Welt (6) Wenn die Welt ein riesiger, ränkeschmiedender Hof ist und wir in dieser Falle sitzen, dann macht es keinen Sinn, sich aus dem Spiel heraushalten zu wollen. Am Ende stehen Sie bloß machtlos da, und wer machtlos ist, fühlt sich elend.

Statt gegen das Unvermeidliche anzukämpfen, statt zu argumentieren und zu quengeln und sich schuldig zu fühlen, ist es viel besser, das Spiel um die Macht zu beherrschen. Es ist doch so: je besser Sie mit Macht umgehen können, desto besser werden Sie als Freund oder Freundin, Geliebte oder Geliebter, Gatte oder Gattin und als Mensch sein.

Wenn Sie dem Vorgehen des perfekten Höflings folgen (siehe Gesetz 24), lernen Sie, wie Sie andere dazu bringen, sich besser zu fühlen; Sie werden Quell der Freude für sie. Die anderen werden von Ihren Fähigkeiten abhängig und sehnen sich nach Ihrer Gegenwart.

Wenn Sie die 48 Gesetze in diesem Buch beherrschen, ersparen Sie anderen die leidvolle Erfahrung, mit der Macht herumzustümpern — mit dem Feuer zu spielen, ohne seine Eigenschaften zu kennen. Wenn das Spiel um die Macht unvermeidlich ist, dann sollten Sie es als Meister spielen, nicht als Stümper oder Verweigerer. - (macht)

Welt (7) Wir haben Ursache zu glauben, daß die Welt und das, was wir mit einem andern Namen Himmel nennen, dessen Wölbung alles bedeckt, etwas Göttliches, Ewiges, Unermeßliches sei, welches weder erzeugt ist noch untergehen wird.

Über dieses hinaus zu forschen nutzt weder dem Menschen, noch vermag sein Geist es deutend zu erfassen. Sie ist heilig, ewig, unermeßlich, ganz in dem Ganzen, ja sie ist selbst das Ganze; begrenzt und doch scheinbar unendlich, sicher in allen ihren Teilen und doch scheinbar unsicher; sie umfaßt alle Dinge in sich; sie ist zugleich ein Werk der Natur und die Natur selbst. - (pli)

Welt (8) Die Welt war ein festes tragendes Erdreich. Die Zeit steht ewig und täglich. Das Offene kann, immer wieder, auch ich sein. Ich kann die Verschlossenheit wegwollen, ich soll beständig so ruhig in der Welt draußen (in den Farben und Formen) sein. Die Schuld trifft mich dann, wenn ich, in Gefahr, mich zu verschließen, nicht die auf Lebenszeit mögliche Geistgegenwart will. — Peter Handke, Die Lehre der Sainte-Victoire. Frankfurt am Main 1984 (zuerst 1980)

Welt (9) Stille und ungestörte Zufriedenheit herrschen in den Sitten der Menschen dieser Gegend. Weder Diebstähle noch Morde oder sonstige furchtbare Begebenheiten haben sich jemals ereignet; keine starken Leidenschaften oder kühnen Unternehmungen regten sie auf.

Welche Leidenschaften und Unternehmungen hätten sie auch auf-regen sollen? Jeder kannte dort nur sich selber. Die Bewohner dieser Gegend lebten weitab von anderen Menschen. Die nächsten Dörfer und die Kreisstadt waren fünfundzwanzig bis dreißig Werst entfernt.

Die Bauern brachten ihr Korn zur gegebenen Zeit an den nächsten Wolgahafen, der ihre Welt wie Kolchis oder wie die Säulen des Herakles begrenzte, oder sie fuhren vereinzelt einmal im Jahr auf den Markt und hatten sonst keinerlei Beziehungen zur Außenwelt.

Ihre Interessen blieben auf sich selber beschränkt, sie überschnitten und berührten sich nicht mit denen anderer Leute.

