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Der 1935 geschriebene Roman der Wiener Schriftstellerin Maria Lazar wurde vor kurzem neu auferlegt und schildert ein gesellschaftliches Panoptikum einer fiktiven oberösterreichischen Kleinstadt im Jahre 1933.

Besonders hervorgehoben wird die Kluft zwischen den sog. "Eingeborenen" und den nicht "Eingeboreren" (jüdische Familien, Sozialdemokraten, Kommunisten).

Der Ort ist von der Wirtschaftskrise stark betroffen, Wunderglaube, Antisemitismus, klerikalfaschistische und nationalsozialistische Demagogien sowie Hoffnung auf einen messianischen Retter fassen immer mehr Fuß im Denken der Einwohner.

Fenster des jüdischen Arztes werden eingeschlagen, eine Konservenfabrik wird abgefackelt, weil die Frau des Eigentümers angeblich Halbjüdin ist. Beides von jungen NS-Anhängern verübt, beides den Kommunisten angehängt. Ein Bettler wird fast erstochen und schwer verletzt des Ortes verwiesen.

Die wenigen, die noch etwas Geld haben, verzocken ihre letzten Habschaften bei Projekten eines Wunderheilers bzw. eines Scharlatans, der von den großartigen Chancen der Nutzung der Ur- und Raumkraft schwärmt. Der Traum, eine Madonna im Stift des Ortes als Wundermadonna touristisch zu vermarkten, bleibt auch nur Traum.

Die Stimmung zwischen den Menschen ist aggressiv und der Tratsch ist boshaft. Die einzigen, die sich dieser immer vergifteteren Stimmung entgegensetzen, sind Haushälterinnen, die selbst jedoch wenig Einfluss auf den Gang der Gesellschaft haben.
"Heil!"
"Jetzt leckst mich aber!"
Die Aussicht ist düster. Der alte jüdische Rechtsanwalt mahnt seine Kinder, ins Exil zu gehen, da eine Zeit der "Räuber und Mörder" anbrechen wird. Der sozialdemokratische Arzt, der regelmäßig zu seiner Geliebten nach Wien fährt, geht am Ende in einem Zug verloren (vermutlich aus einer Tür gestürzt) ... was für ein Sinnbild für die ohnmächtige, in Wien jedoch noch die Stadt regierende Sozialdemokratie!

Beklemmend ist dieser eigentlich satirisch und witzig geschriebene Roman vor dem Hintergrund der Ereignisse, die Lazar 1935 noch nicht kennen konnte, höchstens erahnen.

Anerkennung gebühren dem Wiener Universitätsprofessor Johann Sonnleitner sowie dem Verlag Das vergessene Buch, dass dieser Roman wieder herausgegeben wurde.

Infolinks im Spoiler

Die Autorin:
http://www.biographien.ac.at/oebl/oebl_L/Lazar_Maria_1895_1948.xml?frames=yes
Wikipedia: Maria Lazar

Verlagsinfo:
http://dvb-verlag.at/book/die-eingeborenen-von-maria-blut/
http://www.profil.at/kultur/albert-c-eibl-welche-romane-duerfen-wir-vergessen-5761125

Besprechungen:
http://oe1.orf.at/artikel/416463
http://www.nzz.ch/feuilleton/buecher/nazidaemmerung-in-oesterreichs-provinz-1.18659081
https://cms.falter.at/falter/rezensionen/buecher/?issue_id=606&item_id=9783200039506