Aufkärung
01.10.2010 um 20:51Aufklärung In Italien siedelten anfangs als Ureinwohner die Ausonen. Der älteste soll ein gewisser Mares gewesen sein, dessen Oberkörper einem Menschen und dessen Unterteil einem Pferde glich, Wie man sagt, bedeutet sein Name in Griechenland "halb Roß, halb Mensch". Ich glaube, jedoch, daß er der erste war, der ein Pferd bestieg und ihm den Zügel anlegte, und daß er daher für zweigestaltig gehalten wurde. Es geht auch die Sage, er habe 123 Jahre gelebt, sei dreimal gestorben und dreimal wieder zum Leben erwacht. Mir aber erscheint dies unglaubwürdig. - (ael)
Aufklärung (2) Ein Gelehrter lehrt Wörter. Er lehrt die Wörter blinder Urwille und dunkler Drang, und er lehrt die Wörter freier Blick und reine Vernunft. Mit seinen gelehrten Wörtern lehrt der Gelehrte Weltbilder. Er lehrt das Weltbild aus den Wörtern blinder Urwille und dunkler Drang, und er lehrt das Weltbild aus den Wörtern freier Blick und reine Vernunft. Mit seinen gelehrten Wörtern lehrt der Gelehrte das Weltbild des blinden Urwillens von Schopenhauer und des dunklen Drangs von Klages, sowie das Weltbild des freien Blicks von Feuerbach und der reinen Vernunft von Immanuel Kant. Da nun aber blinder Urwille und dunkler Drang blind und dunkel und also finster, und da freier Blick und reine Vernunft frei und rein und also klar sind, lehrt ein Gelehrter, wenn er blinden Urwillen und dunklen Drang lehrt, Finsternis, und lehrt ein Gelehrter, wenn er freien Blick und reine Vernunft lehrt, Klarheit. Lehrt nun ein Gelehrter, der die Wörter blinder Urwille und dunkler Drang lehrt, blinden Urwillen und dunklen Drang dort, wo vorher freier Blick und reine Vernunft waren, dann verfinstert er die Klarheit, lehrt aber ein Gelehrter, der die Wörter freier Blick und reine Vernunft lehrt, freien Blick und reine Vernunft dort, wo vorher blinder Urwille und dunkler Drang waren, dann klärt er die Finsternis auf. Ein Gelehrter, der also die Wörter blinder Urwille und dunkler Drang gebraucht und mit ihnen das Weltbild des blinden Urwillens von Schopenhauer und des dunklen Drangs von Klages lehrt, betreibt Verfinsterung, während ein Gelehrter, der die Wörter freier Blick und reine Vernunft gebraucht und mit ihnen das Weltbild des freien Blicks von Feuerbach und der reinen Vernunft von Immanuel Kant lehrt, Aufklärung betreibt. Verfinsterung ist folglich die Lehre eines Gelehrten, der dort, wo die Wörter freier Blick und reine Vernunft das Weltbild des freien Blicks von Feuerbach und der reinen Vernunft von Immanuel Kant gelehrt hatten, mit den Wörtern blinder Urwille und dunkler Drang das Weltbild des blinden Urwillens von Schopenhauer und des dunklen Drangs von Klages lehrt. Und Aufklärung ist folglich die Lehre eines Gelehrten, der dort, wo die Wörter blinder Urwille und dunkler Drang das Weltbild des blinden Urwillens von Schopenhauer und des dunklen Drangs von Klages gelehrt hatten, mit den Wörtern freier Blick und reine Vernunft das Weltbild des freien Blicks von Feuerbach und der reinen Vernunft von Immanuel Kant lehrt. - Aus: Ludwig Harig, Sprechstunden für die deutsch-französische Verständigung und die Mitglieder des gemeinsamen Marktes, ein Familienroman. - München 1974 (dtv sr 125 , zuerst Hanser 1971)
Aufklärung (3) EIN VORBERICHT DER SEHR WENIG VOR DIE AUSFÜHRUNG VERSPRICHT
Das Schattenreich ist das Paradies der Phantasten. Hier finden sie ein unbegrenztes Land, wo sie sich nach Belieben anbauen können. Hypochondrische Dünste, Ammenmärchen und Klosterwunder lassen es ihnen an Bauzeug nicht ermangeln. Die Philosophen zeichnen den Grundriß und ändern ihn wiederum, oder verwerfen ihn, wie ihre Gewohnheit ist. Nur das heilige Rom hat daselbst einträgliche Provinzen; die zwei Kronen des unsichtbaren Reichs stützen die dritte, als das hinfällige Diadem seiner irdischen Hoheit, und die Schlüssel, welche die beide Pforten der andern Welt auftun, öffnen zugleich sympathetisch die Kasten der gegenwärtigen. Dergleichen Rechtsame des Geisterreichs, in so fern es durch die Gründe der Staatsklugheit bewiesen ist, erheben sich weit über alle ohnmächtige Einwürfe der Schulweisen, und ihr Gebrauch oder Mißbrauch ist schon zu ehrwürdig, als daß er sich einer so verworfenen Prüfung auszusetzen nötig hätte. Allein die gemeine Erzählungen, die so viel Glauben finden und wenigstens so schlecht bestritten sind, weswegen laufen die so ungenützt oder ungeahndet umher, und schleichen sich selbst in die Lehrverfassungen ein, ob sie gleich den Beweis vom Vorteil hergenommen (argumentum ab utili) nicht vor sich haben, welcher der überzeugendste unter allen ist? Welcher Philosoph hat nicht einmal, zwischen den Beteurungen eines vernünftigen und festüberredeten Augenzeugen und der inneren Gegenwehr eines unüberwindlichen Zweifels, die einfältigste Figur gemacht, die man sich vorstellen kann? Soll er die Richtigkeit aller solcher Geistererscheinungen gänzlich ableugnen? Was kann er vor Gründe anführen, sie zu widerlegen?