Sie wußten, daß achtzig Werst von ihnen entfernt das »Gouvernement«, das heißt die Gouvernementsstadt, liegt, fuhren aber selten hin; dann wußten sie, daß noch weiter entfernt, dort oben, Saratow oder Nischnij Nowgorod liegt; sie hatten gehört, daß es Moskau und Petersburg gibt, daß hinter Petersburg die Franzosen oder die Deutschen leben, und noch weiter weg begann für sie schon, wie für die Alten, die dunkle Welt: unbekannte Länder, von Ungeheuern, von Menschen mit zwei Köpfen und von Riesen bewohnt; dann folgte Finsternis, und schließlich endete alles mit jenem Fisch, der auf seinem Rücken die Erde trägt. - Aus: Ivan Gontscharov, Oblomov (1859)

Welt (10) Demokrit schilderte, wie die seienden Dinge sich ewig im Leeren bewegten. Es gebe unbeschränkt viele Welten, und zwar von unterschiedlicher Ausdehnung. In manchen gebe es weder Sonne noch Mond, in manchen größere, in manchen mehr Sonnen und Monde als bei uns. Die Räume zwischen den Welten seien ungleich, es gebe hier mehr, dort weniger Welten, und die einen seien noch im Wachstum begriffen, andere seien in der Blüte ihres Lebens, wieder andere seien im Schwinden; an einer Stelle entstanden welche, an anderer hörten sie auf zu sein. Wenn sie aufeinanderstießen würden sie vernichtet. Es gebe einige Welten, in denen überhaupt keine Lebewesen vorkämen und überhaupt keine Feuchtigkeit. - Antike Astronomie

Welt (11) Die Erde sei flach und breit und treibe auf der Luft. In derselben Weise trieben auch Sonne, Mond und die übrigen Gestirne, die insgesamt feuriger Natur seien, wegen ihrer flachen und breiten Form auf der Luft. An dem Ort der Gestirne gebe es auch erdartige Klumpen, die mit diesen herumkreisten. Er sagt, die Gestirne bewegten sich nicht - wie andere angenommen haben - unter der Erde hindurch, sondern um die Erde herum, wie sich um unseren Kopf die Mütze dreht. Die Sonne verberge sich nicht dadurch, dass sie unter die Erde gelange, sondern weil sie von höheren Erdteilen verdeckt werde und sich überhaupt weiter von uns entferne. Die Sterne wärmten nicht wegen der Größe ihrer Entfernung. - Anaximenes, nach Hippolytos

Welt (12)

WAs ist das grosse Nichts / so Welt und Erde heisset /
Dem der gemeine Geist zu opfern sich befleisset /
Jhm fetten Weirauch bringt und ihm sich selber schlacht?
Ein grosser Wunderball mit Eitelkeit erfüllet /
Ein Brunn aus welchem stets ein Strom der Sünden quillet /
Ein Mahler / so den Schein zu einem Grunde macht;

Ein Spiel der Sterblichen / von lauter Trauerschlüssen /
Ein Garten bey der Nacht / von vielen Judasküssen /
Ein Felsen der uns stets das Schiff der Hoffnung bricht /
Ein Baum der iederzeit verbotne Früchte zeiget /
Ein Lehrer / dessen Mund das beste stets verschweiget /
Ein Licht von Jrrwisch und Cometen zugericht;

Ein Glaß von schöner Schrift / so Gift im Busen traget /
Ein immergrünes Feld / so heisses Wolfskraut heget /
Ein Uhrwerck das oft steckt / oft zu geschwinde geht /
Ein weites Freudenmeer voll Syrten und Sirenen /
Ein alte Mutter reich an tausend bösen Söhnen /
Ein Greiß der nicht zuweit von seinem Ende steht;

