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Klaus-Olof Güttel:
Besonnene Hochöfner


(Eisenhüttenstadt)
Aus dem EKO sind mir keine besonders dramatischen Ereignisse erinnerlich. Ich war zu dieser Zeit in der Arbeitsdirektion tätig. Natürlich machten auch wir uns Gedanken darüber, welche Schlußfolgerungen aus den Beschlüssen des Ministerrates der DDR vom 11. Juni 1953 zu ziehen waren. Die Erarbeitung technisch begründeter Arbeitsnormen für die an den Hochöfen sowie der Sinteranlage Beschäftigten steckte damals noch in den Anfängen. Nicht nur wir, sondern auch andere Betriebe hatten auf diesem Gebiet erst wenig Erfahrungen. Oft wurden erzielte Höchstleistungen einfach als verbindliche Arbeitsnormen festgelegt. Das rief natürlich den Protest der Arbeiter hervor. Für zusätzlichen Zündstoff sorgten dann die Abschaffung der Zuzahlung für Arbeiterwochenkarten sowie weitere Regierungsmaßnahmen, die das Lebensniveau der Werktätigen verschlechterten.

Bei den Beschäftigten des EKO spielten diese Probleme nur eine untergeordnete Rolle. Auf der Baustelle waren jedoch viele sogenannte Fremdbetriebe tätig, z. B. Bergmann-Borsig Berlin, bei denen es zu Arbeitsniederlegungen kam. Darüber hinaus versuchten einige der dort Beschäftigten, auch im EKO selbst Unruhe zu stiften. Dies gelang ihnen aber kaum. Natürlich lag dies auch daran, daß die Versorgungsprobleme bei uns geringer waren als anderswo. Wegen der volkswirtschaftlichen Bedeutung des EKO erhielten die Betriebsangehörigen Sonderzuteilungen von Industriewaren sowie hohe Lebensmittelkarten.

Im Bereich der Sinteranlage waren die Bauarbeiter der Fremdbetriebe besonders aktiv und organisierten einen Demonstrationszug von nach Fürstenberg. Bis zur Hauptstraße war es etwa ein knapper Kilometer, so daß sich das Ganze etwas in die Lange zog. Auch einige Genossen aus dem EKO hatten sich eingereiht und versuchten eine sachliche Diskussion zu fuhren. Da sie von Demonstranten bedroht wurden, mußten sie diese Absicht allerdings bald aufgeben. Danach bewegte sich der Zug unter Diskussion und Geschimpfe zur SED-Kreisleitung Fürstenberg am Fürstenberger Marktplatz. Hier drangen Demonstranten in das Gebäude ein und demolierten die Büros. Später erschienen zwei oder drei sowjetische Militärfahrzeuge. Die Soldaten schössen in die Luft, und durch die Volkspolizei wurde in Zusammenarbeit mit den sowjetischen Soldaten die Ordnung wiederhergestellt.

Dagegen herrschte in den Produktionsanlagen und Werkstätten des EKO relative Ruhe. Es gab zwar Diskussionen, aber keine offiziellen Arbeitsniederlegungen. Generell bestand die Meinung, daß man einen laufenden Hochofen nicht anhalten kann und auch nicht von einer derartigen Anlage weggeht, da sonst größere Katastrophen unvermeidlich sind. Nachmittags erschien dann noch ein gepanzertes Militärfahrzeug, fuhr aber nicht in das Werk, sondern nach Fürstenberg. Dort zerstreute sich die Menge danach.


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