In der folgenden Dokumentation sehen wir eine wissenschaftliche Studie über Salvia Divinorum:

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Interview mit Daniel Siebert, dem führenden Experten für die in Deutschland seit einem Jahr verbotene Pflanzendroge "Salvia divinorum"

Seit knapp einem Jahr ist die Züchtung einer Salbeiart in Deutschland illegal. Es handelt sich um den sogenannten Göttersalbei (lat. Salvia divinorum), dessen Konsum starke halluzinogene Effekte auslösen kann. Der US-Amerikaner Daniel Siebert erforscht die Pflanze und ihre Inhaltstoffe seit über 20 Jahren. Er untersuchte die Pflanze in ihrer natürlichen Umgebung in Mexiko, entdeckte die Psychoaktivität des Inhaltstoffs Salvinorin A und veröffentlicht bis heute wissenschaftliche Aufsätze über Salvia. Im Gespräch geht es um das mögliche Aussterben der bedrohten Pflanzenart, bizarre YouTube-Videos und die besondere Qualität der Salvia-Erfahrung.

Heise.de
Salvia divinorum Wahrsagesalbei

Familie

Labiatae (Lamiaceae; Lippenblütler); Nepetoideae, Tribus Salvieae, Subtribus Salvünae, Sektion Dusenostachys

Formen und Unterarten
Keine, nur unterschiedlich bitter schmeckende Klone bzw. Rassen. Der Wasson-Klon ist sehr bitter und geht auf die 1962 gesammelten Pflanzen zurück; der Palatable Clone (»wohlschmeckender Klon«) ist kaum bitter und wurde vom US-amerikanischen Ethnobotaniker Bret Blosser in Llano de Arnica, Oaxaca, gesammelt (OTT 1996: 33).

Synonyme
Keine

Volkstümliche Namen
Aztekensalbei, Blätter der Hirtin, Diviner's Sage, Foglie della pastora, Hierba de la pastora, Hierba de la virgen, Hoja de la pastora (Spanisch »Blatt der Schäferin«), Hojas de adivinaciön, Hojas de Maria pastora, La hembra, Leaves of the Mary shepherdess, »Pipiltzitzintli«, Mazatekischer Salbei, Sage of the seers, Salvia, Salvia of the SeerS, Ska Maria pastora, Ska pastora (Mazatekisch »Blatt der Schäferin«), Wahrsagesalbei, Yerba de Maria, Yerba Maria, Zaubersalbei

Geschichtliches
Die Azteken kannten und benutzten eine Pflanze namens Pipiltzintzintl (wörtl. »der edelste kleine Prinz«) ganz ähnlich wie Pilze (Psilocybe spp.) in entheogenen Ritualen. Verschiedene Autoren nehmen an, daß es sich dabei um die Wahrsagesalbei gehandelt hat ( WASSON 1962, OTT 1995 und 1996).215 Die Pflanze und ihr divinatorischer Gebrauch wurde Anfang der sechziger Jahre von Gordon Wasson (1962) entdeckt. Botanisch beschrieben wurde sie erstmals im selben Jahr von den UCLABotanikern Carl Epling und Carlos D. Jätiva-M. In den sechziger Jahren hat Albert Hofmann bei der ersten Analyse des Preßsaftes noch keinen Wirkstoff entdecken können (HOFMANN 1979: 151-168 und 1990). Die Chemie und Pharmakologie wurde erst mit der Entdeckung von Salvinorin A in den achtziger und neunziger Jahren aufgeklärt (ORTEGA et al. 1982, VALDES 1994, VALDES et al. 1987, SIEBERT 1994).


