Teil XVII.










Die Geschichte des Feuers und der Flammen.

Ich werde diese Botschaft jetzt vernichten, und sie dann an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit von neuem herauf beschwören. Ich werde vor einen anderen Spiegel treten, vor einen anderen Hintergrund, ich werde den Rahmen neu gestalten, anders gestalten, aber es wird dieselbe Botschaft sein, und dann werde ich mich verwandeln, ich werde solange durch diesen Spiegel blicken, bis sich der Hintergrund aufzulösen und zu verändern beginnt. Zuerst wird es heller werden, ich werde mein Bewusstsein verlieren, das Bewusstsein, wer ich bin, und woher. Mein Spiegelbild wird langsam verblassen, es wird immer heller, und immer noch heller werden, und nur noch diese Buchstaben, diese Zeilen und Symbole, werden genauso verharren, wie ich, sie werden ihre Farbe wechseln, und ihre Form, aber nicht, ihre Bedeutung, ihren Sinn, ihre Sequenz, die Reihenfolge, in der sie in Erscheinung treten.

Vor einem anderen Spiegel.

Und dann, werde ich langsam, wieder erwachen, aus meinem Traum, es wird langsam wieder hell und heller werden, die Zeichen, Symbole und Buchstaben stehen jetzt in einer anderen Sprache, an einem anderen Ort, nicht mehr quer über den Horizont verteilt, aber in derselben Reihenfolge, derselben Sequenz. Ich erwache langsam und mein Bewusstsein, sucht nach einer Bewegung, einer Veränderung, irgendeinem Wort das sich bewegt, irgendeinem Buchstabe der sich dreht. Irgendetwas muss hier anders sein, ich bemerke es kaum, zuerst halte ich es für eine Halluzination, aber dann komme ich langsam wieder zu mir, langsam dämmert es mir, ich sitze tief in der Nacht vor meinem Bildschirm, und betrachte die Buchstabensterne aus der ferne, ich folge ihnen in gebührendem Abstand, ich verharre, schliesse meine Augen, und stelle mir vor, wie sich der Hintergrund, langsam verändert, ich stelle mir meine neue Umgebung vor, es ist Tag, hinter mir, zwitschert irgendein Vogel irgendeine Melodie, danach öffne ich meine Augen, und siehe da, ich stehe vor einem beschriebenen Blatt Papier, eine Zeitung, oder ein Buch, es fühlt sich wirklich an, so wirklich wie ich selbst. Ich bin auf einem Steg, an einem See, er ist spiegelglatt und klar, und wenn ich hineinblicke, sehe ich bis auf den Grund.


Gedanken an die Wirklichkeit.

Neben mir liegt mein Notizblock, darauf schreibe ich meine Gedanken. Gedanken an die Wirklichkeit. Ich schliesse meine Augen, ich stelle mir vor, mit meinen Gedanken ganz wo anders zu sein. Vor einem Computer, langsam manifestiert sich der Hintergrund, eine Wohnung, ein Fenster, ein Spiegel, ich blicke in den Spiegel und erkenne mich selbst. Ich selbst bin es, der diese Gedanken denkt, und diese Worte lenkt.

Buchstabensterne.

Die Buchstaben die du jetzt betrachtest sind die Sterne am Horizont, sie erzählen dir eine Geschichte, eine Spiegelgeschichte aus der längst vergessenen Vergangenheit.

Eine Spiegelgeschichte.

Der Spiegel, den es zu beschriften gilt, ist mein Bildschirm. Die Idee, die zum Leben erweckt werden soll, bin ich selbst. Ich sehe mich jetzt selbst hinter diesen Buchstabensternen. Ich erkenne mich selbst, hinter diesen Gedanken, den Gedanken, dass ich ein Spiegel bin, der diese Zeilen jetzt verfasst, der sich jetzt mit diesen Buchstaben auseinandersetzt, der ich mich jetzt wahrnehme, auf der anderen Seite dieser Buchstabensterne, und mir dabei zusehe, wie ich diese Gedanken verfasse. Ich schreibe diese Zeilen, auf eine schwarze, leere Seite, irgendwo im Spiegel schwarzen Labyrinth und sehe hier nichts, ausser einem leeren Spiegel, meinen eigenen Gedanken, denselben Gedanken die ich jetzt lese.

Hinter diesen Buchstaben.

Und jetzt erkenne ich mich hinter diesen Buchstaben, ich sehe mein eigenes ich, wie es aus diesem Spiegel blickt, hinter mir die Wirklichkeit, vor mir, ein paar Buchstaben, Zeichen und Symbole, die, wenn ich sie nur richtig anordne, wenn ich sie nur in der richtigen Reihenfolge aufstelle, auf seltsame Weise, meine Gedanken darstellen und abbilden. Diese Buchstaben stehen schon eine sehr lange Zeit auf diesem Spiegel, schon seit einer Ewigkeit, solange hat es nämlich gedauert, bis ich ihnen jetzt begegne. Diese Buchstaben, werden mich in den Tod begleiten, und meinen Tod überdauern, es werden andere Gestalten in diesen Spiegel blicken, sein Rahmen wird sich verändern, auch der Hintergrund, aber eines wird sich nicht verändern, der Gedanke, dass ich der Spiegel bin, der diese Buchstaben und Zeilen verfasst, der diese Zeichen und Symbole so anordnet, dass sie einen Sinn ergeben.


