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Noch als Student hat der nunmehrige Göttinger Universitätsprofessor Marian Füssel einen Essay über die Illuminaten und deren Nachwirkungen verfasst, der auf archive.org noch zu lesen ist.

Gegründet wurde vom Juristen Adam Weishaupt am 1. Mai 1776 der Bund der Perfectibilisten, bald umbenannt in Bund der Illuminaten bzw. Illuminatenorden. Weishaupt suchte zunächst hauptsächlich junge Menschen, die für ihn noch formbar seien. Die Illuminaten waren zunächst eine Studentenverbindung. Weishaupt im Original:
Dermalen kann man keine [anderen Qualitäten brauchen, als qualitates generales. 1) Geschickt 2) Industrios 3) Biegsam 4) Sociabilis. Sind die Leute noch dazu reich, vom Adel und mächtig, tant mieux.
Ab 1779 änderte sich die Stategie. München wurde zum Zentrum des Ordens und man begann die Freimaurerlogen gezielt zu unterwandern. Was aber auch für die Illuminaten selbst Rückwirkungen hatte. Im Januar 1780 trat Adolph Freiherr v. Knigge den Illuminaten bei und machte ziemlich rasch Weishaupts jesuitisch geprägten autoritären Führungsanspruch Konkurrenz. Knigge wollte den Orden demokratisieren.

Knigge befürchtete einen Machtmißbrauch des Ordens, "wenn wir Stifter uns nicht einen Zaum dadurch anlegten, daß wir die despotische Macht, die wir im Namen unbekannter Oberer hätten ausüben können, in eine Art von republicanischer Regierung verwandelten."

Knigge war außerdem sehr umtriebig bei der Mitgliederwerbung, insgesamt wird eine Mitgliederzahl von etwa 1400 angenommen. Im Gegensatz zu anderen großbürgerlichen Freimaurerlogen war der Illuminatenorden eine Vereinigung der Verwaltungs- und Bildungselite eines absolutistischen Staates (45 Prozent der Mitglieder waren Akademiker, nur 8 Prozent Kapital- oder Grundbesitzer). Das Ziel war, einen Staat durch Aufklärung vernünftig zu regieren.

Dass der Illuminatenorden sektenhaft organisiert war, beschreibt der Illuminat Klemens von Neumayer 1783 mit diesen Worten:
Der Illuminaten-Orden verlangte blinden Gehorsam der Untergebenen gegen ihre Obern. Jedes Mitglied mußte bei seiner Aufnahme alle seine persönlichen, Familien-, oeconomischen und politischen Verhältnisse in besonders vorgeschriebenen Tabellen zur Anzeige bringen, und sogar eine ausführliche Geschichte seines bisherigen Lebens übergeben: eine Art fortgesetzter Beichte war in den monatlichen Quibus Licet verordnet; jedes Mitglied war zur Beobachtung der übrigen Mitglieder, selbst zu Denunciationen ihrer nächsten Obern in den Soli's und Uni's aufgefordert; jedem Mitgliede ward es zur Pflicht gemacht, Männer von Einfluß für den Orden zu gewinnen, und seinen eigenen Einfluß überall zum Besten des Ordens zu verwenden, ...
Das Gradsystem ist wie folgt strukturiert:

I. Pflanzsschule oder Vorbereitungsklasse
1. Novize
2. Minerval
3. Kleiner Illuminat
Il. Maurerklasse
1. Lehrling - Geselle - Meister
2. Illuminatus maior (Schottischer Novize)
3. Illuminatus dirigens (Schottischer Ritter)
III. Mysterienklasse
1. Kleine Mysterien: a) Priester, b) Regent
2. Große Mysterien: a) Magus, b) Rex

In der Instruction für Provincialen sind fünf Fundamente des Ordens festgeschrieben:
1. Gehörige zu den auszuführenden Zwecken proportionierte Verbreitung. 2. Unterricht und Bildung 3. Anhängigkeit der Mitglieder. 4. Strengste Subordination. 5. Verborgenheit.
Für Weishaupt sind "Stillschweigen und Geheimnis die Seele des Ordens".

