Die marokkanische Zahnärztin bei Dr. Möller meinte, er solle heute keinen Rotwein trinken, da dies auf die gerade steingereinigten Zähne abfärben würde. Auch Tomaten sollten tabu sein. Zwei Stunden hatte er auf dem Stuhl verbracht und waren seine empfindlichen Zähne arg strapaziert, als er vor dem Weinregal stand und sich einen Chardonnay griff. Ein paar Weißbier durften auch noch die Reise mit nach Hause antreten. Sah gut aus, als er sich das Ergebnis im Spiegel betrachtete. Die Marokkanerin zeigte ihm zwar auch seinen arg von Karies angegriffenen rechten Schneidezahn von innen, jedoch war er sich sicher, dass er auch alle weiteren Eingriffe, ohne große Schwierigkeiten, über sich ergehen lassen würde.

Vor einigen Jahren hatte er noch oft Alkohol in sich geschüttet und war der Griff in das Weinregal nun auch nur deshalb von starkem Willen geprägt, da sein Wiesendealer sich schon über 5 Wochen rar gemacht hatte. Ein wenig Benebelung wollte er aber doch mal wieder haben.

Sie sollten ihm doch alle den Buckel runterrutschen. Das Fratzenbuch war wie fast immer auf Immer-On gestellt und gerade war er noch vollster Zuversicht, als ihm irgendetwas sehr quer über sein Gemüt rutschte. Diesmal war daher er es, der ordentlich vom Leder zog. Er braucht das auch, um sich abzureagieren, denn waren seine letzten Jahre ja auch nicht gerade leicht. Sein Kumpel aus dem All hatte ihm leider nie die genaue Wahrheit verraten, inwiefern es sich um seine Angebetete bestellte.

Als er am nächsten Morgen erwachte, wünschte er sich, dass alles einfach nur ein großer Haufen Käse sei, mit welchem ihm der Graupaul in Sachen seiner Pieze unterrichtete. Das Wort "unterrichtet", in diesem Zusammenhang zu benutzen, ist eigentlich falsch, da er schon oft genug darüber halt nie ganz korrekt in Kenntnis versetzt worden war. Es kam ihm daher doch auch wieder der Gedanke, dass es eben nicht jene Frau sein sollte, auf welche er so lange hoffte. Vielleicht, so dachte er auch an diesem Morgen wieder, war es doch nicht sie. Es würde wenn, so dachte er auch dies, keine sein können und er könne sich eine andere liebe Maus völlig frei wählen. Es gab doch tatsächlich auch sehr viele liebe Mäuse. Wenn sie, diese eine, das wüsste, so dachte er sich, wäre sie sicher enttäuscht, aber sei es ja auch doch eine wundervolle Vorstellung, jemanden an seiner Seite zu wissen, welcher über alle Maßen gut zu einem passen würde, und genau das hatte ihm der Gräuling nicht nur fest versprochen, sondern auch sehr nahe ans Herz gelegt. Also stand daher sein Wille auch felsenfest fest. Es konnte und sollte daher auch nur sie sein, und keine andere!

Die Zeilen im Geist des Alkoholkopfes waren geschrieben und was einmal geschrieben war, sollte auch so stehen gelassen werden. Dies hatte er aus den jahrelangen Begegnungen mit Graupapagei auch gelernt. Authentizität war wichtig und auch nicht zu unterschätzen, im Plan der Unternehmung.

Ein Tag Pause war dann aber doch in seinem Kurzstreikprogramm genehmigt. Sie werden schon noch den fetten Faustschlag verspüren, so wusste er, und seine Schildkröte wartete mit gierigem Schnabel auf die nächste Heuschrecke. Es war wie immer ein Festmahl für die kleine süßenergische Schnapperin.

Seine Schwester besuchte ihn an diesem Morgen auch wieder. Sie brachte ein lila Vermerk-Büchlein als Schwesterngeschenk und einen Text über den Vietnamkrieg mit, welchen sie bei einer Vorlesung in der Stadt erhalten hatte. "Das amerikanische Trauma" war die Überschrift, und zeigte Graumann mit seinem Finger sehr energisch auf diesen Text, damit Kater ihn auch lesen würde. Das sollte wichtig sein!