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Nun ist die Siebenbürgen-Trilogie des ungarischen Schriftstellers und Politikers Miklós Bánffy auch ins Deutsche übersetzt. Alleine dieser erste Teil (veröffentlicht 1935) umfasst in der E-Book-Ausgabe beinahe 1000 Seiten.

Handlungszeitraum ist die politische Krisenzeit von Herbst 1904 bis Sommer 1906, als die Regierung mit der ein Vierteljahrundert regierenden liberalen Partei zerbrach und nationalistische Tendenzen immer stärker die Öffentlichkeit prägten: eigenes Militär, ungarische Befehlssprache, eine ungarische Zollunion und eine eigene Zentralbank waren die Hauptthemen.

Gespiegelt wird die ungarische Gesellschaft, besser Adelsgesellschaft anhand zweier junger Vertreter des untergehenden alten Adels: einer (Bálint Abády) freier Abgeordneter im Parlament und offen für neue Wirtschaftsformen (Genossenschaften) auf seinen Gütern, der andere (László Gyeröffy) Vollwaise und Spieler.

Über lange Strecken zeigt der Roman eine im Zerfall befindliche und nur nach Festen, Liebesabenteuern und Spiel strebende männliche ungarische Adelsgesellschaft, die jedoch immer noch das politische und wirtschaftliche Sagen hatte.

Wie Wetterleuchten am Horizont bricht die Außenwelt in diese Gesellschaft ein: emanzipatorisch denkende Frauen (erinnert an Fontane), eine auf eigenen Vorteil bedachte Dorfbevölkerung (Bauern, Verwalter, Priester, Notare), der ungarisch-rumänische Konflikt, Arbeiterdemonstrationen, verunsicherte Monarchen in Wien (Kaiser wie Thronfolger Franz Ferdinand).

Bánffy selbst stammte aus Klausenburg, war politisch tätig (Außenminister Ungarns 1921/22), sein Vater förderte das Genossenschaftswesen, Bánffy selbst trat für die ungarisch-rumänische Annäherung ein, versuchte in Geheimverhandlungen mit Rumänien Ungarn 1944 aus den Achsenmächten herauszubrechen.

Auch war er künstlerisch tätig (Komponist, Schriftsteller, Maler, Leiter der Budaperster Oper und des Budapester Nationaltheaters von 1912-1918) sowie Förderer des Komponisten Béla Bartók.

1916 war er für die künstlerische Gestaltung der Krönungsfeier Kaiser Karls zuständig, und für den Teil des Ritterschlags ließ er Kriegsinvalide in grauer Weltkriegsuniform als Ritter fungieren. Seine Art auszudrücken, dass er den Krieg ablehnte.

Seine Besitzung (das Schloss in Bonchida, sprich: "Bonts-Hida") nördlich von Klausenburg wurde wegen seiner politischen Tätigkeit von der SS 1944 niedergebrannt.

Ab 1945 lebte er wieder in Rumänien, nahm die rumänische Staatsbürgerschaft an, wurde aber nach der kommunistischen Machtübernahme marginalisiert, verarmte und übersiedelte schwerkrank nach Budapest, wo er 1950 in einem Krankenhaus starb.

Definitiv ein Werk von welthistorischem Rang, das in den letzten Jahren international wiederentdeckt wurde. Zu empfehlen allerdings eher Lesern, die mit sehr langen Texten aber auch mit der ungarischen Geschichte etwas vertraut sind.

Das Buch ist mit einem sehr informativen Nachwort über den Autor und einem politisch-historischen Glossar versehen.

Der Titel der deutschen Übersetzung wurde aus diesem, dem Roman vorangestellten Gedicht entlehnt:
… Im Königsschloss schmausten sie üppig,
tanzten und tranken viel Wein. Und
ein jeder pries seine aus Gold, Silber,
Kupfer, Stein, Holz oder Lehm
geschaffenen Götter, und sie verspotteten
einander oder stritten ihretwegen.

In gleicher Stunde erschienen an der
Palastmauer die Finger einer feurigen
Menschenhand und begannen an die
Steine zu schreiben. Sie malten die
Zeichen der Schrift langsam, bis endlich
dort die Worte glänzten: Du wurdest
gewogen …

Die Schrift aber erblickte keiner, da sie
berauscht waren vom Wein und vom Zorn
und da sie stritten wegen ihrer aus Gold,
Silber, Kupfer, Stein, Holz oder Lehm
geschaffenen Götter …
Das Schloss in Bonchida (1890) ...

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... und heute:

640px-BonC89Bida BC3A1nffy Castle 11


Einige Links im Spoiler

Der Autor:
Wikipedia: Miklós Bánffy
http://www.hunlit.hu/banffymiklos,en (Englisch)

Verlagsinfo:
http://www.hanser-literaturverlage.de/buch/die-schrift-in-flammen/978-3-552-05559-9/

Rezensionen:
http://www.zeit.de/2012/34/Miklos-Banffy-Schrift-in-Flammen
http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/literatur/autoren/445322_Die-Zauberkraft-der-Literatur.html (Archiv-Version vom 31.10.2012)
http://www.nzz.ch/das-schicksal-siebenbuergens-1.16102770
http://www.ungarische-literatur.eu/?p=2800
http://derstandard.at/1392685907631/Spinnennetz-der-Geschichte
http://oe1.orf.at/artikel/310300
http://www.deutschlandfunk.de/abgesang-auf-die-aristokratie.700.de.html?dram:article_id=206942
http://www.glanzundelend.de/Artikel/abc/b/banffy.htm