Narrenschiffer
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Michael Köhlmeier - Sunrise
04.12.2025 um 16:52
In dieser Novelle Michael Köhlmeiers aus 1994 feiert Tepls Der Ackermann und der Tod seine Wiederaufestehung. Gestaltet ist sie als Binnenerzählung. Während der Ich-Erzähler und sein Freund/wasauchimmer Richard versuchen, ein Auto zu stoppen, wird per Los entschieden, wer zum Zeitvertreib eine Geschichte erzählt. Es trifft Richard und dieser erzählt eine Geschichte aus Los Angeles von dem obdachlosen etwa fünfzigjährigen Trinker Leo Pomerantz und der etwa zwanzigjährigen Stripperin Rita Luna.
Als Leo den Hollywood Boulevard überquert und ein Fahrzeug übersieht, wirft der personifizierte Tod seine Sichel, trifft aber die aus einem Café kommende Rita in die Brust. Der Tod hält nun für eine Stunde die Zeit an und lässt beiden 20 Minuten Redezeit für ein Plädoyer, warum gerade sie selbst nicht sterben sollen. Danach wolle er entscheiden.
Leo erzählt eine Geschichte aus seiner Kindheit, als er seinen Onkel Leonhard bewundert und dessen Freundin Rosa-Linda so geliebt habe, dass er seiner Mutter Geld gestohlen habe, um ihr eine Handtasche aus Krokodilleder kaufen zu können. Und als diese am Ende eines Weihnachtsbesuchs selbst das Haus seiner Eltern ausgeräumt hat, übernimmt er die Schuld. Rita erzählt die Geschichte von ihrem mexikanischen Freund, den sie beim AIDS-Test in einem Krankenhaus kennengelernt hat, dem sie hörig ist, der dauernd droht, sich umzubringen, für den sie sich selbst schon einmal die Pulsadern aufgeschnitten hat.
Am Ende der Erzählungen ist der Tod unschlüssig. Der Ich-Erzähler meint zu Richard, dass der Tod beiden ein Jahr Frist geben solle, bis ein "Schlaukopf" käme. Mit den Worten "und alles wird genau so geschehen, wie du es erzählt hast – Schlaukopf!" holt Richard aus und wirft eine Sichel nach dem Ich-Erzähler.
Hier wird nicht mehr über die Sinnhaftigkeit des Todes diskutiert wie im Ackermann von Böhmen, hier ist der Tod absurd. Es gibt keine Begründung für den Tod. Leo und Rita reden komplett an der Fragestellung vorbei, sie verteidigen sich nicht. Der Tod ist bedeutungsloser Zufall.