Meine Gedanken zu Nachtoderfahrungen,
was passiert, könnte nach dem Tod passieren umgesetz in zwei kleinen, zusammenhängenden Kurzgeschichten.

Eine ältere Frau, Mutter zweier erwachsener Kinder stirbt an einer Krankheit.
Losgelöst von der sterblichen Hülle (ihr Lebendkleid) erlebt sie die Schwierigkeiten Ihrer Kinder,
vor allem des Sohnes mit dem Verlust und der Trauer um zu gehen.



Beim Bestatter

Sie suchen einen Sarg für mich aus. Und alles was so gebraucht wird um meinen Leichnam unter die Erde zu bringen. Ich wünschte mir eine Erdbestattung. Mit verbrennen habe ich es nicht so.
Zwei meiner Söhne und meine Tochter beobachte ich, wie sich im Ausstellungsraum des Bestatters umschauen. Von 700.-- Euro bis unendlich ist alles zu haben. Furnierte Kiefer und edles Mahagoni. Standard oder vom Designer. Auch ein schwarzer Klavierlacksarg steht da.
Ehrlich, mir ist es egal welchen sie nehmen. Meine Kinder sind vernünftig, sie wählen nicht den günstigsten Sarg, sie wählen die Mittelklasse für 1000 Euro. Das ging ja relativ friedlich von statten. Na ja, der jüngere Sohn war nahe dran mal wieder auszurasten. Man kennt das ja von ihm.
Eine Decke wird auch noch gebraucht. Sie entscheiden sich für eine schlichte mit schmaler feiner Spitze umrandete Decke auf die ein schönes Rosengesteck gelegt werden soll. Rechts und links neben meinem Kopf soll jeweils eine Rose liegen. Das Deckchen mit passendem Kissen kostet auch nochmal € 200.--.
Aus meiner Sicht ist das sehr lustig zu beobachten. Doch sie wissen es ja nicht anders. Sie glauben, ich wollte das so. Es stimmt sogar. Ich wollte das wirklich so, als ich noch lebte. Doch damals wusste ich nicht, was ich heute weiß. Sie haben mein größtes Verständnis für die angenommene Wichtigkeit ihres Tuns.

Was hängen da für Kleider über dem Stuhl. Die kenne ich, es sind meine Kleider. Hatte ich ja so gewünscht. Allerdings haben sie nicht die gewünschte rosa Jacke genommen. Das braunrote Kostüm, eine weiße Bluse mit dezenten Rüschen. Sehr formell. Wird seine Gründe haben.
Mein Leichnam wird damit bekleidet in dem Sarg liegen, den sie ausgesucht haben.
Die nette Frau hinter dem Schreibtisch fragt ob sie Sterbebildchen haben möchten. Ja auf jeden Fall kommt prompt und einstimmig die Antwort.
Sie wählen ein Bild, auf dem ich 7 Jahre jünger bin. Bin ganz zufrieden mit ihrer Wahl. Die Sprüche die zum Bild gedruckt haben wurden in meinem Schreibtisch gefunden. Ich mag diese Worte. Vielleicht helfen sie manchen Lebenden. Mir haben sie zu Lebzeiten gut geholfen. Heute sehe ich die Welt mit anderen Augen. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Die Todesanzeige wollen sie selbst bei der Tageszeitung aufgeben und den Blumenschmuck auch selbst beim Gärtner aussuchen. Das wäre persönlicher meinen sie. Meine Kinder sind aktiv. Die wissen was sie wollen. Der Sarg, meine Kleidung, die Decke und das Kissen, der Blumenschmuck, die Sterbebildchen, fehlt noch was?
Oh, fast wäre es ihr entgangen, meiner Tochter. Sie hat ja noch ihren weißen Rosenkranz in der Tasche, den sie zur Kommunion geschenkt bekam. Da mein weißer Rosenkranz nicht gefunden wurde, hat sie ihren eigenen genommen. Sie braucht ihn wohl nicht mehr. Kluges Kind.
Statt ihrer werde ich den Rosenkranz nun dabei haben, um meine gefalteten Hände gewickelt. Wieder so förmlich. Ich hätte ihn lieber einfach so auf meiner Brust liegen gehabt. Aber meine Kinder haben halt so entschieden, weil sie es nicht anders kennen vielleicht,
Um die Sargträger und den Kreuzträger will sich mein jüngster Sohn kümmern. Seine Frau wird den Kirchenchor kontaktieren. Und für Speis und Trank sorgen in der Gaststätte um die Ecke. Nach einer anstrengenden Beerdigung haben die Leute Hunger. Hungrig kann man die keines Falls nach Hause fahren lassen. Der mittlere übernimmt den Kontakt mit dem Steinmetz, der den alten Grabstein und die Umfassung wegräumen soll. Die haben ganz schön zu tun die Kinder und ich schau ihnen in aller Seelenruhe zu. Ja, Seelenruhe, denn so empfinde ich. Wahrhafte Seelenruhe.
Es tut mir nicht leid, wenn sie weinen. Und ich wundere mich auch nicht über ihre verrückten Gedanken. Kenne ich doch alles. Aus meiner Perspektive ist halt alles verändert. Nichts Altes hat mehr Bestand. Nachdem der netten Dame noch persönliche Daten hinterlassen wurden verabschieden sich meine Nachkömmlinge. Nein, auf Wiedersehen ist hier weniger passend.
Ade und Tschüss!