-
Das einzige Talent des Apfels ist es vom Baum zu fallen.
-


„C96?
Mauser C96?
Mein Freund,ich handle nicht mit Antiquitäten.“
sagt der Typ sympathisch lachend und fährt dann umso ernster fort:
„08 is sehr sperrig!“
„Sehr sperrig“, wiederhole ich und nicke traurig,warum eigentlich?
„Die PPK is natürlich 'ne Hausmarke,klar und kostet auch dem entsprechend.“Er grinst mir ins Gesicht und formt tonlos ein
Wort mit seinen Lippen,albern,übermütig.
5000!
„Okay,dann lassen wir das.
Was kostet die russische?“
„Versagt nie!“ sagt er stolz und wir sind rasch handelseinig.
-

„Hören sie Stimmen?“ fragt er. „Oder vielleicht eine Stimme,eine
die ihnen sagt was sie zu tun haben?
Eine Stimme die ihnen befiehlt oder sie leitet?
Haben sie vielleicht manchmal das Gefühl,ihre Arme seien gar nicht
ihre Arme?
Kam es ihnen schon einmal so vor als würden ihre Finger sich verwandeln,in so etwas,na sagen wir,so etwas wie Tentakel?
Ach,verzeihen sie“,fährt er nach meinen Antworten geschäftig fort,
„ich muss mich kurz entschuldigen.“
Und er erhebt sich trotz seines sichtbar fortgeschrittenen Alters
voll Spannkraft und Behändigkeit und verlässt eilig den Raum,
so eilig,daß er es unterlässt die Tür hinter sich zu schließen.
Und ich bleibe zurück im kalten Dunst der billigen Pizza,die
er wohl noch rasch vor meinem Besuch verzehrt haben musste.
Überall hängt noch dieser penetrante Geruch,der jetzt
orchestriert wird vom lautstarken Urinieren meines bestellten Beschauers,eine Sinfonie der Schamlosigkeit.
Und er kehrt eiligen Schrittes zurück,setzt sich vollends zufrieden, legt seine ungewaschenen Finger in einer abgeschauten Geste aneinander und fragt weiter:
„Denken sie, daß es irgendwo,irgendwo da draußen im Weltall denkende
Wesen gibt?“
Und ohne meine Antwort abzuwarten,schiebt er sich näher an mich heran und fragt in moderat vertraulichem Ton:
„Sagen sie,dürfte ich sie photographieren? Für meine Unterlagen,wissen sie,ich erinnere mich nämlich gern an meine Patienten.“
Nun ist es soweit und mir bleibt nur noch eines zu tun,eines zu sagen,es ist das was ich immer sage wenn es soweit ist.
„Der Garten der Lüste“,flüstere ich,springe vom Stuhl,ein halber
Schritt nur und ich bin hinter ihm und unterbinde sein Bemühen
sich zu erheben mit dem Druck meiner linken Hand auf seiner Schulter.
Meiner ganz eigenen linken Hand,meines,ganz eigenen,linken Armes.
Ja natürlich werde ich diesen Mann töten,es ist ja nicht so,das
ich eine Wahl hätte.
Ich brauche keinen Zeugen meiner erzwungenen Schamlosigkeit,es gibt
überhaupt keine Verwendung für ihn.
Seine Existenz allein ist ein untragbares Ärgernis.
Ich töte also jetzt diesen Tattergreis,folgend dem Gesetz von
Ursache und Wirkung,dann setze ich mich in mein Auto und fahre.
Ich werde das Radio aufdrehen,wahrscheinlich so etwas hören:
Youtube: Beck- Loser
Beck- Loser
Externer Inhalt
Durch das Abspielen werden Daten an Youtube übermittelt und ggf. Cookies gesetzt.


rauchen,ich Euphorie geraten,mitsingen und gegen den Himmel boxen.
So wird es geschehen,genau dafür bin ich da.

