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Günther Lindemann
Mit Heißluft und Brechstangen


(Eisenhüttenstadt)
Im Juni 1953 wohnte ich in Frankfurt/Oder und arbeitete seit zwei Jahren am Hochofen im EKO, wo ich auch später ununterbrochen als Schmelzer, Möllerwagenfahrer usw. tätig war, bis ich 1990 im Alter von 65 Jahren in Rente ging.

Infolge der Beschlüsse zur Normenerhöhung und anderer fehlerhafter Regierungsmaßnahmen war die Stimmung am Hochofen nicht besonders gut. Es hieß, der Staat habe kein Geld. Doch auf solche Art und Weise konnte man die Probleme nach unserer Meinung nicht lösen. Als am 17. Juni die Bauarbeiter auch im EKO zu streiken anfingen, waren wir dennoch entschlossen, die Vernichtung unseres Hochofens nicht zuzulassen. In diesen modernen Anlagen steckten Milliarden. Sie waren unter ungeheuren Anstrengungen und mit Hilfe der Sowjetunion errichtet worden, um die Roheisenversorgung der DDR zu verbessern. Doch vor allem hatte jeder von uns hier Arbeit und Brot gefunden. Eine Unterbrechung des Produktionsablaufs bedeutete das Aus für die Anlagen. Sie hätten danach abgerissen werden müssen, und damit wären auch unsere Arbeitsplätze vernichtet worden. Deshalb schworen wir uns, im Notfall die Klappen aufzumachen und alle Störenfriede mit Heißluft zu empfangen. Danach wartete unsere Spätschicht mit Brechstangen am Ofen. Als dann die Bauarbeiter von der Demonstration aus Fürstenberg zurückkamen, wurden wir beschimpft. Man drohte sogar uns aufzuhängen, wenn wir weiterarbeiteten. Doch wir hielten durch, gaben unseren Ofen nicht preis und führten wie jeden Tag unsere Abstiche durch.

Die Heimfahrt konnten wir allerdings erst am nächsten Tag antreten. Während die Züge nach Guben planmäßig verkehrten, fiel unser Spätschichtzug nach Frankfurt aus. Da blieben wir gleich ganz da und liefen mit der Volkspolizei Streife, um den Betrieb zu schützen.

Nach diesen Ereignissen war es für mich als Genosse selbstverständlich, daß ich den neu geschaffenen Kampfgruppen beitrat, um das von uns Geschaffene notfalls mit der Waffe zu verteidigen. Dies war unerläßlich, und ich bereue es bis heute nicht. Denn unsere Gegner versuchten nicht nur einmal, auch im EKO Schaden anzurichten, beispielsweise durch Brandstiftungen. Überhaupt wurde viel vom Westen hereingetragen - durch Agententätigkeit und sonstige Beeinflussung. Das gilt besonders für die Juniereignisse 1953.

Aus heutiger Sicht möchte ich sagen, daß ich von den vierzig Jahren auf dem Hochofen und in der DDR keine Stunde missen möchte. Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen, sondern ehrlich gearbeitet und versucht, etwas Gutes für die Menschen unseres Landes zu erreichen.
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