Verbreitung
Die Wahrsagesalbei ist im Mazatekengebiet der Sierra Madre Oriental im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca endemisch. Ansonsten trifft man sie nur als Kultigen bei »Neo-Schamanen« und in botanischen Gärten an. Sie kommt natürlich in tropischen Regen- und Nebelwäldern in einer Höhe zwischen 300 und 1800 Metern vor ( REISFIELD 1993). Die Pflanze gehört wegen ihrer geringen ursprünglichen Verbreitung zu den seltensten natürlichen Entheogenen. Inzwischen wird sie von Pflanzenliebhabern in aller Welt angebaut.

Anbau
Die Vermehrung erfolgt durch Stecklinge oder Ableger bzw. Schößlinge. Dazu wird eine etwa 8 bis 12 cm lange Zweigspitze bis auf das oberste Paar von den Blättern befreit und in Wasser gestellt. Nach ca. zwei Wochen schlägt der Steckling Wurzeln. Nach rund 4 Wochen kann er eingepflanzt werden. Die Salvia divinorum braucht sehr viel Wasser und bevorzugt eine hohe bis sehr hohe Luftfeuchtigkeit. Wenn die Blätter braune Ränder bekommen, ist dies ein sicheres Zeichen, daß die Luft zu trocken ist. Als Schattenpflanze verträgt sie keine direkte Sonneneinstrahlung, hat gerne dunkle Erde und braucht sehr viel Wasser, d.h., sie muß praktisch jeden Tag gegossen werden. Obwohl die Pflanze kälteempfindlich ist, kann angebaute Salvia divinorum sogar leichten Frost überstehen. An Methoden zur Anzucht aus Samen wird zur Zeit gearbeitet (vgl. REISFIELD 1993).

Aussehen
Die immergrüne Pflanze wächst staudenförmig bis über einen Meter hoch. Am charakteristischsten ist der vollkommen viereckige bzw. sogar quadratische, bis zu 2 cm dicke Stengel. Die Ecken laufen scharf zu. An den Stengelknoten treten die gegenständigen Blätter bzw. ausladenden Verzweigungen hervor. Die hell- bis sattgrünen Blätter sind ganz leicht behaart, werden über 20 cm lang und ca. 10 cm breit. Sie sind lanzettförmig und an beiden Enden spitz zulaufend. Die rispigen Blütenstände befinden sich am Ende des Stengels und sehen genau wie die von Coleus blumei aus. Die glockigen Kelche sind bläulich oder purpurfarben, die Kronblätter stets weiß (REISFIELD 1993; vgl. BRAND 1994: 540). In Mexiko blüht die Pflanze zwischen Oktober und März, meist aber im Januar. In Kultur kommt es fast nie zur Blüte. Früchte treten praktisch nie auf. Es ist allerdings kürzlich ein Klon entdeckt worden, der häufiger Früchte mit Samen ausbildet. Als Bestäuber wurde ein Kolibri beobachtet (REISFIELD 1993). Die Samen lassen sich zwar keimen und anziehen, aber die Sämlinge gehen beim derzeitigen Stand der Gärtnerkunst immer wieder ein. Die Wahrsagesalbei kann mit der ähnlichen, nah verwandten, in Zentralmexiko verbreiteten Art Salvia cyanea LAMB. ex BENTH. verwechselt werden (EPLING und JÄTIVA-M. 1962, MAYER 1977: 777).

Droge
Frische oder getrocknete Blätter (Salvia-divinorum-Blätter, Folia Salviae divinorum, Divination leaf )