Es gibt unsagbar viele Arten des Tötens,je nach Umstand und Gegebenheit wird ein jeder Mörder wohl gemäß seines Temperamentes entscheiden.
Ich selbst,so kann ich ohne Umschweife sagen,bin ein Verfechter des Genickschusses aber es bedarf durchaus der richtigen Waffe denn
der Sitte,dem Anstand und nicht zuletzt dem Stil müssen Genüge getan werden.
Es ist ein wirkliches Sakrileg,jemanden das Leben zu nehmen und
sich dazu eines Proletenschießprügels zu bedienen.
Das sind die Dinge,wie sie sein sollten.
Selten ist etwas so wie es sein soll und deshalb ist das was ist,was
jetzt ist,hier in diesem Augenblick, auch nur die Regel.
Wegen dieser Regel stehe ich hier,etwas unsicher und peinlich berührt und drücke diesem alten Mann kommunistische Massenware in den Nacken.
Das ist furchtbar armselig,entsetzlich peinlich und nicht zuletzt respektlos.
Aber man muss die Kirche im Dorf lassen denn schließlich hat er sich nicht die Hände gewaschen!
An und für sich,hat er also nichts besseres verdient,da kann ich mich
ruhig mit dem abfinden was ich da in der rechten Hand halte.
Es ist immerhin schwer,schwarz und aus Stahl und es wird Bumm machen und alles wird okay sein.
Es macht aber nicht Bumm!
Es macht auch sonst überhaupt nichts außer vollkommen blockiert zu sein.
Es ist wertloser Dreck!
Ich muss zugeben,das ich in solchen Situationen immer noch regelrecht außer mir bin.
Es sind keineswegs Unannehmlichkeiten wie Schreie oder Flehen, die ich fürchte.
Es ist das Ausbleiben jener Befriedigung,die nur zur rechten Zeit,
im perfekten Moment auch eine ist,das ist es was mich in Rage bringt.
So beginne ich also wild zu hantieren und am Schlitten zu zerren
bis, bis meine Hand von ganz alleine heftig zuckt und mein Blick,wie
einer unausgesprochenen Weisung folgend,auf ein lächerlich obszönes Bild fällt.
Es ist ein fingerdickes Loch in meinem wohlgeputzten Lacklederschuh
und als wäre dieses Loch auch eine Quelle,ein Brunnen,so steigt Wasser in ihm hoch.
Tiefrot ist das Wasser,tiefrot und ich muss unwillkürlich an einen Kindergeburtstag denken.
An Kerzen ,Torte und Lärm und ich sehe zur Zimmerdecke hinauf und
suche die bunten Ballons.
-
Ich mag diesen Richter.
Trotz der widrigen Umstände wäre ich stolz, ihn, wenn schon nicht einen Freund,so doch einen Bekannten nennen zu dürfen.
Er ist ein Dreißiger im Körper eines Fünfzigjährigen und man merkt,
der Dreißiger dominiert.
So einer wird spät richtig alt.
Ich kenne ihn wirklich,ich kenne ihn in jeder Geste,in jedem wohl gewählten Unterton,in jedem Seitenblick,in jedem hörbaren Atemzug der seine Langeweile einteilt.
Seine Interessen liegen weit,weit entfernt von seinem Beruf,in dessen Wahl er wahrscheinlich unfrei war.
Er hat viele Bekanntschaften gleichzeitig,parallel.
Er wird den Frauen treu sein aber niemals einer und er wird grausam eifersüchtig ,triebe man dies Spiel ebenso mit ihm,was allerdings dauernd geschieht.
So ist das „mehr“ und das „öfter“ seine Sucht geworden.
Mit Sicherheit gibt es aber eine Konstante in seinem Leben.
Es ist die Frau, die ihm ein schlechtes Gewissen macht wenn er
unterwegs ist und sich faszinieren lässt von diesen Augen und von jenem Mund.
Diese Frau und keine andere,ist die Mutter seines Kindes.
