Narrenschiffer
Diskussionsleiter
Profil anzeigen
Private Nachricht
Link kopieren
Lesezeichen setzen

dabei seit 2013Unterstützer
Profil anzeigen
Private Nachricht
Link kopieren
Lesezeichen setzen
Bov Bjerg - Auerhaus
25.08.2025 um 10:34
Bov Bjerg (echter Name Rudolf Schmidt) legte 2015 einen Coming of Age-Roman vor, der in den 1980er Jahren in einem Dorf bei Stuttgart spielt und mich konzeptionell an Plenzdorfs Die neuen Leiden des jungen W. erinnert. Sechs junge Erwachsene um die 18 Jahre ziehen in das leerstehende Großelternhaus von Frieder Wittlinger ein. Ich-Erzähler ist ein Höppner.
Höppner und Frieder gehen in die Abiturklasse des Stadtrandgymnasiums und Frieder überlebt einen Selbstmordversuch mit Tabletten. Zu ihnen ziehen Vera (die Freundin Höppners) und Cäcilia (Klassenkollegin). Später stoßen Harry (Frieder kennt ihn aus dem Kindergarten, er ist Elektrikerlehrling, Schwulenstricher in Stuttgart und Drogendealer) sowie Pauline (Pyromanin, sie lernt Frieder in der Psychiatrie kennen, später sitzt sie wegen Brandstiftung mit Todesfolge 10 Jahre ein).
Sie leben zum Teil mit Unterstützung ihrer Eltern, aber hauptsächlich von Ladendiebstahl, der jedoch nie zu einer Anzeige führt. Ansonsten wird viel gequatscht und Unfug getrieben (Frieder hackt zum Beispiel den Weihnachtsbaum am Hauptplatz um oder spielt aus einem Autofenster heraus mit einer Holzpistole, indem er einen Streifenwagen bedroht, was nicht so gut ankommt). Auch stürmt eine Razzia ins Haus, weil sie nach Drogen bei Harry suchen, sie aber nicht finden.
Dreh- und Angelpunkt ist die Hauptfrage, ob Frieder weiterhin suizidgefährdet ist. Ja, er ist, am Ende schafft er es, sich mit Tabletten umzubringen.
Knapp am Klamauk rauschen die Schulszenen bzw. die Szene bei der Musterung vorbei. Höppner schafft das Abitur nicht, zieht nach Berlin, um der Bundeswehr entgehen zu können, und arbeitet als Reinigungskraft.
Der Text ist rasant geschrieben und sehr schnell zu lesen, die zeitgenössischen Kritiken waren überschwänglich, für mich hält er, obwohl Klamauk mit Tiefgangversuchen, den Vergleich zu Plenzdorf nicht Stand. Warum Frieder überhaupt suizidgefährdet ist, erschließt sich mir nicht. Vielleicht wollte Bjerg nicht nur Klamauk schreiben.
Tiefgangversuche in Bonmots:
- Mehrfach wird phrasiert, das normale Leben bestehe nur aus "Birth, school, work, death".
- "Literatur, das ist das Klopapier, mit dem sich jedes Arschloch putzt."
Trotzdem: Gute Unterhaltungsliteratur.
Das Haus heißt übrigens Auerhaus nach einem Song von Madness: "Our House".