Ein wolgeputzt Spittal / durchbeitzt mit Pest und Seuchen /
Ein Zeughauß von Verdruß / Betrug und bösen Bräuchen /
Ein falscher Urtheil-Tisch / der Tugend Laster heist /
Ein kräftiger Magnet / der Schuld sein Eisen nennet /
Ein Aetna, dessen Brust von heissen Lastern brennet /
Ein Thier so uns beweint in dem es uns zerreist;

Ein Führer / der mit Lust uns in die Hölle leitet /
Ein Mörder / so das Gift mit Amber zubereitet /
Ein Steller / der uns pfeifft / wenn er uns fangen wil /
Ein rundter Rechentisch / der falsche Müntze leidet /
Ein Künstler / der uns mehr von Gott als Golde scheidet /
Ein rechter Wieder-Gott / ein falsches SinnenZiel;

Ein Spiegel ohne Grund / ein Saal von schlechtem Lichte /
Ein weißgetünchtes Grab / ein stets verkapt Gesichte /
Ein Kercker / wo man lacht / ein goldnes Würgeband /
Ein Eiß / darauf man fällt / ein Wohnhauß voller Schrecken /
Ein Apfel voll Gewürm / ein Zeug von tausend Flecken /
Ein goldner Distelstrauch / ein schöner Trübesand.

- (hofm)

Welt (13)
Viel Tage stampfen über Menschentiere,
In weichen Meeren fliegen Hungerhaie.
In Kaffeehäusern glitzern Köpfe, Biere.
An einem Mann zerreißen Mädchenschreie.

Gewitter stürzen. Wälderwinde blaken.
Gebete kneten Fraun in dünnen Händen:
Der Herr Gott möge einen Engel senden.
Ein Fetzen Mondlicht schimmert in Kloaken.

Buchleser hocken still auf ihrem Leibe.
Ein Abend taucht die Welt in lila Laugen.
Ein Oberkörper schwebt in einer Scheibe.
Tief aus dem Hirne sinken seine Augen.

- Alfred Lichtenstein

Welt (14) Ja mein liebes violoncellchen! so geht und steht es auf der Welt, einer hat den beutel, und der andere hat das geld, und wer beydes nicht hat, hat nichts, und nichts ist so viel als sehr wenig, und wenig ist nicht viel, folglich ist nichts immer weniger als wenig, und wenig immer mehr als nicht viel, und viel immer mehr als wenig, und - so ist es, so war es, und so wird es seyn. mach ein End dem brief, schliess ihn zu, und schick ihn fort an ort und End - feigele:

dero gehorsamster unterthänigster diener
mein arsch ist kein Wiener - Wolfgang Amadeus Mozart

Welt (15) Wie aber soll ich die Welt nennen? Holla Welt! ich frag dich? Was vor einen Titl soll ich dir zueignen? Wer bist du? Sags her / hast du es verstanden? Holla! Olla, das heisst auf Lateinisch ein Hafen oder Topff / so ist dann die Welt ein irrdischer Topff? Ja / ja / in diesen Topff ist ein wunderliche Allapatrida / wann dann also so kan ich nicht anderst als denen Weibern nachfolgen; wann die Weiber auf den Marck gehen / Kuchl-Geschirr und andere Sachen einzukauffen / so brauchen sie allzeit einen sonderbahren Witz und Verstand / wann sie da und dort ein schoenes Geschirr sehen / schoen gruen glassirt / glaentzend / so seynd sie nicht gleich da / nehmen und kauffen solches / tragen es nacher Haus / sondern klopffen vorhero daran / wann es einen Runtz oder abbrechichen Klang hat / da sagen sie: ihr Narrn / der Hafen scheppert ja / hat aber der Topff einen langen klangsamen Klang / so heissts alsobald: der ist gut; Indeme dann GOtt gleich anfangs einen Haffner abgegeben / und ein solches irrdisches Geschirr / nemblich den Erdboden verfertiget / so glaube ich gewiß / daß von denen Haenden des Goettlichen Haffners dieses Geschirr in aller Vollkommenheit seye ausgemaht worden / weilen aber der Adam einen harten Apfel hat lassen durchfallen / so zweiffle ich / ob es noch in voriger Gestalt seye: Welt! was bist du? sag an / Holla! Olla, bey meiner Treu der Hafen scheppert / vorwahr gantz ein kurtzer Klang / modicum, dieses bekennet Benedictus, und darumb / sagt er / hab ich diesen Hafen nicht geacht / sondern nur ausgelacht. Daß dieser grosse irrdische Topff scheppert / sagt darzu / ja: Hieronymus, Bernardus, Franciscus, Onuphrius, Paulus der Eremit, Antonius und unzahlbare andere / welche alle diesen gebrechlichen Topff verlassen / und in die abgelegniste Einoede geflohen. - Abraham a Santa Clara