Sie war es,die dem Kind den Namen gabund er hat es geschehen lassen,wie er es
geschehen lässt,daß sie ihm ein schlechtes Gewissen macht.
Und er lässt es auch geschehen,daß diese,seine Schwäche, ihm süß schmeckt.
Es ist ein Mädchen,es muss ein Mädchen sein.
Der Richter hat eine Tochter,ohne Zweifel.
Ihr Name,ich kenne ihn aber ich erinnere mich nicht mehr.
Ich erinnere mich einfach nicht.
„Angeklagter,entweder sie äußern sich oder sie äußern sich nicht.
Entscheiden sie sich gefälligst! Ich rate ihnen außerdem, nicht von
meiner Tochter zu faseln.Das hier ist weder ein Jahrmarkt noch ein Kindergeburtstag,nehmen sie das endlich mal zu Kenntnis!“
Kindergeburtstag,wie vertraut das aus seinem Mund klingt.
Und mein Blick wandert hinauf zur Saaldecke,ich suche die bunten Ballons.

Jemand fremdes steht vor mir.
Wer ist das?
Wer ist das bloß?
Ein Mädchen....
Sie gehört nicht hierher,dieses Mädchen.
Sie ist wahrlich eine Schönheit,das kann ich sehen.
Vom zartweichen Kinn über die Tutanchamun Lippen und das Stupsnäschen,hin zu den großen grauen Augen und den brünetten Locken
die ihr in Fülle auf die Schultern fallen.
Ein Anblick,der ganz befangen macht.
Selbst ihr zu großer Pyjama ändert daran nichts,im Gegenteil.
„Wer bist Du und wie kommst Du hier rein?“frag ich überlaut.
„Was..was?“ stammelt sie fahrig,sie scheint vollkommen verwirrt.
„Wie heißt du zum Teufel,ich frag nicht noch einmal“ schreie ich sie an.
„Emma,ich heiße Emma,seit 17 Jahren heiße ich Emma,das weißt Du
doch.
Du machst mir furchtbar Angst.Weißt Du das?“ flüstert sie und kichert kläglich.
Emma,Emma...ich kann mich nur daran erinnern diesen Namen vergessen
zu haben.
Das bedeutet nichts,es ist ein Name wie jeder andere.
Er ist mir genauso fremd wie dieses Mädchen.
„Was erzählst du da?“ entgegne ich mit einer Ruhe die schwer,sehr schwer erzwungen ist „Bist Du betrunken,hast du was genommen,wie kommst du hier rein,wie bist du in mein Haus gekommen, verdammt nochmal?“
Es verzerrt sich nur ihr schönes Gesicht und sie reißt die Augen weit auf.Sie antwortet nicht.
Es fällt mir jetzt auf, daß sie schlecht abgeschminkt ist.Reste schwarzer Farbe kleben an ihren Wimpern und den Lidern.
Ich hasse dieses falsche Laissez faire das Frauen zu Schlampen macht
und zweifellos wird sie genau das bald sein,eine Schlampe.
Und überhaupt,wie kann man sich dieser Welt des Schmerzes,diesem sogenannten Leben so dummdreist und geil anbiedern?
Nimmt die Verblödung denn nie ein Ende oder ist sie ein Recht auf das jeder pochen darf?
„Was nun,was nun,was nun?“schreie ich in ihr Gesicht und der Schweiß bricht mir aus.
„WAS NUN?“
Da weicht sie einen halben Schritt zurück,in der Art wie es hilflose Tiere machen,plump und ruckartig und sie hält die Hände vor ihren
Mund,die Finger zittern ihr.
Und ich bemerke wie sich ihre Brustwarzen deutlich unter der Seidenjacke abzeichnen,überdeutlich.
„Mein Gott“,denke ich,“kannst Du nicht mal jetzt deine Körperfunktionen unter Kontrolle halten,nicht mal jetzt,bist du ein Vieh oder ein Mensch.“
Denken oder Schreien,es ist eins und gleich.
