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Die beiden Pariser Freunde Jacques Lavaret und Jonathan Savournon reisen auf Umwegen (sie warten über zwei Wochen in Bordeaux auf eine Überfahrt und haben dann mehr oder weniger nur mehr eine Woche Zeit für ihr Reisezeil) nach England und Südschottland.

Jacques ist ein Fan von Walter Scott und freut sich wie ein Kind auf den Weihnachtsmann, Schottland bereisen zu dürfen.

Das Buch ist eine Mischung aus Roadmovie, literarischem Selfie und Reiseliteratur, Grundlage ist eine Schottlandreise, die Verne selbst mit einem Freund unternommen hat, und er lässt keine Gelegenheit aus, Touristen bzw. Jacques (sein fremdsprachenilliterates alter ego) aufs Korn zu nehmen.

Dennoch blitzen in diesem 1859 geschriebenen Buch, das nie zu Lebzeiten Vernes von einem Verlag angenommen wurde, bereits Vernes Talente auf: exakte Beschreibungen und brillianter Witz wie (Selbst-)Ironie.

Die Zweispältigkeit, einerseits Tourismus als oberflächliches Reisen zu brandmarken, andererseits als Bereicherung zu sehen, zeigt sich auch in den Schlusssätzen:
Sie haben alles gestreift, aber in Wahrheit haben sie nichts gesehen!

Erst jetzt, nach ihrer Rückkehr, wird ihre wirkliche Wanderfahrt beginnen, denn fortan wird die Phantasie ihr Leitstern sein, und reisen werden sie in ihrer Erinnerung.
Sehr ansprechend fand ich die Selfie-Teile (die Befindlichkeiten der beiden während der Reise) wie auch die Beobachtungen, die über die historisierenden Betrachtungen von Landschaften, Gebäuden, Museen hinausgehen: die glühenden Lichter der Steinkohlestadt Newcastle bei Nacht oder die stinkende Kloake Themsemündung (wurde ja 1858 mit dem "Great Stink" berühmtberüchtigt: Wikipedia: Der Große Gestank ).

Nicht mehr ganz politisch korrekt formuliert ist das immer noch aktuelle Touristen-Credo von Jacques, in kürzester Zeit möglichst Vieles sehen zu "müssen":
Das ist unser letzter Tag! Marsch! Marsch! Wir sind die ewigen Juden des Tourismus, von nun an geht es nicht mehr ums Vergnügen, sondern um die Pflicht! Unaufhörlich sehen, noch mehr sehen, immer nur sehen, so lautet unser Wahlspruch!
Sicher nicht Vernes großartigster Roman, aber immer noch unterhaltsam genug.