Einleitung (nach --> Papyrus Turin 1791) Iu-ef-anch

1. Buch vom Eintreten in die Halle der beiden Wahrheiten, jemanden von den Sünden zu befreien, die er getan hat, damit er die Gesichter der Götter sieht:

I. Begrüßung

Worte sprechen: Gegrüßet seist du, großer Gott, Herr der beiden Wahrheiten! Ich bin zu dir gekommen, mein Herr, ich bin zu dir gebracht worden, um deine Vollkommenheit zu sehen. Ich kenne dich, ich kenne den Namen der 42 Götter, die bei dir sind in der Halle der beiden Wahrheiten, die von denen leben, die zum Bösen gehören, die von ihrem Blute schlürfen an diesem Tag des Rechtsprechens vor Unennofer (vor dem Schönen Wesen, das ist --> Osiris), dem --> Gerechtfertigten.
Der mit den beiden Töchtern ( --> Osiris-Augen, Sonne und Mond), Herr der Maati ist dein Name. Ich bin zu dir gekommen, nachdem ich dir die Maat gebracht habe und dir die Sünde vertrieben habe.

II. Negative „Beichte"

Ich habe kein Unrecht gegen Menschen begangen. Ich habe keine Knaben belästigt. Ich habe nichts Falsches getan an Stelle des Rechten. Ich hatte kein sündhaftes Mitwissen. Ich habe nichts Böses getan. Als Vorgesetzter irgendeines Menschen, an irgendeinem Tage der Dienstleistungen in seinem Bezirk, ließ er nie meinen Namen zur heiligen Barke des Leiters gelangen, noch gelangte mein Name zur Beamtenschaft des Leiters der Verlautbarungen und Dekrete (d.h. ich bin weder bei einer religiösen noch bei einer weltlichen Instanz angeschwärzt worden).

Ich habe nicht gelästert. Ich habe keine Not verursacht. Ich habe keine Schmerzen verursacht. Ich habe keine Armut verursacht. Ich tat nichts, was die Götter verabscheuen. Ich habe keinen Diener vor seinem Herren schlecht gemacht. Ich habe keinen Hunger verursacht. Ich kabe keine Tränen verursacht. Ich habe nicht getötet, und ich habe kein unrechtmäßiges Töten angeordnet. Ich habe niemandem Unrecht getan. Ich habe die Opfergaben in den Tempeln nicht verringert. Ich habe nicht die Opferbrote der Götter unterschlagen. Ich habe nicht die Opferkuchen und Gewänder der Geister (der Toten) geraubt. Ich habe nicht einen Knaben beschlafen, ich habe mich nicht selbst befriedigt während ich Wab-Priester meines Stadtgottes war. Ich habe nichts zugefügt noch vermindert beim Maß für die Opfergaben. Ich habe nichts zugefügt am Gewicht der Standwaage, ich habe nichts verringert am Lot der Handwaage. Ich habe nicht die Milch aus dem Mund des Säuglings fortgenommen. Ich trieb die Tiere nicht von ihren Weiden. Ich habe keine Vögel gefangen im Schilfrohr der Götter, ich habe nicht in ihren Lagunen gefischt. Ich habe das Wasser in seiner Jahreszeit nicht abgeleitet. Ich habe keinen Damm gegen fließendes Wasser gebaut. Ich habe nicht das Feuer zu seiner Zeit (wenn es brennen sollte) gelöscht. Ich habe nichts abgeschnitten vom Opfer für die Götter beim Zubereiten. Ich habe nicht die Herden der Götter (der Tempel) vertrieben. Ich bin dem Gott bei seinem Auszug (seiner Prozession) nicht entgegengetreten.

Ich bin rein (viermal zu sprechen) ! Meine Reinheit ist die Reinheit des großen Phönix, der in Herakleopolis ist, denn ich bin die Nase des Herrn der Atemluft (Ibis-Schnabel des Gottes --> Thot, der jedermann am Leben erhält, am Tage des Zählens des Horusauges in Heliopolis, am letzten Tag des zweiten Monats der Peret-Jahreszeit, vor dem Herrn dieses Landes.
Ich habe das Füllen des Horusauges in Heliopolis gesehen. Nichts Böses kann mir geschehen in diesem Land der Beiden Maati, denn ich kenne die Namen dieser Götter, die bei dir sind in der Halle der beiden Maati. Möge ich mit ihnen gerettet werden.

