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In dieser Ausgabe sind Anton Kuhs Veröffentlichungen von 1930 bis 1933 präsentiert. Neben den beiden oben bereits vorgestellten Ganztexten sind es wiederum viele Zeitungsartikel, die - obwohl Kuh in Berlin lebt - auch in süddeutschen, Prager und Wiener Blättern veröffentlicht wurden. Im Gegensatz zu seinen früheren Jahren finden sich wenige Theaterkritiken, auch wenn ihn diese Welt nicht ganz loslässt. Beinahe eigentümlich mutet an, dass er Bertolt Brecht mit seiner Dreigroschenoper zu den Unterhaltungsautoren zählt. Näher stand er Carl von Ossietzky, dem er einen Beitrag an dem Tag widmet, als Ossietzky wegen Landesverrats (Aufdeckung der geheimen Aufrüstung der Luftwaffe) seine Haftstrafe antrat.

Sehr stark erwecken seine Texte den Eindruck, dass ihm Wien fehlt. So schreibt er in einem Bonmot, dass er "es vorzog, in Berlin unter Wienern statt in Wien unter Kremsern zu leben". Mit der Figur Brunneisel schafft er für die Süddeutsche Sonntagszeitung einen Wiener (Meidlinger) Kleinbürger mit Schrebergarten und Familie, der gern in Grinzing trinkt, wenig Geld hat und ein politischer Opportunist ist. Keine unsympathische Figur, jedoch mit vielen Macken. Der laute Mitläufer der Zukunft? Und Kuh verwendet immer öfter den Wiener Dialekt als seine Schriftsprache.

Beinahe wehmütig blickt Kuh auf das österreichische Parlament, das für einen Völkerbundkredit zur Sanierung der Staatsschulden parteiübergreifend für eine Budgetreduktion von 20 Prozent stimmt. Vor allem hebt Kuh hervor, dass es gelungen ist, auch die Kleinverdiener an der Sanierung zu beteiligen, sprich: ihre Löhne zu kürzen. Heutzutage ein etwas eigentümlicher Zugang. Er kontrastiert dies mit der Rede des deutschen Kanzlers Brüning vom 14. Oktober 1931, in der dieser beklagt, dass es zu keinen parteiübergreifenden Lösungen gekommen sei.

Immer wieder sind auch die damaligen neuen Medien Thema. So hält er fest, dass Tatsachen wichtiger seien als Gesinnungen. Eine Klage, die auch heute in unserer Zeit zu erheben ist. Und auch dass die neue Mode ist fotogénic zu sein, also fotogen, auf Fotos gut ausschauend, ist aktuell kein unbekanntes Phänomen. Brunneisel lässt er dies in Bezug auf das Wahlverhalten persiflieren:
»Das war ja nachher a Schönheitskonkurrenz«, sagte der Vertraute.

»Dös soll's a sein! A innere Schönheitskonkurrenz, wo die Schönheit aus 'n Herz und die Augn, net aus 'n G'schau kommt. Sechts, vor a paar Jahr, wia s' an amerikanischen Präsidenten g'wählt haben, da waren a zwei: der Smith und der Hoover. Wenn ma auf mi g'horcht hätt, hätt ma 'n Smith g'wählt - weil den sei Photographie hat ma besser g'fallen. Aber 'n Hoover, hab i g'sagt - jede Wochen 'n Hoover anschaun? - naa! Aber unserans fragt ja kaner.«
Immer wieder nimmt sich Kuh scheinbar nebensächlicher Themen an, um daraus scharfsinnige Schlussfolgerungen zu ziehen. So tritt er vehement für das Trinkgeldgeben ein, da dies nicht die Dienstleistung bezahle, sondern die Freundlichkeit, auf die man keinen Anspruch hätte. Und denjenigen, welche das Geben von Trinkgeld für entwürdigend halten, hält Kuh entgegen: "Die immer von der Würde reden - das sind die unfrohen Geber, denen das Nehmen mehr bedeutet".

Und selbst zu seiner sprunghaften Schreibweise, die sehr stark an seine Stegreifreden angelehnt ist, findet Kuh eine Erklärung. Er schreibe nicht mit "konsekutiver" (also aufeinanderfolgender), sondern "assoziativer Logik". Gedankensprünge sind Teil seines Stils.