Viele Leute verwechseln die Begriffe Minimalismus, Askese, Geiz und Armut.

Auch, wenn es bei allen in gewisser Weise um Besitz und Konsum geht, so ist ihr Charakter doch sehr unterschiedlich. Ich werde versuchen, die Unterschiede zu erklären:

Minimalismus

Minimalismus bedeutet vor allem, bewusst zu leben und selbstständig zu entscheiden, was einem wieviel Wert ist und was man braucht, um glücklich zu sein.

Minimalismus bedeutet, sich selbst zu erforschen, seine eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Ziele klarer zu sehen und danach zu handeln.

Es ist eine Philosophie. In dieser Philosophie bricht man aus aus den Fesseln der profitorientierten, gnadenlosen Konsumgesellschaft, die einem vermittelt, nur materieller Besitz und Konsum würden glücklich machen.

Nur das neueste Handy mit allen Schikanen, nur die neuesten, schicksten Markenklamotten, der Plasma-Fernseher mit HD und 3D, das große Auto (oder am besten mehrere, nagelneu), ein großes Haus, der Managerposten in einer bedeutenden Firma, auf dem man erfolgreich Entscheidungen trifft und dafür ordentlich Kohle einfährt, während man lässig auch die härtesten Aufgaben bewältigt - dies, so vermitteln Werbung und kapitalistische, konsumorientierte Philosophie, ist der alleinige Weg zum Glück, das perfekte Lebensmodell.

Im Minimalismus ist es nun keineswegs so, dass man allem entsagen soll, was einem Spaß macht und Glück bedeutet.

Sondern man stellt sich im Minimalismus vielmehr bewusst die Frage:

Was macht mich tatsächlich glücklich?
Was brauche ich dafür?
Was ist mein Lebensmodell?



Wenn jemand tatsächlich glücklich ist mit seiner gut bezahlten Arbeit oder seinem leistungsstarken, schnittigen Auto, ist das durchaus in Ordnung.

Falls es für ihn das wichtigste ist, wie früher für die Dandies, immer hervorragend gekleidet zu sein, widerspricht das keineswegs der Philosophie des Minimalismus.

Sehr wohl tut es das jedoch, wenn der Konsum und das kapitalistische, konsum- und materiell gewinnorientierte Lebensmodell einem in seinem Innersten nicht wirklich zusagt.

Warum kaufen wir immer wieder und wieder neue Dinge und versuchen, möglichst viel zu konsumieren, vor allem teure Dienstleistungen und Produkte?

Ist das ein Zeichen von Glück, nie zufrieden zu sein?

Oder ist es nicht vielmehr der Versuch, durch kurzzeitige Glücksgefühle des neuen Besitzes das Gefühl zu verdecken, dass eigentlich etwas fehlt?

Und kann man in einem solchen Gefühl überhaupt genießen, was man besitzt und konsumiert?

Im Minimalismus umgibt man sich bewusst mit Dingen, die einem wirklich wichtig sind und man tut, was einem wirklich wichtig ist. Aus freiem Willen entscheidet man und lernt sich selbst besser kennen.

Es geht nicht darum, mit möglichst wenig auszukommen, sondern das zu haben, was man braucht, um glücklich zu sein. Unverdeckt von allerhand anderem Kram, wahrhaftiger. Man erlangt einen klareren Geist und eine höhere Lebensqualität, ohne den Stress, dauernd zu wenig zu besitzen, zu wenig zu leisten, dauernd zu konsumieren.

Minimalismus ist eine Philosophie der Freiheit.

Henry David Thoreau schrieb einmal (sinnhaft, kein wörtliches Zitat):

Die Menschen arbeiten hart und sparen und beschränken sich,
um sich irgendwann etwas großes leisten zu können.
Eine große Reise etwa. Und wenn sie dann genug gesammelt haben,
sind sie so alt und ängstlich und gestresst geworden, dass sie den Lohn
nicht mehr genießen können und das Leben verpasst haben.



Im Minimalismus geht man in die andere Richtung.

Askese

Die Askese besitzt durchaus Ähnlichkeit mit Minimalismus, doch ist sie diesem nicht gleich.

Ich würde den Unterschied darin setzen, dass man in der Askese Selbstbeschränkung übt aus einem philosophischen oder religiösen Grunde.

Normalerweise ist es ein Kennzeichen der Askese, mit möglichst wenig auszukommen oder sich eines bestimmten Gutes, einer bestimmten Handlung zu enthalten.

Etwa mit der Absicht, ein höheres, geistiges Level zu erreichen, Erleuchtung, Gott zu ehren, Vorbild zu sein für andere Menschen, für ihre Sünden stellvertretend zu büßen - die Gründe für Askese können vielfältig sein.

Doch haben sie meiner Beobachtung nach immer die Komponente der Freiwilligkeit ebenso, die die Komponente eines philosophischen oder religiösen Hintergrundes.

Es ist ein Verzicht, der sehr stark von der Kräftigung und der Übung des Geistes geprägt ist.

Geiz

Geiz ist eine Lebenseinstellung, eine Philosophie. Und wohl eine der freudlosesten, hässlichsten Philosophien. Denn Geiz ist durch ein absichtliches Leben in Armut gezeichnet, um entweder grundlos zu sparen, wo man nur kann oder mit einem Ziel, dass nie oder nur sehr spät erreicht werden kann. Ob dies dann auch ein Genuss ist, ist mehr als fraglich.

Geiz ist geprägt vor allem von geistiger und emotionaler Armut. Davon, sich und anderen Menschen nichts zu gönnen, es ist eine traurige, saure, bittere Existenz, die den wahren Genuss des Lebens verhindert. Selbst arme Menschen haben mehr vom Sein, als geizige.

Armut

Armut ist keine Philosophie, sondern ein Zustand und zwar ein erzwungener. Freiwillige Armut dagegen ist Askese.

Armut kann durchaus sehr unangenehm und belastend und materieller wie geistiger Natur sein. Obwohl auch die materielle Armut schlimm ist, sie zeichnet sich dadurch aus, dass man zu wenig besitzt, um glücklich zu leben, so sehe ich persönlich die geistige und emotionale Armut noch als weitaus schlimmer an.

Denn aus der geistigen Armut entspringen Hass, emotionale Kälte, Verachtung, Rassismus und zahlreiche andere, negative Eigenschaften, die sowohl uns Menschen selbst als auch die Gesellschaft insgesamt schädigen und Leid verbreiten.

Zudem bewirkt die geistige Armut die materielle Armut, führt sie doch beispielsweise zu der Einstellung, nur auf sich selbst zu sehen und dem Egoismus zu fröhnen.

Materielle Armut kann relativ einfach behoben werden, geistige dagegen zu beheben ist langwierig und schwierig.

Doch der Lohn ist groß, für den einzelnen und für die Gesellschaft insgesamt!