Nun folgt die Anrufung der 42 Götter, die aus verschiedenen Orten stammen. Diese Orte mit den 42 Gauen gleichzusetzen ist nicht möglich, da sich einige im Jenseits befinden. Der Ursprung des Papyrus Turin 1791 ist wohl die 10. Dynastie, da sich alle genannten Orte in Unterägypten befinden. Die Abbildung der Götterfiguren im Totenbuch ist nur dekorativ zu verstehen und stimmt nicht überein mit der Reihenfolge der Anrufung

1. Oh, --> Weit Schreitender, der aus --> Heliopolis hervorgeht! Ich habe keine Sünden begangen. (Wahrscheinlich ist eine Erscheinungsform des Rê gemeint.)
2. Oh, der den Mund aufmacht, der aus dem Kampfplatz hervorgeht! Ich habe nicht beraubt. (Kampfplatz heißt ein Ort bei Heliopolis. Der Gott, der den Mund aufmacht, kommt auch in Spruch 149 vor und wird als Nilpferd dargestellt.)
3. Oh, --> Der mit der Nase, der aus Hermopolis hervorgeht! Ich bin nicht gierig gewesen. (Der mit der (langen) Nase ist Thot aus Hermopolis)
4. Oh, --> Schattenverschlinger, der aus der Höhle hervorkommt! Ich habe nicht gestohlen. (Wahrscheinlich ein Dämon der Unterwelt)
5. Oh, der mit --> schrecklichem Angesicht, der aus Ro-setau hervorgeht! Ich habe keinen Menschen unrechtmäßig getötet. (Ro-setau ist eine Gegend im Gefilde der Seligen. Der Gott ist einer der Wächter.)
6. Oh, --> Ruti, der aus dem Himmel hervorgeht! Ich habe nichts von den Opfergaben unterschlagen. (Ruti, der Gott des Horizontes, ist ein Doppellöwe.)
7. Oh, --> dessen Augen in Brand sind, der aus Letopolis hervorgeht! Ich habe nicht krummes getan. (Letopolis war ein Kultort des Horus im Delta. So dürfte dieser Gott Horus oder einer der Götter in seinem Gefolge sein.)
8. Oh, --> Brennender, der mit leuchtendem Angesicht, der nach rückwärts vorwärts geht, der aus Heliopolis hervorgeht! Ich habe nichts gestohlen, was Gott gehört. (Dieser Gott ist einer der sieben Geister im Gefolge des --> Anubis. Man findet ihn auch in Spruch 17.)
9. Oh, Knochenzerbrecher, der aus Herakleopolis hervorgeht! Ich habe nicht gelogen. (Wahrscheinlich einer der Schlächter, auch aus Spruch 17.)
10. Oh, --> Der, dessen Atem Feuer ist, der aus Memphis hervorgeht! Ich habe kein Essen weggenommen. (Wahrscheinlich ist Sokar gemeint, der mit Ptah im Memphis verehrt wurde. Sokar ist der Schutzpatron der Schmiede, das erklärt seinen Feueratem.)
11. Oh, Bewohner der Wüste von Bubastis, der aus der geheimen Stätte hervorgeht! Ich habe keine Tränen verursacht. (Bubastis war Kultort der Löwengöttin Bastet am Ostrand des Deltas. Der Gott könnte einer ihrer beiden --> Söhne sein.)
12. Oh, Der, --> dessen Gesicht hinter ihm ist, der aus der Höhle der verbotenen Stätte hervorgeht! Ich war nicht homosexuell. (Der "Hintersichschauer" wird in Totentexten oft erwähnt. Er ist der Fährmann, der die Götter und die Toten sowohl in der Unterwelt alsauch am Himmel mit seinem Boot übersetzt.)
13. Oh, Der von der Höhle, der der aus dem Westen hervorgeht! Ich habe nicht verleumdet. (Dieser Gott ist irgendeiner der Unterweltlichen.)
