aus einer e-mail an einen freund:

(...) und wieder wird diskutiert was sich ändern soll oder muss. und jeder hat eine meinung. und meistens heißt es da: mehr bildung, bildung, bildung!

was genau ist eigentlich bildung? was versteht die danach schreiende allgemeinheit denn darunter?

ich verbinde das mit: schule, studium, wissenschaft. konservative mentalität, zementierung eines bestimmten kultur- und kunstbegriffs. konditionierung im sinne der gesellschaftlich-kulturellen normen, strenge rationalität, leistungsdruck und leistungsprinzip ("leistungsbereitschaft" bzw "leistungsverweigerung", welche dann all denen unterstellt wird die nicht mitziehen (wollen oder können, körperlich oder geistig)), einteilen der menschen in stark und schwach, intelligent und dumm, aufrechterhaltung des weltbilds von "oben und unten" und bemessen des sozialen status am einkommen (bildung = guter job = viel kohle), selektion nach vermeintlichem (weil gesellschaftlich festgelegtem) intelligenzgrad, aussieben von "unfähigen" und "unangepassten", pathologisierung von normabweichungen und "entdecken" (festlegen!) immer neuer krankheitsbilder zur gesellschaftlichen kontrolle... bildung. wissenschaft. forschung. mitschleifen oder abhängen. die "elite" muss her und die "loser" müssen weg.

(...)

(am beispiel berlin: "wir brauchen opern, theater, museen - statt clubs und graffiti. wir brauchen altstadt wie dresden oder paris. wir brauchen ästhetiknormen. wir brauchen stilvoll gekleidete menschen. wer anders denkt / fühlt ist ungebildet!")

mit dieser argumentation / weltbild / "leitkultur" präsentieren sich die konservativen bildungsverfechter. wer könnte sie kritisieren - sie haben ja die moralische überlegenheit abonniert!

(...)

ist das alles? garantiert das ein gutes leben? garantiert das ein gutes soziales klima? macht das glücklich?

(...)

wo bleibt die soziale bildung, soziale kompetenz, die menschlichkeit? hauptsache du bist möglichst hoch qualifiziert, weißt wer goethe war und kannst komplexe mathematische formeln lösen. dann kannst du auch ein arrogantes arschloch sein. die einzige soziale kompetenz die unsere gesellschaft verlangt ist entweder belangloser smalltalk / perfektes zitieren und leben von klischees, oder medienbeeinflusste pseudo-hyper-kritik an allem und jedem, klare (politische) feindbilder, als pseudo-wissen verkaufte (vorgefertigte) meinung. diese meinungsmasse rottet sich zusammen und gibt den ton an. schließe dich an oder sei randgruppe. heule mit den wölfen oder sei "naiv, dumm, nicht selbstständig denkend".

(...)

und ganz im sinne der "gebildeten, aufgeklärten wutbürger" dann keine investitionen mehr, keine "sinnlosen/ überteuerten" infrastrukturerneureungen oder neubauten mehr, kein "prestige" mehr (und als prestige gilt alles, was nicht bildung oder vermeintlich! sozial ist), nur noch "bildung" im sinne der heutigen neokonservativen gesellschaftsnorm. ist das der weg?

wird dann alles gut?

oder kann jemand die worthülse BILDUNG bitte mal mit inhalt füllen? ich gehe doch mal nicht davon aus dass all die bildungsfetischisten wirklich das meinen / wollen, was ich daraus oben überzogenerweise zusammengebastelt habe!?