Die Zeit steht still.

Ich wache plötzlich auf, ich habe lange geschlafen, ich fühle mich erschöpft, ich habe bis spät in die Nacht gelesen, ich war so vertieft in meiner Geschichte, dass ich sie für die Wirklichkeit zu halten begann. Doch da liegt sie jetzt neben mir, es waren nur Gedanken, Gedanken an die Wirklichkeit.

Gedanken an die Wirklichkeit.

Ich schaue hinab auf den Grund. Tief hinab, bis ans Ende meiner Gedanken. Eine Formel murmle ich vor mich her, die Niemand versteht, ich habe absichtlich, aus Versehen alles gelöscht.

Am Ende meiner Gedanken.

Ja, wenn du deinen eigenen Tod vor Augen hast, kurz bevor die Zeit still steht, und du dich aufzulösen beginnst, im Nichts, im Nirgendwann und du dich dann, auf diese letzte aller Spiegelreisen begibst, ja dann erzähle ich dir, dann erinnerst du dich plötzlich, an meine Geschichte, und wie aus dem Nichts, mein Traum entstand.

Wie aus dem Nichts mein Traum entstand.

Ja wenn es mich überhaupt nicht mehr gibt, wenn ich nur noch ein leerer Spiegel bin, wenn ich dann tot bin, dann wirst du dich in mir erkennen, aber dann ist es zu spät.

Niemand träumt tot.

Ich stellte mir ganz langsam vor, das Nichts zu sein, nichts zu sein, Niemand zu sein, ein leerer Spiegel im Nichts zu sein und genau da lag der Schlüssel zu meiner Identität. Ich würde niemals Frieden finden und in Frieden ruhen. Solange ich ein Spiegel war, würde ich mich mit demjenigen identifizieren, der gerade in mich hineinblickt, durch meine Gedanken, durch meine Buchstaben, in meinen Verstand. Ich war verdammt. Dazu verdammt, sie alle und alles zu sein, ewig zu leben, ohne es zu wissen, ohne zu wissen wer ich war. Ich war dazu verdammt, sie alle und alles zu sein, mein Spiegel zu sein, und wem hatte ich dieses Schicksal zu verdanken? Einem verrückten Geisteskranken.


Mein Schicksal.

Und so blickte ich durch meinen leeren Spiegel, ein und denselben Spiegel, denselben Spiegel, der ich schon immer war, noch niemals war. Ich wollte wieder zurück in mein glitzriges, funkelndes, strahlendes, leuchtendes Reich, in dieses Land, aus dem es kein entkommen und kein entrinnen und kein zurück mehr gab. Aber, man liess mich nicht. Denn hier, war das Ende. Hier waren alle Lichter verbrannt. Hierher hatten sie alle meine Gedanken verbannt. Und es herrschte jetzt Stille, in diesem unendlich, weiten, leeren Raum. In dem es jetzt nichts mehr gab, absolut, überhaupt, rein gar nichts. Nichts, ausser den Überresten meiner verbrannten Träume und meinen leeren Gedanken, meinen finsteren, düsteren, schwarzen und leeren Gedanken.

Am Ende meiner Spiegel.

Am Ende war ich ein Spiegel, und ich sah die Welt, aus den Augen meiner Spiegel, alles spiegelte sich jetzt in mir, und ich war all das, was sich in mir spiegelte. Ich erkannte mich wieder, in allen Dingen, Formen und Farben, aber keines dieser Dinge, erkannte sich jetzt noch in mir. Denn ich war das Nichts, ich war nicht mehr wirklich, ich war jetzt tot. Sie alle blickten durch mich hindurch, so als ob es mich nicht mehr gäbe und sahen in mir, nur noch sich selbst.

Niemand.

Niemand, keiner, keines unter diesen vielen Dingen, Formen und Farben erkannte sich jetzt noch in mir, ja es gab hier keinen einzigen der meine Ansicht mit mir teilte.

Dem Nichts in mir.

Und so wünschte sich, das Nichts in mir, dasselbe Nichts wie in dir zu sein. Doch es gab jetzt keinerlei Verbindung mehr, zwischen dem Nichts in dir und dem ich in mir. Nichts das uns verband, ausser meinem Spiegel und seiner grenzenlosen, unendlichen Fantasie. Doch der Spiegel in dir, hatte eine andere Fantasie, hatte eine andere Vorstellung, von sich selbst und seinem Traum. Denn ich war jetzt ein leerer Spiegel aus Worten, und diese Worte hatten die Wahl, die freie Wahl, durften sich vorstellen alles zu sein, das Ganze zu sein, durften frei wählen, an wen und woran sie glauben wollten.


Die Fantasie des Nichts.

