Kokon

Diese 2007 veröffentlichte Erzählung ist aus der Sicht eines etwa zwölfjährigen namenlosen Mädchens geschrieben, das am Beginn des Frauwerdens, bei eintretender Pubertät aus der Enge ihrer Kleinstadtwelt, ihrer Familie, ihres Schullebens ausbrechen will und am Ende aus dem Kokon ihrer Kindheit, aber auch ihrer Träume austritt, um als freier Mensch wieder in diesen Schoß zurückzukehren und zu Holger, dem Klassenbesten, dessen Eltern sich scheiden und ihn viel alleine lassen, eine freundschaftliche Beziehung aufzubauen.

Im Zentrum der Erzählung und ihrer Träume steht Nelly, eine junge Frau, die sich als Vegetarierin und Esoterikerin in eine alte Villa zurückgezogen hat, um ihr Kind zur Welt zu bringen. Die Schwangere liest jeden Abend dem Kind in ihrem Bauch ein Märchen vor, und das Mädchen hört bei einem ihrer Ausflüge eines Abends diese Stimme. Sie ist verzaubert von dieser Stimme und kommt jeden Abend zu Nelly, träumt davon, mit ihr zu leben und sie sogar zu heiraten. Nelly wird von ihrer Freundin Livia betreut, das Mädchen ist zunächst eifersüchtig, aber je mehr sie sich von diesem Traum wieder abwendet, desto mehr lernt sie das Engagement Livias zu schätzen. Diese bringt Nelly gegen ihren Willen zur Geburt ihres Kindes ins Krankenhaus, was Nelly und dem Kind wohl das Leben rettet, und mit dem Geld des wegen seines kleinbürgerlichen Lebens in einer kleinen Wohnung verschmähten Kindsvaters sorgt Livia für ausreichend Essen und Heizung in der verwahrlosten Villa.

Auch religiös wendet sich das suchende Mädchen von Nelly ab. Während diese an einen unergründlichen, allumfassenden Willen glaubt, nach dem alles so zu geschehen habe, wie es geschieht, auch Leid und Tod, gelangt die junge Erzählerin zu der Einsicht, dass Gott nur zusehe, nichts plane und nicht eingreife, dass das Schicksal der Menschen in ihrer eigenen Hand liege. Nelly ist entzaubert: "Ich fand in Nellys Gesicht keine Zukunft mehr, nur Leere."

Letztendlich sind die Wertvorstellungen der Welt, in die das Mädchen zurückkehrt, sehr konservativ. Der Wendepunkt ist eine familiäre Muttertagsfeier, die sie erkennen lässt, dass sie nur eine Mutter habe. Die Familie ist nun kein Gefängnis mehr. Und am Ende sagt sie:
Vielleicht bin ich kein Schmetterling. Vielleicht bin ich nur eine Motte im Flug durch die Zeit. Aber ich fühle die Kraft, die mich durchspült, und eine ziellose Freiheit, die mich berauscht und beängstigt. So viele Möglichkeiten. Nur eine von ihnen wird mein Leben sein. Die anderen aber werden als Träume und Hoffnungen mit mir fliegen wie gläserne Sterne.
Dennoch wird auch der Ausblick ihrer Welt dargestellt: die größere Schwester und das Leben der Eltern. Die zurückgelassene Kindheit spiegelt sich im kleinen Bruder.

Dieser Text ist kompakter als der erste Roman, den ich von Mahlknecht gelesen habe, wenn er durchaus stringenter hätte gestaltet werden können. Die beinahe an Klamauk erinnernde mehrfache Auseinandersetzung mit einer neuen Deutschlehrerin erscheint mir etwas fehl am Platz und raubt dem Text doch mehrfach seine sehr plausible Ernsthaftigkeit.