Da kommt ein Wispern über ihre Lippen,ganz leise,ganz sacht,
halb erstickt und doch verstehe ich es.
„Papa........“
Jetzt weiß ich genau was zu tun ist,all mein Zorn wird Gewissheit und Wille,ich bin jetzt ruhig,ganz ruhig,ganz gefasst.
„Hör mir genau zu“,sage ich „hör mir jetzt ganz aufmerksam zu.
Ich weiß wer ich bin aber ich weiß nicht wer du bist.Also erzähl mir
keinen Scheiß.
Ich zähle jetzt bis drei,hörst du,bis drei.Eins und du rennst,drei
und komme dich holen.
Also lauf....EINS!“
Und sie schluchzt laut auf und fährt herum,ihr Haar eine Gischt von
Panik.
„ZWEI!“,sie macht einen verzweifelten Sprung zur Küchentür hin,rutscht zu Boden,schreit laut auf,die Wade,der Fuß lächerlich in die Luft gestreckt,seltsam verdreht,rosa Kindersöckchen mit weißen
Pünktchen,ich muss jetzt los.
Kindersöckchen,Kinder,Geburtstag,warum erinnere ich mich jetzt
daran.
Warum?
Ich muss jetzt...
Wieso will ich nur zur Zimmerdecke sehen,was soll da sein?
„Dr.....“
-
23Uhr59.
Warum hab ich auf die Uhr geschaut?Warum hab ich das Knöpfchen für
die Beleuchtung gedrückt und auf die Uhr geschaut?
Warum hab ich mir diese Mühe gemacht?
Was interessiert mich die Zeit,was brauch ich noch eine Uhr?
Ich nehme sie von meinem Handgelenk und im hohen Bogen weg damit.
Ein letztes Glitzern noch,eine Reflektion des Mondlichtes,den
Aufschlag hör ich nicht mehr,so schnell haben sie die Wellen gefressen.
So muss es sein,kein Erinnern.
Wunderbar ist es hier.
Der Sand auf dem ich liege,durchsetzt mit Muschelschalen,
sauber und warm und reinweiß.
Das Stückchen Bugplanke,schwarz,uralt,gekrümmt wie ein Bogen,mein Schutz und Obdach.
Kein Stück einer Kogge von Krämerseelen,sag ich mir,kein Fragment eines gescheiterten Aufbruchs.
Der würdevolle Rest eines Schiffes ehrenwerter Halunken.
Solche,die sich nehmen wonach sie begehren und dafür mit nichts weniger als ihrem Leben einstehen.
Wie wunderbar rein doch die Einfachheit ist denke ich vergnügt und
drücke meinen Finger in das weiche Holz.
Ein wenig Wasser tritt aus und schwacher Modergeruch.
Wie behaglich.
Wenn nur der Fuß nicht so taub und kalt wäre aber wenigstens schmerzt er nicht mehr.
Es tut jetzt absolut nichts mehr weh.
Wer braucht überhaupt so etwas vulgäres wie Füße?
Doch nur jemand mit der Absicht zu laufen.
Ich aber will liegen,nur noch liegen,genau hier liegen.
Ich will liegen und träumen und wie das Meer sein,das alles vergisst.
Und ich beginne mit meinen Geburtstagen,meinem zweiten,dritten,vierten,fünften Geburtstag und denen die folgten.
Tage an denen sich die Beschissenheit der Dinge immer am eindrucksvollsten offenbart hatte.
Ich wollte Ballon,immer wollte ich Ballons,niemals kriegte ich Ballons.
Ballons,das sind so runde,bunte Dinger aus Gummi,mit einem besonderen Gas befüllt,leichter als Luft und wenn man den Faden der an ihnen befestigt ist loslässt dann steigen sie von ganz alleine
bis an die Zimmerdecke.
Von ganz alleine...
Runde,bunte Dinger aus Gummi,runde,bunte Dinger,bunte Dinge...
Was soll das sein...bunt?
Bunt........
-