pilgerjahre

So richtig schlau werde ich aus diesem Roman nicht.

Tsukuru Tazaki ist zu seiner Gymnasialzeit als Teil einer Oberschichtsschülergruppe eng verbandelt mit zwei Mädchen und zwei Jungen, die sich als enge Freunde sehen und alles gemeinsam machen. Band ist wohltätiges Handeln in einem katholischen Kinderhilfswerk.

Tsukuru geht als einziger nach Abschluss des Gymnasiums aus Nagoya weg und studiert in Tokio sein Wunschfach Bahnhofsarchitektur. Die anderen vier bleiben im Heimatort.

Nach einem Jahr wird er aus der Freundschaftsgruppe verstoßen, ohne den Grund zu erfahren. Dies stürzt ihn in eine Sinnkrise, aus der er schwer herauskommt, und sechzehn Jahre danach lebt er - nun als Bahnhofsarchitekt - immer noch als Single in einer Zweizimmerwohnung, in der er auch nach Jahren von feuchten Träumen heimgesucht wird, in denen die beiden Mädchen (Yuzuki und Eni) die Rolle der Fantasie-Sexobjekte spielen.

Eine neue Sexualpartnerin, von der er sich eine Beziehungszukunft erhofft, ermutigt ihn, seine alten Freunde aufzusuchen, was er schließlich unternimmt. So erfährt er, dass Yuzuki ihm vorgeworfen habe, sie vergewaltigt und geschwängert zu haben. Niemand habe das wirklich geglaubt, aber Yuzuki sei schwer depressiv gewesen und wirklich vergewaltigt und geschwängert worden. Als Musiklehrerin sei sie schließlich in einem kleinen Ort in ihrer Wohnung erwürgt worden.

Tsukuru sucht Eni in Finnland bei ihrem Ehemann auf, die ihm eingesteht, ihn geliebt zu haben, aber den Ausstoß aus der Gruppe forciert zu haben, um Yuzuki zu retten. Sie verabschieden sich als Freunde.

Ob aus der Beziehung zu der neuen Freundin was wird, wissen wir nicht. Er hat sie vor Abflug nach Helsinki Händchen haltend mit einem älteren Herrn gesehen, verabredet mit ihr nach Rückkehr ein Treffen, doch der Roman endet am Tag zuvor in seiner Wohnung, wo er Whisky trinkend den Abend verbringt.

Motive werden permanent aufgegriffen und wieder in die Mülltonne geschmissen: ein Jekyll/Hyde-Doppeldasein wird mehrfach angesprochen, manifestiert sich jedoch nicht, dazu kommen noch homosexuelle Anspielungen (zum Beispiel mit einem Schwimmpartner). Das letzte Viertel ist eigentlich nur noch larmoyant und kitschig. Das Wortspiel mit "farblos" (die anderen vier hatten eine Farbe in ihren Namen) greift nicht mehr.

Irgendwie scheint Murkami sich nicht zu entscheiden können, was er schreiben will. Einen Thriller? Ein Psychodrama über die Tiefen der Seele? Was rausgekommen ist, endet bei der Darstellung eines beruflich gesetzten, aber geistig und seelisch sehr leeren Mannes mittleren Alters.

Nicht unbedingt eine dringende Leseempfehlung, obwohl Murakami gut schreiben kann und die erste Hälfte des Romans sehr gut entwickelt ist, aber dann zerfällt alles in Langeweile, eine seelische Tiefenauslotung findet nicht statt. Vergewaltigung und Mord ist nur Beiwerk. Zu platt, immer an der Grenze zum Kitsch. 

Sehr uneinige Rezensionen im Spoiler

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/buecher-der-woche/romane-der-woche/haruki-murakami-die-pilgerjahre-des-farblosen-herrn-tazaki-murakamis-magische-masche-12744434.html (begeistert)

http://www.sueddeutsche.de/kultur/neuer-roman-von-haruki-murakami-harmonie-ist-nicht-alles-1.1860394 (positiv)

http://www.spiegel.de/kultur/literatur/haruki-murakami-die-pilgerjahre-des-farblosen-herrn-tazaki-a-942398.html (begeistert)

https://www.profil.at/gesellschaft/haruki-murakami-die-pilgerjahre-herrn-tazaki-372248 (Verriss)

http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/literatur/buecher_aktuell/600811_Von-Schmerz-zu-Schmerz.html (Archiv-Version vom 05.02.2018) (hält den Roman für lau ... wie auch ich)

http://www.tagesspiegel.de/kultur/haruki-murakamis-neuer-roman-der-sechste-finger/9311844.html (positiv)

https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article123514445/Die-Gespraeche-sind-gut-der-Sex-ist-schoen.html (positiv)

http://www.taz.de/!5049425/ (Verriss)