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Andreas Eckert ist Historiker mit Schwerpunkt Afrika an der Humboldt-Universität Berlin und legte in der Beck-Reihe Wissen 2021 einen Band über Sklaverei vor.

In der Einleitung definiert Becker Sklaverei als Form der Ausbeutung, bei der ein Mensch der Besitz einer anderen Person ist und legt ihre Anfänge ins frühe Neolithikum (Jungsteinzeit), viele Kulturdenkmäler der alten Hochkulturen (Babylon, Assyrien, Ägypten) seien von Sklaven errichtet worden, im antiken Griechenland bewertete Aristoteles die Sklaverei als naturgegeben, im Römischen Reich war Sklaverei strukturell. Höhepunkt sei der Zeitraum zwischen 15. und 19. Jahrhundert gewesen, als etwa die Hälfte der nach Nordamerika strömenden Menschen Sklaven gewesen sein sollen. Aktuell befänden sich laut ILO etwa 40 Millionen Menschen in moderner Sklaverei. Auch zu Beginn stellt Eckert klar, dass Sklaverei nicht grundsätzlich ein rassistisches Konzept sei.

Weniger bekannt sei, dass Sklaverei im mittelalterlichen Europa auch über den islamischen Herrschaftsbereich hinaus verbreitet war, so unter den Wikingern, in Osteuropa, aber auch in italienischen Gebieten. So wurden Städte wie Genua, Venedig oder Palermo bis in die Zeit der Renaissance mit Sklavinnen und Sklaven vor allem aus Osteuropa und Zentralasien versorgt, Genua und Venedig setzte auf Plantagen abhängiger Gebiete (Zypern, Rhodos, Kreta) schwarze Sklaven auf Plantagen ein.

Der Sklaverei in Afrika bzw. Menschenhandel aus Afrika verstärkte sich ab dem 15. Jahrhundert und lässt sich in vier Zonen einteilen: Sklaverei im Subsahara-Gebiet, Transsaharahandel, Handel über den Indischen Ozean, transatlantischer Handel. Der Sklavenhandel durch die Sahara sei ab dem 8. Jahrhundert in islamische Gebiete zu beobachten und umfasste in den nächsten 1000 Jahren etwa 4 Millionen Menschen. Die Todeszahlen sind sehr hoch, auch wegen Krankheiten oder misslungener Kastrationen. Andererseits mussten Versklavte nach dem Tod der Besitzer:in freigelassen werden. Der Handel über den Indischen Ozean in islamische Herrschaftsgebiete, aber auch nach Indien, Indonesien und China, umfasste ebenso etwa 4 Millionen Menschen insgesamt (zum Teil waren bis zu 50 Prozent der Bevölkerung Sklav:innen). Versorgt wurden die Sklavenhändler durch Einheimische, meist Nomaden, welche Sesshafte von ihren Gebieten verdrängten, so zum Beispiel um die Weidegründe für Berberhengste auszuweiten.

Im islamischen Mittelmeer wurden jedoch nicht nur Schwarzafrikaner:innen versklavt und gehandelt, sondern auch Europäer:innen, die von Piraten im Mittelmeer gefangengenommen wurden. Aus Norddeutschland sind Sklavenkassen bekannt, in die einbezahlt wurde, um Piraten zu bezahlen, damit ihre Schiffe in Ruhe gelassen werden.

Der transatlantische Sklavenhandel ist der bekannteste, insgesamt wurden etwa 11 Millionen Menschen gegen ihren Willen von Afrika nach Amerika (Nordamerika, Karibikinseln, Brasilien) verschifft. Für die Transporteure wird eine Gesamtredite von 10 Prozent geschätzt. Neben den Hauptsklavenhandelsländern Portugal, Spanien, Niederlande, Großbritannien waren auch Dänemark, Frankreich und Brandenburg im transatlantischen Sklavenhandel involviert, Schweizer Finanzhäuser profitierten durch Investitionen. Die USA waren seit Gründung einige Jahrzehnte in den Sklavenhandel involviert. Die bedeutendste Route war die durch Portugal nach Brasilien (etwa 50 Prozent des transatlantischen Sklavenhandels). Die meisten Menschen wurden in Westafrika versklavt: Angola (fast 6 Mio.), Benin, Biafra, Senegambien, Sierra Leone. Bei der Überfahrt starben etwa 10 Prozent (geschätzt werden 1,5 Mio) der Transportierten, ebenso gab es auf jeder zehnten Überfahrt Aufstände. Dementsprechend bestanden auch die rekrutierten Crews aus deklassierten Menschen, die angewandte Gewalt war brutal, nach Überfahrt wurden so manche Crewmitglieder Sklavenaufseher auf Plantagen, die Hauptabnehmer für die Sklaven waren.

Ein besonderer Raum wird den Inseln der Karibik gewidmet, da auf diesen das Schicksal der dort Lebenden besonders tragisch ist: aufgrund von Krankheiten, Hungersnöten und der schweren Zwangsarbeit auf Plantagen (hauptsächlich Zucker) wurden sie praktisch ausgerottet. Ihre Arbeitskraft wurde durch afrikanische Sklavenheere ersetzt. Mit Haiti und Kuba wurden auch Eckpfeiler gesetzt: auf Haiti (Saint-Domingue) befreiten sich die Sklaven 1792 während der Französischen Revolution, auf Kuba wurde 1886 als Letztes die Sklaverei abgeschafft. Haiti wirkte kurzfristig auf Frankreich, 1794 wurde die Sklaverei abgeschafft, Napoleon führte sie 1801 wieder ein, 1804 erklärte sich Haiti zur unabhängigen Republik.

In Großbritannien und den USA wurde 1807 der Sklavenhandel verboten, nicht jedoch die Sklaverei selbst. In Großbritannien wurde diese 1833 im Emanzipationsgesetz - außer für Indien und China - abgeschafft. In den USA wurde die Sklavenbefreiung drei Jahrzehnte später in einem Bürgerkrieg erkämpft. Gleiche Rechte wurden dennoch nicht zugestanden, auch die Bedingungen mit den neuen Arbeitsverträgen waren kaum frei zu bezeichnen, für viele ehemalige Sklav:innen war die Lage weiterhin prekär, außerdem waren sie mit einem aufkeimenden Rassismus konfrontiert. Außerdem erhielten die Sklavenbesitzer:innen hohe Entschädigungssummen. Deshalb jedoch vor allem christliche Mitglieder der Abolitions-Bewegung als "Gutmenschen" zu bezeichnen, erachte ich in einem solchen Textzusammenhang und wegen der aktuellen Mitbedeutungen des Wortes für unangebracht. Im islamischen Raum werden nur die Drusen angeführt, welche im 11. Jahrhundert Sklaverei auch für Nicht-Muslime verboten.

Auch Afrika erhält ein eigenes Kapitel, da Sklaverei bereits vor der Ankunft von Europäern existierte. Dahomey im heutigen Benin und Ashanti im heutigen Ghana waren große Sklavenhaltergesellschaften, deren Wirtschaftskraft hauptsächlich durch Sklav:innen erwirtschaftet wurde und die Europäer mit Sklav:innen versorgten. Das Kalifat von Sokoto im Nordwesten des heutigen Nigeria zählt zu den größten Sklavenhaltergesellschaften der Menschheitsgeschichte. Permanent waren etwa 2 Millionen Menschen versklavt, etwa die Hälfte der Bevölkerung. Im 19. Jahrhundert wurde Ostafrika zu einem Zentrum der Sklaverei, vor allem Sansibar mit seinen Gewürznelkenplantagen.

Diese Sklavenhalterreiche befeuerten einen moralischen Impetus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Europa. Die Eroberung des Kontinents durch die europäischen Mächte wurde durch moralische Propaganda unterstrichen, die vorgab, Arfika von versklavenden, islamischen Tyrannen zu befreien. Dieses Argument wurde auch auf der Berliner Kongokonferenz 1884/85 hervorgehoben. Dass die europäischen Kolonisatoren jedoch auf die kritisierte lokale Sklavenhalterelite angewiesen waren, wurde später nicht an die große Glocke gehängt. Dennoch wurde in dieser Zeit Sklaverei durch andere Formen von Arbeitsabhängigkeiten ersetzt, darunter auch Zwangsarbeit oder Mobilisierung zur Armee oder Polizei bzw. Kontraktarbeit (mit sehr nachteiligen Verträgen).

Dass auch für nicht versklavte Arbeiter:innen soziale Mindeststandards zu gelten hätten, wurde nach Aufdeckung der Gräuel im Kongo des belgischen Königs Leopold II. in die Wege geleitet. 1926 beauftragte der Völkerbund die Internationale Arbeitsorganisation ILO, eine Regelung auszuarbeiten, die Zwangsarbeit genauso verbietet wie Sklaverei, was 1930 umgesetzt wurde (Text bei ILO).

Als letzter Staat schaffte Mauretanien 1980 die Sklaverei ab. Dennoch könne weiterhin von Lebensbedingungen in Sklaverei gesprochen werden. Menschen werden durch gefälschte Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen illegal zur Arbeit eingesetzt (oft auch als Sexsklavinnen) und sind dadurch ihren Vertragspartnern (Besitzern) hilflos ausgeliefert. Der Global Slavery Index gab für 2014 an, dass sich weltweit etwa 36 Millionen Menschen in Verhältnissen "moderner Sklaverei" befinden (aktuell werden fast 50 Millionen verzeichnet - GSI auf walkfree.org).

Als Kennzeichen moderner Sklaverei führt der GSI nun mehr Kriterien an als Eckert. Diese sind (Link im letzten Absatz):

  • Zwangsarbeit
  • Zwangsverheiratung
  • Schuldknechtschaft
  • Menschenhandel
  • Ausbeutung von Kindern
  • Freiheitsentzug für persönlichen oder finanziellen Vorteil


Für die Menschen in Verhältnissen moderner Sklaverei bedeute dies, Folgendem ausgesetzt zu sein:

  • Kontrolle durch Gewalt
  • Verlust des freien Willens
  • wirtschaftliche Ausbeutung


Wege in die moderne Sklaverei:

  • Kriegsgefangenschaft
  • Entführung
  • Kinderverkauf
  • Täuschung
  • Verschuldung


Krieg und Armut seien nach wie vor die Hauptumstände, welche moderne Sklaverei befeuerten.

Insgesamt trotz des geringen Umfangs, welcher der Serie geschuldet ist, ein Text mit dicht gedrängten Informationen.