepackt hat: Freundschaft, Liebe, Internetgefahren und Verlust. Geschrieben aus der Ich-Perspektive von Lila/Elina. Ihre Freundin Vio/Viktoria wird nach einem Schulfest ermordet und unter einem Schlehenbaum verscharrt. Das Herz Lilas verhärtet sich wie die Frucht des Schlehenbaums und ihr Handeln wird im Verlustschock irrational, sie wird von Albträumen geplagt, überwirft sich mit ihren Eltern und beginnt die Jagd nach dem Mörder, da sie den Eindruck hat, dass die Polizei nicht weiterkommt.

Schlüssig ist das alles nicht, was präsentiert wird. Vor dem Mord an Lilo gab es in Murnau bereits einen Mädchenmord und eine Vergewaltigung, der Täter ist nicht gefasst. Auch danach bewegen sich alle, als ob nichts gewesen wäre. Auch Lila. Selbst nach einem Mordversuch an ihr, der im Moor stattgefunden hat, will sie sich mit einem Typen treffen, der auf der Plattform SchülerVZ, die sie eigentlich besucht, um dem Mörder Vios auf die Spur zu kommen, sie mit Gedichten von Elsa Lasker-Schüler beeindruckt. Er jedoch ist der Mörder, und bei einem Showdown am Ende wird sie durch die Polizei gerettet. Der Mörder ist der Schulbüffet-Betreiber, der eine zerrüttete Kindheit und Jugend hinter sich hat.

Alles locker geschrieben, schnell zu lesen, aber die Kontinuitätsfehler sind schon atemberaubend. Alle handeln mehr oder weniger, als ob nie was geschehen wäre. Dafür wird dem verwirrten Hormonhaushalt der etwa 16-jährigen Mädchen breiter Raum zugestanden. Höhepunkt ist, dass nach dem Mordversuch an Lila die Lokaljournalisten endlich was zu schreiben hätten, weil sonst nie was passiere. Aha. Zwei Morde und eine Vergewaltigung zuvor sind wohl nicht wichtig.

Typisch frühe 10er-Jahre: Der junge blauhaarige Punk und Hacker schafft es, überall in Netzwerke einzudringen und so auch der Polizei zu helfen herauszufinden, dass Lila in Gefahr ist. Er selbst ist grade nach einer Aussage Lilas wegen Mordverdachts festgenommen worden. Zum Schluss finden beide zueinander. Der Verdacht war hinfällig.

Einzige Stärke neben der sehr an Trivialkrimis angelehnten Handlung: Die Beschreibung von Vios Begräbnis, wie ihr Sarg in die Tiefe gelassen wird. Die Einsamkeit des Todes kommt beklemmend rüber.

Eigenartig auch, dass die Kommissarin konsequent mit dem Vornamen und ihre männlichen Kollegen mit dem Familiennamen (ohne Vornamen) angesprochen werden: "... sagte Monika zu ... Gasser."

Der Roman hätte im Konzept etwas mehr Klarheit gebraucht, was er sein soll: Ein Psychogramm des Verlusts im Jugendalter, ein Krimi über Internetgefahren oder ein Thriller über einen Psychopathen. So ist ein schwach lektoriertes Mischmasch veröffentlicht worden.