Soll er auch nur eine einzige dieser Erzählungen als wahrscheinlich einräumen? wie wichtig wäre ein solches Geständnis, und in welche erstaunliche Folgen sieht man hinaus, wenn auch nur eine solche Begebenheit als bewiesen vorausgesetzet werden könnte? Es ist wohl noch ein dritter Fall übrig, nämlich sich mit dergleichen vorwitzigen oder müßigen Fragen gar nicht zu bemengen und sich an das Nützliche zu halten. Weil dieser Anschlag aber vernünftig ist, so ist er jederzeit von gründlichen Gelehrten durch die Mehrheit der Stimmen verworfen worden.
Da es eben so wohl ein dummes Vorurteil ist, von vielem, das mit einigem Schein der Wahrheit erzählt wird, ohne Grund nichts zu glauben, als von dem, was das gemeine Gerüchte sagt, ohne Prüfung alles zu glauben, so ließ sich der Verfasser dieser Schrift, um dem ersten Vorurteile auszuweichen, zum Teil von dem letzteren fortschleppen. Er bekennet mit einer gewissen Demütigung, daß er so treuherzig war, der Wahrheit einiger Erzählungen von der erwähnten Art nachzuspüren. Er fand — — — wie gemeiniglich, wo man nichts zu suchen hat — — — er fand nichts. Nun ist dieses wohl an sich selbst schon eine hinlängliche Ursache, ein Buch zu schreiben; allein es kam noch dasjenige hinzu, was bescheidenen Verfassern schon mehrmalen Bücher abgedrungen hat, das ungestüme Anhalten bekannter und unbekannter Freunde. Überdem war ein großes Werk gekauft, und, welches noch schlimmer ist, gelesen worden, und diese Mühe sollte nicht verloren sein. Daraus entstand nun die gegenwärtige Abhandlung, welche, wie man sich schmeichelt, den Leser nach der Beschaffenheit der Sache völlig befriedigen soll, indem er das Vornehmste nicht verstehen, das andere nicht glauben, das übrige aber belachen wird. - Immanuel Kant, Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik. 1766
Aufklärung (2) Ein Gelehrter lehrt Wörter. Er lehrt die Wörter blinder Urwille und dunkler Drang, und er lehrt die Wörter freier Blick und reine Vernunft. Mit seinen gelehrten Wörtern lehrt der Gelehrte Weltbilder. Er lehrt das Weltbild aus den Wörtern blinder Urwille und dunkler Drang, und er lehrt das Weltbild aus den Wörtern freier Blick und reine Vernunft. Mit seinen gelehrten Wörtern lehrt der Gelehrte das Weltbild des blinden Urwillens von Schopenhauer und des dunklen Drangs von Klages, sowie das Weltbild des freien Blicks von Feuerbach und der reinen Vernunft von Immanuel Kant. Da nun aber blinder Urwille und dunkler Drang blind und dunkel und also finster, und da freier Blick und reine Vernunft frei und rein und also klar sind, lehrt ein Gelehrter, wenn er blinden Urwillen und dunklen Drang lehrt, Finsternis, und lehrt ein Gelehrter, wenn er freien Blick und reine Vernunft lehrt, Klarheit. Lehrt nun ein Gelehrter, der die Wörter blinder Urwille und dunkler Drang lehrt, blinden Urwillen und dunklen Drang dort, wo vorher freier Blick und reine Vernunft waren, dann verfinstert er die Klarheit, lehrt aber ein Gelehrter, der die Wörter freier Blick und reine Vernunft lehrt, freien Blick und reine Vernunft dort, wo vorher blinder Urwille und dunkler Drang waren, dann klärt er die Finsternis auf. Ein Gelehrter, der also die Wörter blinder Urwille und dunkler Drang gebraucht und mit ihnen das Weltbild des blinden Urwillens von Schopenhauer und des dunklen Drangs von Klages lehrt, betreibt Verfinsterung, während ein Gelehrter, der die Wörter freier Blick und reine Vernunft gebraucht und mit ihnen das Weltbild des freien Blicks von Feuerbach und der reinen Vernunft von Immanuel Kant lehrt, Aufklärung betreibt. Verfinsterung ist folglich die Lehre eines Gelehrten, der dort, wo die Wörter freier Blick und reine Vernunft das Weltbild des freien Blicks von Feuerbach und der reinen Vernunft von Immanuel Kant gelehrt hatten, mit den Wörtern blinder Urwille und dunkler Drang das Weltbild des blinden Urwillens von Schopenhauer und des dunklen Drangs von Klages lehrt. Und Aufklärung ist folglich die Lehre eines Gelehrten, der dort, wo die Wörter blinder Urwille und dunkler Drang das Weltbild des blinden Urwillens von Schopenhauer und des dunklen Drangs von Klages gelehrt hatten, mit den Wörtern freier Blick und reine Vernunft das Weltbild des freien Blicks von Feuerbach und der reinen Vernunft von Immanuel Kant lehrt. - Aus: Ludwig Harig, Sprechstunden für die deutsch-französische Verständigung und die Mitglieder des gemeinsamen Marktes, ein Familienroman. - München 1974 (dtv sr 125 , zuerst Hanser 1971)
