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Dies ist der Ergänzungsband mit Quellenvermerken, Literaturverzeichnis und Index, aber auch mit einem gut fünfzigseitigen Nachwort des Herausgebers Walter Schübler, in dem er auf gedrängtem Raum Leben und Werk Anton Kuhs nachzeichnet.

Er beginnt mit Kuhs Beiträgen im Prager Tagblatt ab 1914, der ihn mit seinen polemischen Beiträgen über "Wiener Typen" bereits früh zu einem Feuilletonisten ersten Ranges erhob, was sich an den namentlich gezeichneten Beiträgen erkennen lässt. Sprachwitz, Spott, Häme wie Bosheit waren Kuhs Kennzeichen, was ihn abhob. Das argumentum ad hominem war sein Weg zu schreiben. Oder wie Kuh 1931 es zum Ausdruck brachte: "Nur nicht gleich sachlich werden! Es geht ja auch persönlich."

Seit 1917 lebte Kuh in Hotels und verbrachte seine Tage bzw. Nächte in Cafés, Bars und Theatern. 1919/21 weilte er zum ersten Mal für etwa sechs Monate in Berlin, wohin er 1926 zog. Auch bereits früh positionierte sich der aus einer Prager jüdischen Familie stammende Kuh gegen Assimilation wie Zionismus, seine jüdische Identität war laut Schübler "ein selbstbewußtes, sozialrevolutionäres Weltbürgertum".

Einzigartig waren Kuhs etwa zweistündigen Stegreifreden. Auf der Bühne ein Tisch, ein Stuhl, eine Flasche Kognak und ein Glas. Bereits Anfang der 1920er Jahre schreibt und redet er gegen Totalitarismus wie Nationalsozialismus, am 22. Dezember 1922 konnte ihn nur Polizeischutz in Wien vor einem NS-Mob mit Schlagringen und Schlagstöcken nach einem Vortrag im Wiener Konzerthaus davor bewahren, erschlagen zu werden.

Bei seinen Theaterkritiken (bis 1926, dann hörte er mit den Kritiken auf) war er persönlich, er griff Regie, Schauspieler:innen und Theaterhäuser direkt und namentlich an. Als Gerichtssaalreporter nimmt er Partei für die Mittellosen und Sprachlosen, die sich nicht wehren und keine Rechtsanwälte leisten konnten.

Ab 1926 schrieb er in Berlin für eine große Zahl von Zeitungen und Magazinen, auch Boulevardblätter. Laut Schübler rissen sich Redakteure und Herausgeber um seine Beiträge. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung wie seiner politischen Haltung bedroht, verließt Kuh Berlin im Februar 1933 nach Wien und pendelte bis 1938 zwischen Paris, London, Prag und Wien. 1933 schlugen nach einem Stegreifvortrag über Paneuropa SA-ler das Wiener Konzerthaus kurz und klein. Kuhs letzte Sätze an diesem Abend: "Die Zukuntt wird nicht schön sein, sondern steht mit blutroten Zeichen am Horizont!"

Ab 5. September 1936 steht Kuh in der in der deutschen "Liste der deutschfeindlich tätigen Journalisten und Schriftsteller", im August 1937 entgeht er während der Salzburger Festspiele nur knapp einer Verschleppung nach Deutschland. Am 11. März 1938 trifft er sich in Wien noch mit dem österreichischen Unterrichtsminister Hans Pernter, um ihn von der Bedeutung der Sozialdemokraten für die von Kanzler Schuschnigg initiierten Volksabstimmung zu überzeugen, doch bereits mit dem 14-Uhr-Zug verließ er wegen der angedrohten Invasion deutscher Truppen Wien Richtung Prag. Es war der letzte Zug, der nicht von der SA an der Grenze gefilzt wurde. Am 1. Oktober war Kuh wieder in New York.

In New York setzte sich Kuh für geflüchtete Österreicher:innen ein, jeden Sonntag war in seiner kleinen Wohnung ein Jour Fix aus diesem Anlass. Kuh suchte für die Eintreffenden Quartiere und Arbeitsstellen. Gesundheitlich angeschlagen (seine Herzprobleme nahmen in Wien viele Schriftstellerkollegen nicht ernst) missachtete er ärztliche Empfehungen zur Bettruhe, zum Nichttrinken, zum Nichtrauchen. In Reden und Artikeln wendete er sich gegen das Ruhebewahren und Unauffälligsein der Emigrant:innen, wie sie in den "Rules for Refugees" festgeschrieben waren.

Am 18. Januar 1941 starb Anton Kuh an einem Herzanfall. Seinen Nachruf schrieb sein langer Freund Franz Werfel.

Für mich war die Lektüre der sieben Bände bzw. der bekannten Schriften von Anton Kuh eine Abenteuerreise. Mit seinen persönlichen Anfeindungen konnte ich weniger anfangen, aber seine treffenden Analysen und Bonmots zeugen von einem hochintelligenten und sprachwitzigen Menschen, und seine politischen Texte ab 1933 sind von einzigartiger Klarheit in Bewertung und Sprache. Letztere sind in Band 6 veröffentlicht und wirklich eine Leseempfehlung.