14. Oh, Dessen Beine glühen, der aus der Finsternis hervorgeht! Ich war nicht veranlasst, mein Herz zu verschlucken. (=...zu bereuen, unbekannter Gott.)
15. Oh, Weißzahn, der aus dem Fayyum hervorgeht! Ich habe nicht (Gesetze) übertreten. (Sobek, dem Krokodilsgott des Fayyum werden sehr weiße Zähne zugeschrieben.)
16. Oh, --> Blufresser, der aus dem Schlachthaus hervorgeht! Ich habe keine heiligen Tiere getötet. (Dieser Gott ist wie der aus Sünde 9 einer der Schlächter aus Totenbuch Spruch 17.)
17. Oh, --> Eingeweidefresser, der aus der Halle der Dreißig hervorgeht! Ich habe keinen Wucher getrieben. (Die Halle der Dreißig ist ein himmlischer Gerichtshof, dem der Gott --> Thot vorsteht. Wahrscheinlich ist hier aber sein Assistent --> Anubis gemeint.)
18. Oh, --> Herr der Gerechtigkeit, der aus der Halle der beiden Maati hervorgeht. Ich habe kein Ackerland verwüstet. (Dieser Gott sollte Osiris sein.)
19. Oh, Umherschweifer, der aus Bubastis hervorgeht! Ich habe nicht spioniert. (Dieser Gott könnte wie der Gott aus Sünde 11 einer der beiden Söhne der Bastet sein.)
20. Oh, --> Heller, der aus Heliopolis hervorgeht! Ich habe meinen Mund nicht schwätzen lassen. (Hier ist wohl die Sonnenscheibe als Manifestation des Rê gemeint.)
21. Oh, Bösartige (Schlange), die aus Andjti hervorgeht! Ich war nicht wütend, außer mit Grund. (Andjti ist der Gau von Busiris, dem Unterägyptischen Heiligtum des Osiris, so ist diese Schlange wohl ein Gott im Gefolge des Osiris.)
22. Oh, --> Wamemti, der aus der Folterkammer hervorgeht! Ich habe mit keiner verheirateten Frau geschlafen. (Wamemti ist ein Schlangengott im Gefolge des --> Apophis, einer Riesenschlange, die immer wieder versucht, Rê zu vernichten.)
23. Oh, --> Der schaut, was er bringt, der aus dem Tempel des Min hervorgeht! Ich habe keine Unzucht getrieben.
24. Oh, Chef der Beamten, der aus Naref (und) aus Busiris hervorgeht! Ich habe keinen Terror gemacht. (Naref ist eine Nekropole mit einem Tempel des Osiris nahe von Herakleopolis. Busiris ist die Stadt des Osiris im Delta. Vielleicht ist Gott Heka gemeint als Gefolgsmann des Osiris.)
25. Oh, Herr von Letopolis, der aus Giu hervorgeht! Ich habe nicht (Gesetze) übertreten. (siehe Nr. 7; Letopolis ist Stadt des Horus im südlichen Delta, Giu ein Sumpfland im nördlichen Delta, wo Horus aufgewachsen ist.)
26. Oh, Der seine Stimme erhebt, der aus der großen Halle hervorgeht! Ich habe mir nicht den Mund verbrannt. (Die große Halle ist die Stätte der Einbalsamierung. Der Gott ist ein Helfer des Anubis, der die dazugehörigen Sprüche rezitiert.)
27. Oh, --> Kind, das aus --> Heka-Anedj hervorgeht! Ich war nicht taub für Worte der Wahrheit. (Rê wird jeden Morgen als Kind geboren. Heka-Anedj ist der Gau von Heliopolis, der Stadt des Rê, siehe Nr. 1 und 20.)
28. Oh, Dunkler, der aus der verborgenen Stätte hervorgeht! Ich war nicht beleidigend. (Hier ist wohl Anubis selbst gemeint. Siehe Nr. 22 und 26.)