Aufklärung (3) EIN VORBERICHT DER SEHR WENIG VOR DIE AUSFÜHRUNG VERSPRICHT
Das Schattenreich ist das Paradies der Phantasten. Hier finden sie ein unbegrenztes Land, wo sie sich nach Belieben anbauen können. Hypochondrische Dünste, Ammenmärchen und Klosterwunder lassen es ihnen an Bauzeug nicht ermangeln. Die Philosophen zeichnen den Grundriß und ändern ihn wiederum, oder verwerfen ihn, wie ihre Gewohnheit ist. Nur das heilige Rom hat daselbst einträgliche Provinzen; die zwei Kronen des unsichtbaren Reichs stützen die dritte, als das hinfällige Diadem seiner irdischen Hoheit, und die Schlüssel, welche die beide Pforten der andern Welt auftun, öffnen zugleich sympathetisch die Kasten der gegenwärtigen. Dergleichen Rechtsame des Geisterreichs, in so fern es durch die Gründe der Staatsklugheit bewiesen ist, erheben sich weit über alle ohnmächtige Einwürfe der Schulweisen, und ihr Gebrauch oder Mißbrauch ist schon zu ehrwürdig, als daß er sich einer so verworfenen Prüfung auszusetzen nötig hätte. Allein die gemeine Erzählungen, die so viel Glauben finden und wenigstens so schlecht bestritten sind, weswegen laufen die so ungenützt oder ungeahndet umher, und schleichen sich selbst in die Lehrverfassungen ein, ob sie gleich den Beweis vom Vorteil hergenommen (argumentum ab utili) nicht vor sich haben, welcher der überzeugendste unter allen ist? Welcher Philosoph hat nicht einmal, zwischen den Beteurungen eines vernünftigen und festüberredeten Augenzeugen und der inneren Gegenwehr eines unüberwindlichen Zweifels, die einfältigste Figur gemacht, die man sich vorstellen kann? Soll er die Richtigkeit aller solcher Geistererscheinungen gänzlich ableugnen? Was kann er vor Gründe anführen, sie zu widerlegen?
Soll er auch nur eine einzige dieser Erzählungen als wahrscheinlich einräumen? wie wichtig wäre ein solches Geständnis, und in welche erstaunliche Folgen sieht man hinaus, wenn auch nur eine solche Begebenheit als bewiesen vorausgesetzet werden könnte? Es ist wohl noch ein dritter Fall übrig, nämlich sich mit dergleichen vorwitzigen oder müßigen Fragen gar nicht zu bemengen und sich an das Nützliche zu halten. Weil dieser Anschlag aber vernünftig ist, so ist er jederzeit von gründlichen Gelehrten durch die Mehrheit der Stimmen verworfen worden.
Da es eben so wohl ein dummes Vorurteil ist, von vielem, das mit einigem Schein der Wahrheit erzählt wird, ohne Grund nichts zu glauben, als von dem, was das gemeine Gerüchte sagt, ohne Prüfung alles zu glauben, so ließ sich der Verfasser dieser Schrift, um dem ersten Vorurteile auszuweichen, zum Teil von dem letzteren fortschleppen. Er bekennet mit einer gewissen Demütigung, daß er so treuherzig war, der Wahrheit einiger Erzählungen von der erwähnten Art nachzuspüren. Er fand — — — wie gemeiniglich, wo man nichts zu suchen hat — — — er fand nichts. Nun ist dieses wohl an sich selbst schon eine hinlängliche Ursache, ein Buch zu schreiben; allein es kam noch dasjenige hinzu, was bescheidenen Verfassern schon mehrmalen Bücher abgedrungen hat, das ungestüme Anhalten bekannter und unbekannter Freunde. Überdem war ein großes Werk gekauft, und, welches noch schlimmer ist, gelesen worden, und diese Mühe sollte nicht verloren sein. Daraus entstand nun die gegenwärtige Abhandlung, welche, wie man sich schmeichelt, den Leser nach der Beschaffenheit der Sache völlig befriedigen soll, indem er das Vornehmste nicht verstehen, das andere nicht glauben, das übrige aber belachen wird. - Immanuel Kant, Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik. 1766