Zubereitung und Dosierung
Die Mazateken nehmen 13 Paar frische Blätter, also 26 Stück, drehen sie zu einer Art Zigarre (Priem ), die in den Mund gesteckt und ausgeluscht oder zerkaut und im Mund behalten wird. Der Saft wird nicht geschluckt, da die Wirkstoffe nur über die Mundschleimhaut aufgenommen werden! Für einen Priem benötigt man mindestens sechs frische Blätter (Schwellendosis), kann aber für einen deutlichen Effekt 8 oder 10 Blätter nehmen. Die Wirkung tritt bei der Priemmethode nach ziemlich genau 10 Minuten ein und hält ca. 45 Minuten an. Die getrockneten Blätter werden am besten pur geraucht. Dabei kann bereits bei der Menge eines halben, mittelgroßen Blattes (2 bis 3 tiefe Inhalationen) eine stark psychoaktive Wirkung eintreten. Meist werden jedoch 1 bis 2 Blätter geraucht. Die getrockneten Blätter können auch mit Salviadivinoriim-Tinktur getränkt werden; man läßt sie danach erneut trocknen. Getrocknete Salvia-divinorium-Blätter werden zunehmend als Bestandteil von Rauchmischungen geschätzt, ja sogar zur Herstellung von psychoaktivem Räucherwerk benutzt (VALDES 1994). Tinkturen werden aus den frischen oder getrockneten Blättern mit einem Ethanol-WasserGemisch (60%iger Alkohol) angesetzt. Die Tinktur kann entweder zum Tränken, also zum Verstärken der Wirkung der getrockneten Blätter benutzt oder sublingual appliziert werden. Die Dosierung ist anscheinend individuell recht unterschiedlich. Außerdem scheint man erst nach mehreren Experimenten die Wirkung wahrzunehmen. Dann kann man allerdings rückblickend erkennen, daß man auch schon vorher etwas gespürt hat. Zu Anwendung und Dosierung des Hauptwirkstoffs siehe unter Inhaltsstoffe und Salvinorin A (vgl. auch OTT 1995, SIEBERT 1994, VALDES 1994).


Rituelle Verwendung
Die Schamanen oder Schamaninnen der Mazateken von Oaxaca benutzen die Wahrsagesalbei in divinatorischen und Heilritualen, meist als Ersatz für die ansonsten bevorzugten psychoaktiven Pilze (vgl. Psilocybe mexicana, Psilocybe spp.). Es gibt nur wenige Schamanen, die den Blättern den Vorzug geben. Die rituelle Verwendung gleicht stark dem Pilzgebrauch (HOFMANN 1990). Salvia-divinorium-Rituale finden fast ausschließlich nachts in vollkommener Dunkelheit und Stille statt. Entweder ist der Heiler mit seinem Patienten allein, oder es sind zusätzlich weitere Patienten, aber auch gesunde Teilnehmer anwesend. Bevor der Schamane und gegebenenfalls weitere Personen die Blätter als Priem kauen und lutschen, werden sie unter Gebeten mit Copal beräuchert (vgl. Räucherwerk) und den höheren Mächten geweiht. Nach dem Kauen der Blätter legen sich die Teilnehmer hin und geben möglichst keinen Laut von sich. Geräusche und Lichtquellen stören stark das visionäre Erleben. Salvia-Rituale dauern kaum länger als ein bis zwei Stunden, da die Blätter wesentlich kürzer als die Pilze wirken. Wenn die Visionen stark genug waren, hat der Schamane die Krankheitsursache oder ein anderes Problem erkannt. Er berichtet davon, gibt dem Patienten entsprechende Ratschläge und löst das nächtliche Treffen auf (HOFMANN 1990, MAYER 1977, OTT 1995, VALDES et al. 1987, WASSON 1962). In der Volkstaxonomie der Mazateken ist Salvia divinorum mit zwei Arten oder Formen von Coleus verwandt. Dabei ist Salvia die »Mutter« (la hernbra), das aus Europa eingeführte Buntblatt Coletts purnila der »Vater« (el macho) und Coleus blumei sowohl el nene (»das Kind«) wie el ahijado, das »Patenkind« (WASSON 1962: 79). Aus diesem Zusammenhang erklärt sich der Ruf des Buntblattes als psychoaktive Pflanze. In der Gegend von Puebla soll eine xiwit genannte, ähnliche Art, eine botanisch bisher nicht bestimmte Salvia sp., kultiviert, zur Behandlung der Volkskrankheit susto (»Schreck«) und rituell verwendet werden. Das Ritual soll sehr ähnlich wie der mazatekische Gebrauch sein (DiAZ 1979: 91 ).