Füssel sieht im Illuminatenorden zwei Hauptstänge der Aufklärung vereint: die wissenschaftliche und philosophische Linie sowie die der Sozietäten, die durch eine vernünftige Praxis einen Kultivierungsprozess der Gesellschaft anstreben. Für konkrete Reformideen ist der Illuminatenorden jedoch nicht bekannt. Er legte Wert auf Erziehung (so war auch Pestalozzi Illuminat) bzw. auf die Unterwanderung von Institutionen, was besonders am Münchner Reichskammergericht gelang. Dass es um keine republikanische oder gar demokratische Reform der Gesellschaft geht, formuliert der Orden eindeutig, das Ziel sei "die Vervollkommnung des aufgeklärten Absolutismus durch
konspirative Mittel." Die Herrschaft im Staat solle jedoch nicht der Adel, sondern eine intellektuelle Elite innehaben, die im Geheimen diesen Machtwechsel herbeiführen soll. Wie sehr Weishaupt eine Demokratisierung befürchtet, zeigt dieses Zitat:
Siegt das Volk, so steht ein Zustand bevor, der nun ärger als aller Despotismus, und der Aufklärung noch viel gefährlicher ist: wir laufen Gefahr, in einen anarchischen Zustand zu verfallen.
Disziplinierung und Humanisierung sind Kernbegriffe, jedoch nicht Demokratisierung. Damit werden auch gesellschaftliche Mechanismen als Gestaltungsprinzipien einer Veränderung nicht erkannt. Nur die im Geheimen operierende intellektuelle Elite kann durch Bildung und Übernahme von Ämtern eine Umgestaltung der Gesellschaft herbeiführen. Der Rest der Gesellschaft ist ein Passivum.

In Anlehnung an Rousseau sieht Weishaupt die Entstehung von Unfreiheit und sozialer Ungleichheit als Folge der Entstehung des Eigentums, die ungehemmte und ständig steigende Bedürfnisbefriedigung jedoch als Quell des Despotismus. Die Freiheit könne nur durch Bedürfnisbeschränkung und Triebbeherrschung zurückerlangt werden. Füssel greift in seiner Bewertung (ungekennzeichnet) eine Phrase von Friedrich Engels auf, dass Weishaupt "Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeit einer nach strengen Gesetzmäßigkeiten verlaufenden Natur" sehe. Eine weitere Parallele zu dem späteren marxistischen dialektischen Geschichtsbild lässt sich erkennen, dass Weishaupt davon ausgeht, dass nach einer Phase eines aufgeklärten Despotismus dieser nicht mehr nötig sei, wenn die moralische Vervollkommnung der Gesellschaft erreicht sei. Bei Marx und Engels ist es das Absterben des Staates, wenn die Diktatur des Proletariats die Vervollkommnung der ökonomischen Gleichheit erreicht habe.

Die Illuminaten kamen mit ihren Ansichten und ihrer Geheimniskrämerei den durchaus gängigen Verschwörungstheorien des späten 18. Jahrhunderts entgegen. Die Gefahren für eine herrschende Ordnung in einer überschaubaren Gruppe von Menschen zu verorten ist einfacher, als sich mit vielfältigen sozialen und ökonomischen Unverhältnismäßigkeiten auseinandersetzen zu müssen. Eine Polizeiaktion genügt zur Verhinderung revolutionärer Umgestaltungen. Füssel geht von vier Verschwörungsthesen am Ende des 18. Jahrhunderts aus:

1. Konfessionelle Verschwörungsthese: Jesuiten gegen Protestanten
2. Suprakonfessionelle Verschwörungsthese: Jesuiten unterwandern die Freimaurer
3. Illuminatenverschwörungsthese: Jesuiten gegen Illuminaten
4. Konservative Verschwörungsthese: Globale Verschwörung der Illuminaten gegen den Staat

Vor allem die vierte Verschwörungsthese hat seinen langen Nachhall in der Welt der Paranoiker von Ludendorff über Hitler bis in heutige Zeiten. Der Illuminatenorden selbst wurde am 2. März 1785 verboten.