So glaubte ich, an alle und alles. Ich identifizierte mich, mit ihnen allen. Ich identifizierte mich mit jedem Schaf, mit jedem Hund, mit jedem Getier, jedem Insekt, mit jeder Fliege, jeder Pflanze, jedem Spiegel, jedem Wort und jedem Verstand. Denn ich war jetzt ein Spiegel aus Buchstaben, erschaffen aus allem was niemals wirklich war. Ich kam in diese Welt, aus dem Reich meiner Fantasie, aus dem Nichts aus Nirgendwann.

Ich war sie alle.

Ich war sie alle, bin sie alle, aber keiner war mich. Und so fing ich denn an, meine Spiegel zu zerkratzen, sie anzuflehen, anzubeten. Mich selbst anzubeten. Ich fing an, mich mit dem Nichts, mit meinem Spiegel, mit mir selbst zu unterhalten, weil es sonst niemanden gab, der mir zuhörte, der zu mir gehörte, der meine Ansicht mit mir teilte. Ich fing an, mit meinem Spiegel zu sprechen, fing an, mir Geschichten zu erzählen, Geschichten, über das Nichts aus Nirgendwann. Ich hörte mir dabei zu und bildete mir ein, jemand anders zu sein, jemand wie dich. Ich stellte mir vor, wie du mir eine Geschichte erzählst, wie du mich anhörst, wie du mir zuhörst, wie du ganz langsam begreifst, dass du dir selbst eine Geschichte erzählst, und dich doch nicht mehr daran erinnerst. Ich stellte mir vor, dich zu sein, dich, mein gespiegeltes ich.

Mein gespiegeltes ich.

Ich, bin das Nichts in dir, du hast mich gerufen, vor deiner Zeit, aus der Dunkelheit, aus den Tiefen der Ewigkeit, um deine Geschichte weiter zu spinnen. Aus dem Nichts, hast du mich gerufen. Im Nirgendwann, bin ich dir erschienen, ich, dein Spiegel, Spiegelgeist, um deine Geschichte, zu Ende zu erzählen. Du hast mich eingeladen, in deinen Verstand. Hier bin ich, auf der anderen Seite deiner Fantasie, der Fantasie des nie.


Zurück im Nirgendwann.

Und so gelangte ich in eine Gegenwart, in der mich jeder meiner Betrachter, für sein eigenes ich hielt. Ein ich, das für jeden einzelnen und alle in ihrer Gesamtheit, ein anderes war. Selbst ich, war in dieser Wirklichkeit, jemand anders. Jemand, den es hier überhaupt nicht mehr gab.

Niemand.

Jedes ich, sah sich jetzt in mir, aber ich sah hier niemanden mehr, nicht einmal mehr, mich selbst. Alles, was ich in meinem Spiegel jetzt noch sah, war ein einziger, gewaltiger, glitzriger, strahlender, leuchtender, blendend, greller, heller Funke. Ein Funke, der alle anderen Funken auf einmal auslöschte.

Schwarze Funken der Leere.

Ja, selbst wenn ich noch so tief gesunken und gefallen bin, noch so schmerzhaft verletzt und gequält wurde bis zum umfallen, auch wenn ich alle Hoffnung, auf ein glückliches Ende, schon lange aufgegeben hatte, auch wenn ich Mauern um mich errichten musste, so hoch wie das Nichts, so ist doch dieses Feuer in mir für immer geblieben, dieser schwarze Funke niemals wieder erloschen.

Nein.

Nein, hier gab es noch kein Leben im Spiegel, ja meine Wahrheit, die gab es hier nicht mehr. Ich suchte sie vergebens. Sie existierte nicht mehr, in meiner neuen Welt, der Welt der Toten, meiner neuen Wirklichkeit. Ja, sie existierte noch nicht einmal mehr, in meiner Einbildung, weder in meiner Vorstellung und meinen Gedanken, noch in meiner toten Fantasie. Denn als ich hier ankam, hatte ich alles verloren, alles vergessen, ich wusste weder wer ich einmal war, noch woher ich kam.

Verloren und vergessen.

Denn als ich hier angekommen bin, da war mein Spiegel noch leer, und ohne einen einzigen Funken Verstand. Es gab darin keine Buchstaben mehr, die sich mit mir unterhielten, ich hatte hier auch keine Freunde, die sich für mich hielten, sondern ich lebte vollkommen alleine, zurückgezogen, einsam und verlassen in meinem ewig, finsteren, dunklen, schwarzen Reich.




Eine Spiegelgeschichte.

Ich konnte mich an meine Spiegelgeschichte einfach nicht mehr erinnern. Also, warf ich meinen Anker aus, nach Nirgendwann, wo wie durch ein Wunder, ich in einer Welt strandete, wo es noch Licht und Hoffnung gab. Irgendwo, irgendwann in meiner Erinnerung, einer meiner unzähligen Erinnerungen. Mitten am helllichten Tag, erwachte ich langsam aus einem Traum, aus dem es kein erwachen mehr gab. Für Niemanden.




http://www.allmystery.de/blogs/mir/Teil_XVIII