Artefakte
Der Botaniker William Emboden sieht in gewissen floralen Elementen in den Hieroglyphenhandschriften der Maya Repräsentationen der Wahrsagesalbei (vgl. Nymphaea ampla). Diese Interpretation ist kaum vorstellbar, da die Pflanze in Yucatän völlig unbekannt ist. Die US-amerikanische Künstlerin Brigid C. Meier hat mehrere Gemälde gemalt, die durch eigene Salvia-divinortitn-Visionen inspiriert wurden. Ein turbulenter Roman, in dem es um Salvia divinorutn und eine daraus hergestellte »Superdroge« geht, heißt Nette Typen sterben schneller (DEBIN 1995).

Medizinische Anwendung
Die Indianer benutzen nicht-psychoaktive Zubereitungen zur Behandlung von Störungen beim Stuhlgang und Urinieren, bei Kopfschmerzen, Rheumatismus, Blutarmut und zur Wiederbelebung von Kranken, Alten und Sterbenden (BRAND 1994: 541, VALDES 1994: 277).

Inhaltsstoffe
Die Blätter enthalten die Neoclerodan-Diterpene Salvinorin A und Salvinorin B (= Divinorin A und Divinorin B) sowie zwei weitere, noch nicht genauer bestimmte, ähnliche Substanzen (BRAND 1994: 540, SIEBERT 1994, VALDES 1994). Der Hauptwirkstoff ist das Salvinorin A, das schon bei 150 bis 500 JIg eine extreme Wirkung hervorruft (SIEBERT 1994, ZUBKE 1997). Auch wurde Loliolidzs11, das aus Lohurn perenne L. (vgl. Lolium temulentum) bekannt ist, nachgewiesen (VALDES 1986). Ätherische Öle oder das in anderen Salvia-Arten vorkommende Thujon konnten nicht entdeckt werden (OTT 1996: 35).

Wirkung
Die meisten Menschen, die Salvia divinorum als Priem, Tinktur oder geraucht eingenommen haben, berichten von sehr bizarren, ungewöhnlichen psychoaktiven Effekten, die sich kaum mit den bekannten Wirkungen von euphorisierenden oder psychedelischen Substanzen vergleichen lassen. Oft wird eine Krümmung des Raumes wahrgenommen; auch werden walzende und rollende Körpergefühle oder außerkörperliche Erfahrungen oft als typisch dargestellt.

Die Phänomenologie der Salvia-diviriorutnWirkung hat Daniel Siebert (1994) wie folgt zusammengefaßt: »Bestimmte Themen sind vielen beschriebenen Visionen und Empfindungen gemeinsam. Das Folgende ist eine Liste der häufiger vorkommenden Inhalte:

1. Sich in ein Objekt zu verwandeln (gelbkarierte Pommes frites, frische Farbe, eine Schublade, ein Hosenbein, ein Ferris-Reifen etc.)
2. Visionen verschiedener, zweidimensionaler Oberflächen, Filme und Membranen.
3. Orte aus der Vergangenheit wieder aufzusuchen, speziell aus der Kindheit.
4. Verlust des Körpergefühls oder der Identität.
5. Verschiedene Gefühle der Bewegung, oder von Mächten irgendwelcher Art gezogen oder verdreht zu werden.
6. Unkontrollierbares, hysterisches Lachen.
7. Sich überlappende Realitäten. Die Wahrnehmung, daß man zur gleichen Zeit an mehreren Orten ist.« (SIEBERT 1994: 55)

Dieses Wirkungsprofil erinnert sehr stark an die Effekte, die von Ketamin (Ketanest") bei subanästhetischen Dosierungen (50 bis 100 mg) erlebt werden (BOLLE 1988, JANSEN 1996).28-,
aus: Christian Rätsch - Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen