Da ich ein großer Fan von Ryūnosuke Akutagawa bin und hobbymäßig Texte übersetze (Was für ein Hobby ^^) stelle ich mal einfach was interessantes von diesem Autor hier in diesen Blog. (Da es sich um eine "Zweitübersetzung" - nicht aus der Originalsprache - handelt, welche auch noch hobbymäßig - jedoch mit möglichst viel Sorgfalt - erstellt wurde, sind einige Fehler natürlich vorprogrammiert. ;) Der Inhalt dürfte allerdings so weit stimmen, dass das Genie des großen Meisters doch ein wenig durchschimmert. :)



Das Glück (Ryūnosuke Akutagawa) JAP-RUS Übersetzung (N.Feldman)

Vor dem Eingang hing eine lichtdurchlässige Rohrgardine, welche einen Blick auf das zuließ, was sich auf der Straße außerhalb der Werkstatt abspielte. Die Straße, die zum Kiyomizu-Tempel führte blieb keine Minute lang leer. Gemächlich schritt ein Bonze mit einem Gong vorbei. Hinter ihm ging eine Frau, gekleidet in ein prächtiges Festkleid. Danach – ein seltenes Schauspiel – fuhr ein Karren mit einem Flechtschilfoberteil, gezogen von einem roten Stier. Das alles erschien in den breiten Spalten der Rohrgardine mal rechts, mal links.. kaum erschienen, verschwand es gleich wieder. Nur eine Sache änderte sich nicht, es war die Farbe der Erde in der engen Straße, welche die Sonne an diesem Spätnachmittag mit der Frühlingswärme aufgeheizt hatte.

Der junge Töpfer-Lehrling, der gleichgültig aus der Werkstatt auf die Passanten schaute, sagte plötzlich zu seinem Meister, als hätte er sich an etwas erinnert:

- Die Anbetung von Kannon-Sama findet ja immer noch einen großen Zulauf.

- Ja! - antwortete der Töpfer etwas verärgert, vielleicht deswegen, weil er gerade in seine Arbeit vertieft war. Eigentlich steckte kein Tröpfchen Bosheit in dem Gesicht und oder der Gestalt dieses lustigen, stumpfnäsigen alten Mannes mit winzigen Augen. Gekleidet war er in ein altes Baumwollkimono und auf seinem Kopf prangte eine hohe, zerknitterte momieboshi Mütze. Das alles verlieh ihm eine große Ähnlichkeit mit einer Figur aus den Bildern des in dieser Zeit so berühmten Toba Sojo.

- Vielleicht sollte ich auch zum Tempel gehen und sie anbeten? Sonst komm ich ja nie unter die gemachten Leute, einfach nur elend..

- Du scherzst...

- Wieso denn? Wenn es mir zu meinem Glück verhelfen würde, dann könnte ich auch gläubig werden. Zur Messe zu gehen, in einem Tempel zu beten, das ist doch eine einfache Sache. Man müsste nur wissen wofür man das Ganze macht! Das ist doch der selbe Handel, nur diesemal nicht mit den Kunden, sondern mit Göttern und Buddhas.

Nachdem er das mit einem für seinen Alter typischen Leichtsinn aussprach, leckte er sich die Unterlippe ab und ließ seinen Blick über die Werkstatt gleiten. In dem mit Stroh bedeckten, baufälligen Haus am Rande eines Bambuswäldchen war es so eng, dass man das Gefühl bekam, sich mit der Nase an der Wand anzustoßen, sollte man es wagen sich hier umdrehen zu wollen. Doch dafür stand hier eine angenehme Stille, während auf der anderen Seite des Vorhangs die Straße im Lärm erstickte. Es war so, als ob sich hier schon seit hunderten von Jahren, unter dem leichten Frühlingswind, welcher die rötlichen Körper der Töpfe und Krüge umwehte, nichts verändert hätte. Und es schien, selbst die Schwalben würden ihre Nester von Jahr zu Jahr unter dem Schutze dieses Hauses bauen...

Der alte Mann schwieg, und der Lehrling ergriff wieder das Wort:

- Großvater, in deinem Leben hast du doch viel gehört und gesehen. Wie ist es denn, bringt Kannon-Sama den Menschen wirklich Glück?

- Es ist wohl wahr. In den alten Tagen passierte es öfters, wie ich hörte..

- Passierte was...?

- Ach, es ist nicht kurz erzählt.. Und wenn man zu erzählen anfängt, dann interessiert es Leute wie euch gar nicht mehr.

- Schade, ich bin nämlich gar nicht abgeneigt gläubig zu werden. Von mir aus gleich morgen, wenn es mir denn nur zum Glück verhelfen würde...

- Willst du zum Glauben finden? Oder willst du etwa feilschen?

Der Alte lachte; und in den Ecken seiner Augen sammelten sich die Fältchen. Man fühlte, dass er zufrieden war, - der Ton, den er knetete nahm langsam die Form eines Topfes an.

- Gottes Wege.. das könnt ihr in eueren jungen Jahren nicht verstehen.

- Es sieht wohl so aus; doch genau deswegen habe ich dich doch auch gefragt, Großvater.

- Nein, nein.. ich spreche nicht darüber ob die Götter Glück bringen oder nicht. Ihr versteht nicht, was sie genau schicken; Glück oder Unglück.

- Doch, wenn es denn einem schon zugestoßen ist, was gibt es dann noch zu verstehen ob es nun Glück oder Unglück ist?

- Genau das werdet ihr auch nicht verstehen!

- Hm.. Für mich sind Glück und Unglück bei weitem nicht so unverständlich wie dein Gerede.


Die Sonne verschwand langsam hinter dem Horizont. Die Schatten, die auf die Straße fielen wurden etwas länger. Hinter sich die langen Schatten schleppend, gingen zwei Händlerinen mit Kübeln auf ihren Köpfen an der Rohrgardine vorbei. Eine von ihnen hatte einen blühenden Kirschzweig in der Hand; wahrscheinlich ein Geschenk für die Familie.

- Man sagt, so war es auch mit der Frau, die heute auf dem westlichen Markt einen Garnstand betreibt.

- Ich kann die Geschichte kaum abwarten, Großvater!

Eine Zeitlang schwiegen die beiden. Der Lehrling zupfte sein Bärtchen und blickte zerstreut auf die Straße. Dort schimmerte etwas weißes im Staub, als wären es glänzende Muscheln: vermutlich waren es Blumenblätter, die vom Kirschzweig heruntergefallen sind.

- Erzählst du es mir Großvater? - Fragte der Lehrling, nach einer Weile, mit einer müden Stimme.

- Nun gut, dann soll es so sein. Ich werde es dir erzählen. Allerdings wird es eine Geschichte darüber sein, was vor einer sehr langen Zeit passierte.

Mit einer solchen Einleitung begann der Alte-Töpfer seine Erzählung. Er sprach langsam und gemächlich, so, wie es nur jemand erzählen kann, der nicht darüber nachdenken muss ob der Tag lang oder kurz ist.

- Es war vor dreißig-vierzig Jahren. Diese Frau, damals noch ein Mädchen, wandte sich mit ihrem Gebet genau an diese Kannon-Sama im Kiyomizu Tempel. Sie bat darum, dass die Göttin ihr ein ruhiges Leben schicken möge. Nun, man konnte sie verstehen. Vor kurzem starb ihre Mutter, ihre einzige Stütze. Es wurde für sie immer schwerer über die Runden zu kommen. Also betete sie nicht umsonst. Ihre verstorbene Mutter war Priesterin des Ginkaku-ji-Tempels und genoss eine Zeitlang einen sehr großen Ruhm. Doch, als ein Gerücht darüber aufkam, dass sie mit einem Fuchs verkehrte, kam so gut wie niemand mehr zu ihr. Sie war eine jugendliche, frische, stattliche Frau und bei einer solchen Statur, da würde ja nicht nur ein Fuchs.. sondern auch ein Mann..

- Ich würde lieber weiter über die Tochter und nicht über ihre Mutter hören..

- Mach nichts, das war nur für den Anfang. Als die Mutter also gestorben war, konnte die junge Frau alleine mit ihren schwachen Händen nicht für ihren Lebensunterhalt sorgen. Es kam sogar dazu, dass sie, ein hübsches und kluges Mädchen, sogar in einem Tempel Angst wegen ihrer Lumpen bekam.

- Tatsächlich? War sie denn so schön?

- Ja. Vom Gemüt wie auch vom Gesicht, sie war in allem gut. Aus meiner Sicht hätte man sich mit ihr an jedem beliebigen Ort zeigen können.

- Wie schade, dass es schon so lange her ist! - Sagte der Lehrling und zog am Ärmel seiner abgefärbten blauen Jacke. Der Alte fauchte und setzte seine Erzählung mit der gewohnten Ruhe fort. Hinter dem Haus sangen die unermüdlichen Nachtigalle in ihrem Bambuswäldchen.

- Einundzwanzig Tage betete sie schon in dem Tempel und nun, am Abend vor dem Ende der Gebetsfrist, sah sie plötzlich einen Traum. Man muss dazu noch anmerken, dass es unter den Betenden einen buckligen Bonze gab, welcher den ganzen Tag monoton irgendwelche Gebete nuschelte. Wahrscheinlich wirkte genau das auf sie aus, denn, selbst als sie bereits in den Schlaf abzusinken begann, tönte diese Stimme immer noch in ihrem Kopf – so, als würde eine Grille unter dem Fußboden zirpen..
Nun ging dieses Geräusch plötzlich in menschliche Sprache über, und sie hörte: "Wenn du von hier weggehst, wird mit dir ein Mann sprechen. Höre darauf, was er dir sagt!" Ächzend wachte sie auf, - der Bonze sprach noch immer eifrig seine Gebete. Allerdings konnte sie, so sehr sie auch darum bemüht war, nichts von dem was er sagte verstehen. In dieser Minute hob sie unbewusst ihren Blick und sah im trüben Lichte ewig brennender Lampen das Atnlitz von von Kannon-Sama. Das war ein seit langem geachtetes, erhabenes, gefühlstiefes Antlitz. Und, was das erstaunliche daran war: Als sie ihren Blick auf das Anlitz warf, schien ihr, als würde ihr wieder jemand ins Ohr flüstern:"Höre darauf, was er dir sagt!" Und, genau da wurde sie sofort sicher, dass es ihr von Kannon-Sama selbst verkündet wurde.

- So so!

Als es nun endgültig dunkel wurde, ging sie aus dem Tempel. Kaum begann sie über den sanften Hang zum Gojō hinabzusteigen, als sie auch tatsächlich jemand von hinten packte und fest umklammerte. Es war ein warmer Frühlingsabend, doch leider war es bereits zu dunkel um weder das Gesicht, noch die Kleidung dieses Mannes zu erkennen. Nur in dem Augenblick, als sie sich zu befreien versuchte, berührte sie ihn mit der Hand an seinem Schnurrbart. Ja, es kam wahrlich zu einer unpassenden Zeit – genau in der Nacht als die Gebetfristen endeten!

Sie fragte nach seinem Namen – doch er verriet ihn nicht. Sie fragte, woher er kam – er schwieg. Das einzige, was er immer wiederholteb, war: "Hör darauf was ich dir sage!" Und schleppte sie fest umpackt die Straße hinunter, immer weiter und weiter. Man konnte weinen und schreien wie man will, - es war eine nächtliche Zeit, keine Passanten in Sicht, also konnte man auf keine Rettung hoffen.

- Und, was passierte dann?

- Dann schleppte er sie in die Pagode des Yasaka-Schreins wo sie auch die Nacht verbracht hatte. Über das was dort drin geschehen war, werde ich, ein alter Mann, wohl nichts zu sagen brauchen. Der Alte lachte, und in den Ecken seiner Augen sammelten sich die Fältchen. Die Schatten wurden noch länger. Eine leichte Brise drängte die verschütteten Blätter der Kirschblüte zur Hausschwelle. Nun konnte man sie, als währen es weiße Farbtüpfelchen, unter den Steinen erkennen.

- Was sollte man denn auch! - sagte der Lehrling, als hätte er sich an etwas erinnert und begann wieder an seinem Bärtchen zu zupfen. - Nun, war das alles?

- Wenn das alles wäre, dann wäre es ja gar nicht der Rede wert gewesen. - Der Alte knetete immer noch den Topf in seinen Händen.

- Als es wieder hell wurde, sagte dieser Mann – wahscheinlich seinem Schicksal folgend – zu ihr: "Werde meine Frau!"

- Ach was?!

- Hätte sie keinen prophetischen Traum gehabt, wäre es eine andere Sache gewesen - doch in diesem Fall dachte das Mädchen, dass es auf Wunsch von Kannon-Sama geschah, weswegen sie nur bestätigend nickte... Um die Ordnung zu wahren, tauschten sie die Sake-Schälchen aus und dann trug er mit den Worten: "Hier, nimm das erstmal!" ein Geschenk für sie aus den Tiefen der Pagode heraus: zehn Stücke vom gemusterten Stoff und zehn Stücke Seide. Na, so ein Kunststück dürfte dir wohl nicht gelingen, egal wie du dich anstrengst!

Der Lehrling schmunzelte nur, ohne zu antworten. Die Nachtigalle sangen nicht mehr.

- Schon bald sagte dieser Mensch zu ihr: „Ich werde Abends wiederkommen!“ und eilte davon. Sie blieb alleine, und ihr Kummer wuchs immer weiter. Egal wie aufgeweckt sie auch war, nachdem was passiert ist konnte sie nicht mehr klar denken. Um sich etwas abzulenken schaute sie nun zufällig ins Innere der Pagode – und was sie dort erblickte! Brokatstoff und Seide war nichts dagegen! Dort standen unzählige Kisten mit verschiedenen Schätzen – Edelsteinen, Goldsand.. Selbst dem tapfersten Mädchen würde bei einem solchen Anblick das Herz in die Hose rutschen. „Es kann vieles möglich sein, doch wenn er solche Schätze besitzt, dann gibt es keine Zweifel. Er ist entweder ein Dieb oder ein Räuber!“

Bis zu diesem Moment war sie einfach nur traurig, doch nach diesem Gedanken ergriff sie auch noch die Angst. Sie fühlte, dass sie es hier keine Minute länger aushalten konnte. In der Tat, wenn sie denn in die Hände eines Verbrechers geraten war, wer weiß dann schon, was sie noch erwartete? Sie entschloss sich bereits zum Ausgang zu laufen, doch plötzlich wurde sie von einer heiseren Stimme, welche von einem Haufen alter Körbe kam, zurückgerufen. Selbstverständlich erschrak sie sich, - denn immerhin dachte sie, dass die Pagode leer stand. Sie schaute darauf: ein Wesen, halb Mensch, halb Seegurke sitzt zusammengerollt zwischen den rundum gehäuften Säcken mit Goldsand. Es stellte sich heraus, dass es eine in etwa sechzigjährige Nonne war, klein, bucklig, voller Falten und mit entzündeten Augen. Ob die Alte erraten hatte, was die junge Frau beabsichtigte oder nicht, weiß man nicht; Sie kroch nur hinter den Säcken hervor und begrüßte das Mädchen mit einer einschmeichelnden Stimme, welche man, ihrer Erscheinung nach zu urteilen, von ihr niemals erwartet hätte.

Man hatte also nichts zu befürchten. Das Mädchen dachte jedoch, dass es für sie trotzdem nicht gut wäre, ihre Fluchtabsichten zu verraten. Deswegen hat sie sich, wohl oder übel, an einen Kasten gelehnt und begann etwas lustlos über das einfache Leben zu plaudern. Die Alte verriet ihr, dass sie bei diesem Menschen als Dienerin lebt. Doch kaum als das Mädchen nach seinem Beruf fragte, verstummte die Alte aus irgend einem Grund. Dieses Verhalten beunruhigte die junge Frau. Außerdem war die Nonne etwas schwerhörig und fragte mindestens hundert mal nach um etwas verstehen zu können. Das alles brachte das Mädchen den Tränen nahe. Das Gespräch dauerte bis zum Nachmittag. Nun, während sich die beiden über die blühenden Kirschen in Kiyomizu und die fertige Brücke von Gojō unterhielten, nickte die Nonne ein – vermutlich weil sie einfach alt war. Vielleicht kam es aber auch daher, dass die junge Frau ziemlich träge mit ihren Antworten war. Das Mädchen ergriff nun ihre Chance und schlich sich leise zum Ausgang. Dort blieb sie kurz stehen, horchte nach der schläfrigen Atmung der Alten, öffnete die Tür und schaute nach draußen. Die Straße war zum Glück menschenleer.

Wenn sie hier und jetzt fortgelaufen wäre, dann wäre nichts weiter passiert. Doch nun erinnerte sie sich plötzlich an den gemusterten Stoff und die Seide, welche sie am Morgen als Geschenk bekam, und schlich zurück zu den Kisten. Und hier berührte sie, über einen Sack mit Goldsand stolpernd, versehentlich das Knie der Alten. Ihr Herz blieb stehen. Die Nonne öffnete erschrocken die Augen und konnte anfangs gar nicht begreifen, was um sie geschah - doch dann packte sie wie eine Wahnsinnige die Beine des Mädchens und klammerte sich an ihnen fest. Beinahe weinend begann sie etwas schnell zu murmeln. Aus jenen Fetzen, welche die junge Frau hörte, konnte man nur verstehen, dass wenn sie fliehen würde, dann würde es der Alten schlecht ergehen. Doch, da es auch gefährlich war hier zu bleiben, war die junge Frau ganz und gar nicht dazu geneigt solchen Reden Gehör zu schenken. Letztendlich endete es in einer Rauferei. Sie schlugen und traten sich gegenseitig, bewarfen einander mit Goldsäcken.

Von ihnen wurde ein solcher Lärm verursacht, dass sogar die Mäuse beinahe von den Balken fielen. Zudem kämpfte die Alte wie eine Verrückte. Deswegen war es, ungeachtet der greishaften Schwäche, gar nicht so einfach sie zu überwältigen. Letzendlich siegte wohl doch das Altersunterschied. Bald darauf, als das außer Puste geratene Mädchen zusammen mit ihren Stoffen hinter der Tür verschwand, blieb die Nonne steif liegen. Sie erfuhr es erst später – die Leiche lag mit einer blutverschmierten Nase, von Kopf bis Fuß mit Goldsand übersäht, in einer halbdunklen Ecke. Ihr Gesicht war nach oben gerichtet, als würde sie nur schlafen.

Die junge Frau ging hingegen fort vom Yasaka-Schrein und als sie endlich die besiedelten Gebiete erreichte, besuchte sie einen Bekannten in Gojō-Kegoku. Ihr Bekannter war auch sehr bedürftig, doch, vielleicht weil sie ihm ein Stück Seide abgegeben hatte, begann er sich um seinen Gast zu sorgen: bereitete ein Bad vor, kochte etwas zu essen. Nun atmete sie zum ersten Mal auf.

- Jetzt habe ich mich auch endlich beruhigt!

Der Lehrling schaute durch den Vorhang auf die abendliche Sonne während er einen Fächer hinter seinem Gürtel hervorgriff und ihn mit einer geschickten Handbewegung öffnete. Gerade eben huschten einige Beerdigungs-Fackelträger laut lachend zwischen ihm und der untergehenden Sonnenscheibe vorbei. Das Lachen verstummte, doch ihre Schatten zogen sich immer noch über die Pflastersteine...

- Bedeutet es, dass hier die Geschichte zu Ende ist?

- Nicht ganz, - der alte Mann schüttelte mit dem Kopf, - solange sie bei ihrem Bekannten saß, wurde es auf der Straße plötzlich laut. Es ertönten böse Schreie: "Schaut nur! Da ist er, Da ist er!" Und da sich das Mädchen in eine finstere Sache verwickelt fühlte, merkte sie, wie ihr Herz fast stehenblieb. Was ist, wenn dieser Dieb gekommen war, um es mit ihr abzurechnen? Oder wird sie etwa von den Wachen gejagt? Von diesen Gedanken blieb ihr das Essen im Halse stecken.

- Ach was?

- Also schaute sie vorsichtig aus dem Spalt der kaum geöffneten Tür auf die Straße: Umrundet von Schaulustigen gingen dort feierlich fünf oder sechs Wachen, begleitet vom Wachhabenden. Sie führten einen gefesselten Mann in einer zerrissenen Jacke, ohne Hut. So wie es aussah, haben sie einen Dieb gefasst und schleppten ihn nun, um die Sache an Ort und Stelle aufzuklären.

Dieser Dieb – war das nicht etwa derjenige, der sie gestern Abend am Gojō- Abhang angesprochen hatte? Als sie ihn sah, brach sie in Tränen aus. So erzählte sie es mir selbst. Doch das bedeutete nicht, dass sie sich etwa in ihn verliebte, ganz im Gegenteil! Nur, als sie ihn so gefesselt sah, wurde ihr sofort schwer ums Herz und sie begann unweigerlich zu weinen. So war das damals. Und tatsächlich.. Als sie mir die Geschichte erzählte, wurde ich selbst ganz betrübt...

- Nun ja...

- Merk es dir also, bevor du zu Kannon-Sama beten gehst, solltest du gründlich nachdenken!

- Jedenfalls, entkam sie danach doch ihrer Armut, nicht wahr Großvater?

- "Entkam" ist nicht der richtige Ausdruck dafür. Dank der verkauften Stoffe lebt sie bis heute im völligen Wohlstand. Also hat Kannon-Sama ihr Wort doch gehalten!

- So, war denn das Ganze, was dieser Frau widerfahren ist, dann so schlecht?

Die Abendröte wurde schon gelb und ist so eben erloschen. Im Bambuswäldchen hörte man hier und da das leise Rauschen des Windes. Die Straße war leer.

- Einen Menschen zu töten, die Frau eines Diebes zu werden... dafür muss man sich entschließen...

Den Fecher wieder hinter seinen Gürtel steckend, stand der Lehrling auf. Der Alte wusch sich bereits seine mit Ton verschmierten Hände. Beide fühlten sich so, als würde sowohl der untergehenden Frühlingssonne, als auch ihrer Laune etwas fehlen.

- Wie auch immer, die Frau ist ein Glückspilz.

- Na sicher!

- Ganz ohne Zweifel! Der Großvater denkt ja auch so.

- Meinst du etwa mich? Nein danke, verschone mich mit so einem Glück.

- So dekst du also? Nun, ich hätte es mit Fr