Welt (16) Swedenborg schreibt: Die Engel sind betrübt über die Finsternis auf Erden; sie sagen, daß sie kaum irgendwo Licht sehen, und daß die Menschen in Lug und Trug befangen sind, den sie beglaubigen, und dadurch Falschheiten auf Falschheiten häufen, für welche sie, durch Schlußfolgerungen aus dem Falschen und dem Verfälschten, Beglaubigungen suchen, solche wahren Sätze, die ob der Finsternis, welche die Ursachen verdeckt, und in Anbetracht der Unkenntnisse als Wahrheit "nicht unterschlagen werden können".

Das stimmt mit der Beobachtung eines jeden denkenden Menschen überein, daß alles Lug und Trug ist; das ganze Leben ist verfälscht, Staat, Gesellschaft, Ehe, Familie. Meinungen gründen sich auf Lügengeschichten; wissenschaftliche Theorien fußen auf einem Irrtum, die heutige Wahrheit wird morgen als Lüge entlarvt; der Held erweist sich als feiger Wicht; der Märtyrer ist ein Heuchler. Man singt das Te Deum auf einer silbernen Hochzeit, und die beiden Ehebrecher, die noch außer der Ehe herumhuren, danken Gott für ein fünfundzwanzigjähriges glückliches Zusammenleben. Ein ganzes Volk versammelt sich einmal im Jahr, um den "Zerstörer des Landes" zu feiern. Wer die größte Dummheit sagt, die gesagt werden kann, erhält einen Preis in Geld und eine goldene Medaille. Beim jährlichen Eselsfest wird der Schlechteste zum Eselskönig gekrönt. Ein Irrenhaus ist es wohl, und wenn Hamlet den Verrückten spielt, so sieht er, wie verrückt die Welt ist, der Zuschauer aber findet, er sei der einzige, der aus der Sache klug wird, und darum schenkt er Hamlet seine Sympathie. - (blau)

Welt (17) Ich ersticke. Nichts ist hier hold und ohne Arg. Man hat den Eindruck, man wird überwacht. Es ist wie ein Alptraum, wie wenn an der nächsten Straßenecke etwas Schreckliches über einen hereinbrechen würde.

Nicht an der Straßenecke. Die Welt ist schrecklich, und jeder von uns steckt bis zum Hals darin. - J. B. Priestley, nach: Boileau / Narcejac, Der Detektivroman. Neuwied und Berlin 1967 (zuerst 1964)

Welt (18)

kurze beschreibung der welt

es gibt aachen
es gibt aale
es gibt aas
es gibt ab
es gibt abarten
es gibt abbalgen
es gibt abbau
es gibt abbeissen
es gibt abbilder
es gibt abblasen
es gibt abblühen
es gibt abbruch
es gibt abdecker
es gibt abende
es gibt abendzeitungen
es gibt aber
es gibt aberglauben
es gibt abermals
es gibt abfall
es gibt abfluss
u. s. w.
bis zuzeln, das es natürlich auch gibt

- Konrad Bayer, Das Gesamtwerk. Hg. Gerhard Rühm. Reinbek bei Hamburg 1977