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1931 brachte Anton Kuh sein einziges Theaterstück, eine Bearbeitung von Nestroys Der Böse Geist Lumpacivagabundus, auf die Berliner Volksbühne. Mit niederschmetterndem Erfolg, das Stück wurde verrissen. Es gibt auch derzeit keine Neuauflage und ist ausschließlich in Band 5 der Werkausgabe des Wallstein-Verlags zu lesen.

Die drei wandernden Lumpengesellen Zwirn, Knieriem und Leim sind auch hier Teil einer Wette der Feenwelt, ob der Mensch durch Reichtum besserungsfähig ist. Zwirn ist ein Frauenheld, Knieriem ein Trinker, Leim verzweifelt, weil seine geliebte Tochter des Tischlermeisters Hobelmann einen Fleischer heiratet.

Der Böse aus der Geisterwelt, Lumpacivagabundus, will beweisen, dass auch Reichtum nicht zu einer Besserung führt. Wie bei Nestroy lässt Kuh sie in einer fingierten Geisterlotterie 100.000 Währungseinheiten gewinnen (bei Nestroy Taler, also wohl um die 2 Mio Euro), bei Reichsmark 1931 würde eigentlich zu wenig rauskommen, damit drei Leute in Saus und Braus leben, andererseits: binnen kürzester Zeit sind Zwirn und Knieriem wieder bettelarm.

Zwirn führt ein pompöses Leben eines Neureichen, kauft Kunst und lässt sich malen und wird am Ende von einer falschen aristokratischen Tante und zwei Nichten um sein Geld gebracht, sodass er die Gläubiger nicht mehr bedienen kann. Er wird wieder obdachloser Landstreicher.

Knieriem ist Alkoholiker und hat einen Hang zu politischen Volksreden, die stark an deutschnationales Bullshitbingo erinnern:
deshalb muss der Mensch (die folgenden Worte wie ein Parteivokabular rhythmisch herausstossend) ... unbedingt ... radikal - ohne Rücksicht - (mit immer leidenschaftlicherer Stimme) - in jeder Hinsicht - sei es so oder so - in geschlossener Entschiedenheit ...

Der Mensch muss durch das Treugelöbnis der volksstählenden Sittenzucht die Zuchtkraft der seelischen Erneuerung in sich spüren
In einer Weingegend am Rhein lässt er sich von den Bürgern als Prophet feiern, vor allem da er sie bei ihren Zusammenkünften aushält. Als nach einer achttägigen Feier der prophezeite Weltuntergang nicht stattfindet, wenden sich die Bürger von ihm ab. Knieriem ist wieder alleine und mittellos.

Zufällig treffen sich Knieriem und Zwirn nächtens in einem Park, in dem beide übernachten wollen, und Lumpacivagabundus erinnert sie an den Jahrestag ihres Lottogewinns, an dem sie sich bei Leim in Wien treffen wollen. Anders als bei Nestroy, wo die beiden in krank in einem Nürnberger Spital darniederliegen und Leim sie aushält, sodass sie in ferner Zukunft noch einmal in ein geordnetes Leben zurückfinden können, gehen die beiden in ihrem Lumpengewand zu Leim und treffen eine geordnete Familie an. Leim hat die Tochter des Meisters geheiratet (mit dem Fleischer ist ihre Schwester verehelicht worden) und sie haben zwei Kinder, der Bub geht bereits zur Schule. Leim selbst ist melancholisch, da ihn das geregelte, vorgeplante Arbeits- und Familienleben langweilt. Auch kann er die beiden anderen nicht unterstützen, da sein Geld investiert ist und er keine größere Summe liquide hat. Als Knieriem und Zwirn fliehen wollen, da Meister Hobelmann sie behielte, wenn sie arbeiten würden, beschließt Leim, mit den beiden das Vagabundenleben wieder aufzunehmen.

Motiviert ist das Ende nicht, die Alternative eines umherziehenden, bettelnden Obdachlosendaseins als Alternative zu einem kleinbürgerlichen Leben überzeugt nicht. Auch die Feenwelt kommt zu keinen sehr tiefgründigen Schlüssen. Für den bösen Geist Lumpacivagabundus sind "die Menschen von Natur aus schlecht", und der Feenkönig Stellaris konstatiert: "Lump bleibt Lump" und tritt als Feenkönig ab, Lumpacivagabundus übernimmt das Königsamt.

Damit ist Kuh eigentlich bei einem sehr eindimensionalen Naturalismus der 1880er Jahre stehengeblieben. Auch die Reduktion der Menschen auf Basisbedürfnisse passt zu dieser Denkrichtung und dem naturalistischen Theater. Für das Jahr 1931 mit der Wirtschaftskrise und vielen unfreiwilligen Arbeitslosen ist das Stück als Statement etwas mager.