29. Oh, --> Der sich sein Opfer holt, der aus Sais hervorgeht! Ich war nicht gewalttätig. (Die beiden Söhne der Neith von Sais sind Krokodilgötter. Zu ihnen passt der Name.)
30. Oh, Donnerstimme, der aus Wensi hervorgeht! Ich habe keine Unordnung gemacht. (Wensi ist eine Stadt im Gau von Herakleopolis. Der Donner ist die Stimme des Gottes Seti.)
31. Oh, --> Herr von (vielen) Gesichtern, der aus Nedjt hervorgeht! Ich war nicht ungeduldig. (Nedjt oder Nedjefet ist der Name der Gaue von Assiut und Cusae in Oberägypten. Hathor, Göttin von Cusae wird oft mit vier Gesichtern dargestellt. Es ist zweifelhaft, ob sie gemeint ist.)
32. Oh, Ratgeber, der aus Udenet hervorgeht! Ich habe die Farben der heiligen Tiere nicht beschädigt. (Ratgeber ist ein Beiwort des Gottes Thot. "Udenet" und "die Farben der heiligen Tiere" sind nicht identifiziert.)
33. Oh, --> Herr der Beiden Hörner, der aus Assiut hervorgeht! Ich habe nicht übermäßig viele Worte gemacht. (Der Gott von Assiut war --> Upuaut (Wepwawet), ein Schakal. Mit den Hörnern sind wohl seine langen Ohren gemeint.)
34. Oh, --> Nefertem, der aus Memphis hervorgeht! Ich war nicht verletzend und habe keine schlimmen Leiden verursacht. (Nefertem ist der Gott der Lotusblüte.)
35. Oh, Der, der keinen verschont, der aus Busiris hervorgeht! Ich war nicht beleidigend gegen den König und war nicht beleidigend gegen meinen Vater. (Busiris ist die Stadt des Osiris in Unterägypten. Der Totengott ist hier dem Tod gleichgesetzt, dem keiner entgeht.)
36. Oh, Der, --> der nach seinem Wunsch verfährt, der aus Hetem hervorgeht! Ich watete nicht im Wasser (es verschwendend?). (Hetem, "Festung", ist eine Stadt bei Pithom, dem Haus des Atum. So könnte dieser Gott der Urgott Atum sein.)
37. Oh, --> Ihi, der aus dem Urgewässer hervorgeht! Ich habe meine Stimme nicht erhoben. (Ihi, Sohn der Hathor, ist der Gott der Musik. Das Urgewässer wurde als Geburtsstätte aller Götter angesehen.)
38. Oh, --> der das Volk befehligt, der aus Sais hervorgeht! Ich habe keinen Gott beleidigt. (Dies kann der zweite Sohn der Neith sein (siehe Nr. 29)).)
39. Oh, --> Neheb-nefru, der aus Heliopolis hervorgeht! Ich habe nichts von den Opferkuchen der Götter unterschlagen und keinen Kameraden bei seinen Vorgesetzten schlecht gemacht. (Neheb-Neferu, "der alles Gute vereinigt", könnte wieder eine Form des Sonnengottes sein.)
40. Oh, --> Neheb-kau, der aus seiner Höhle hervorgeht! Ich war nicht selbstsüchtig, ich war nicht hochmütig und ich war nicht befehlshaberisch. (Neheb-Kau, "der alle Wesen vereinigt", kann eine Schlange oder Doppelschlange sein.)
41. Oh, Der mit erhobenem Haupt, der aus seinem Grabe hervorgeht! Ich war nicht großtuerisch und stahl keine Gewänder der Seligen. (Dies ist ebenfalls ein Schlangengott.)
42. Oh, --> Der seinen Arm bringt, der aus der Nekropole hervorgeht! Ich habe keinen Gott in meinem Herzen gelästert. (Nach Totenbuch Spruch 17 ist "Der seinen Arm bringt" einer der Helfer beim Wägen des Herzens, also Horus, Anubis oder Thot.)