Moeckelmann-Transit

Der nunmehr 83-jährige deutsche Diplomat (u. a. Botschafter und Honorarkonsul in der Türkei - 1992-96 bzw. 2003-06) hat in diesem Jahr einen Band über die Rolle der Türkei als Transitland für jüdische Flüchtlinge aus dem NS-Herrschaftsbereich nach Palästina vorgelegt. Neben den Aktivitäten in der Türkei wird umfassend die Judenvernichtung in den erweiterten Balkanländern (mit Ungarn, der Slowakei und Rumänien) referiert und am Ende wird die aktuelle Erinnerungskultur in diesen Staaten reflektiert.

Kern ist: Staatlichen Behördern zur Zeit des Holocaust wird ein sehr schlechtes Zeugnis ausgestellt. Das Massenmordprogramm der Deutschen ist seit Ende 1942 weltweit bekannt gewesen und es werden skurrilste Deals mit den Nazis vorgestellt wie 10.000 LKWs samt Kaffee und Tee im Austausch von einer Million Juden, die in dieser Anzahl sowieso niemand bereit war aufzunehmen. Einzig Chaim Barlas, dem Vertreter der Jewish Agency in Istanbul, wird Bewunderung entgegengebracht. Unermüdlich habe er versucht, so viele jüdische Flüchtlinge wie möglich über die Türkei nach Palästina zu bringen. Gegen extreme Hürden seitens der türkischen Regierung und Behörden, die verhindern wollten, dass Juden sich in der Türkei ansiedeln und nur sehr wenige Transitvisas ausstellten. Von 1940 bis 1945 waren es insgesamt 13.000 Menschen. Aber auch Großbritannien habe erst 1944 die Einreisebeschränkungen des Weißbuchs von 1939 nach Palästina aufgehoben.

Selbst türkischstämmigen Juden in Frankreich, die zum Teil noch türkische Staatsbürgerschaft besaßen, bekamen kein Einreisevisum in die Türkei. Vielen von ihnen wurde sogar die Staatsbürgerschaft entzogen, weil sie während der deutschen Besatzung bzw. im Vichy-Regime nicht in der Lage waren, die gesetzliche Meldepflicht bei Konsulaten zu erfüllen. Etwa 3000 in Frankreich lebende türkischstämmige bzw. türkische Juden wurden Opfer des Holocaust.

Als bodenlose Frechheit sieht Möckelmann die Haltung eines seiner Vorgänger als deutscher Botschafter in der Türkei, Franz von Papens (1940-1944), der sowohl vor dem Militärtribunal in Nürnberg wie auch in seinen Memoiren behauptete, er sei an der Rettung von etwa 10.000 Juden über die Türkei aktiv beteiligt gewesen. Die historischen Dokumente belegen: eine glatte Lüge.

Möckelmanns Buch ist am aktuellen Stand der historischen Forschung und weist auch unzählige Belege aus diplomatischen Akten auf. Beim Lesen kann man aufgrund der vielen Details, die machmal sprunghaft präsentiert werden, zeitweise die Orientierung verlieren, aber letztlich ist es ein akribisch recherchiertes und höchst informatives Buch.