Haas-Brenner Gott

Wolf Haas greift 2009 mit dem siebenten Brenner-Roman wieder in die Vollen. Der allwissende Erzähler tobt sich sprachlich aus und spricht immer wieder die Lesenden an, deutet an, was geschehen wird, ohne das Eigentliche zu verraten. Das Setting spielt im Wiener Baumeistermilieu, der Baumeister selbst ist im Blutrausch und versenkt alle, die seinem Erfolg im Weg stehen könnten, in der Sickergrube seines Kitzbüheler Anwesens. Seine Muskelmänner und Mörder sind der Sicherheitschef und der Bauleiter seines Bauunternehmens. Aus dem Weg geräumt werden unter anderem der bestochene hohe Wiener Beamte, der noch dazu der wirkliche Vater seines Kindes ist, und der Chef der Anti-Abtreibungsgruppe Pro Leben, der Dauerproteste gegen die Abtreibungsklinik seiner Frau organisiert und auch gegen den Bau eines Vergnügungszentrums im Wiener Prater vehement intrigiert.

Und der Ex-Polizist Brenner? Der ist Chauffeur der Baumeister-Abtreibungsklinik-Familie und kutschiert zumeist deren zweijährige Tochter zwischen Wien und Kitzbühel, und bei einer Fahrt wird sie auf einer Tankstelle aus dem Auto entführt. Brenner ist komplett überfordert und außer Rand und Band, sodass er nicht mal die Polizei informiert. Was ihn aber nicht davon abhält, selbst zu ermitteln, und dabei kommt er den dunklen Machenschaften des Baumeisters auf die Spur. Den Täter findet er aber weder in der Baumafia noch bei den Abtreibungsfanatikern, sondern es ist eine skurrile reiche und junge in Wien lebende Südtirolerin. Sie schnappt sich das Mädchen, da es ihr im heißen Auto leid tut, und nimmt es einfach in ihre Wohnung mit. Brenner löst den Fall, da er auf die Südtirolerin steht, die er im Überwachungsvideo sieht, und von ihr in die Wohnung eingeladen wird.

Der Roman ist so überkandidelt geschrieben, dass er mehr eine Comic-Persiflage als an einen Kriminalroman oder gar Thriller erinnert. Seitenweise wird ausgemalt, wie jemand in einer Sickergrube ersäuft, nicht ohne satirische Kommentare, die einfach nicht mehr ernst genommen werden können. Ernste Themen gehen da gleich mit unter. Und passend das Ende: Der Baumeister wird durch einen gezielten Kopfschuss getötet, als er Brenner in der Wohnung der Südtirolerin sein Jagdgewehr an den Kopf setzt. Der lakonisch nihilistische Erzählerkommentar:
Rein vom Universum her gesehen macht es keinen Unterschied, ob der Kressdorf abdrückt oder nicht, das ist kein größerer Unterschied als meinetwegen, ist es ein Ficus Benjamin, wo der Schlüssel versteckt, als die Frage, ist der Schlüssel vom Mister Minit oder von der Schlüsselzentrale, das ist dem Universum alles absolut egal, und ist der Brenner mit Loch oder ohne Loch im Kopf, stirbt er jetzt oder in zwanzig Jahren, stirbt er schnell oder langsam, stirbt er verzweifelt oder im Frieden mit sich und der Welt, stirbt er qualvoll oder schmerzlos, das ist dem Universum so was von wurscht, das kannst du dir gar nicht vorstellen, ist der Brenner überhaupt geboren worden oder vielleicht doch abgetrieben im dritten oder im fünften Monat, alles dem Universum genauso egal, als wäre seine Mutter schon im sechshundertneunundachtzigsten Monat, aber immer noch kein Geld zum Entbinden.
Brenner überlebt, Kopfschuss, eh schon wissen, und wird Chauffeur der reichen Südtirolerin.

Wer blutrünstigen, nihilistischen Spaß lesen will, bei dem Tote nur Dekoration sind: Das ist das Buch der Wahl.