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Cobb ist Orientalist und Institutsleiter für soziale und kulturelle Geschichte der vormodernen islamischen Welt an der Universität Pennsylvania.

In diesem von der Oxford University Press 2015 herausgegebenen Buch schreibt er eine Geschichte über die Kreuzzüge  auf Basis islamischer Quellen.

Über weite Teile des Buches wird eine sehr konventionelle Geschichte präsentiert: sehr viele Details, die den Autor als Kenner ausweisen, aber den Leser nicht nur verwirren, sondern erschlagen, da der rote Faden verloren geht.

Kernerkenntnisse aus dem Buch sind für mich:

1.
Die islamischen Quellen sehen die Kreuzzüge nicht wie die westlichen als eine zeitlich klar umgrenzte Ereigniskette von 1095 (Kreuzzugsaufruf von Papst Urban II.) bis 1291 (Verlust von Akkon an die Mamluken), sondern eingebettet in christliche Eroberungen in Spanien, Sizilien und dem Nahen Osten.

2.
Die islamische Welt ist kein einheitlicher Block, sondern über die Scheidung zwischen Schiiten (vor allem die Fatimiden als Herrscherminderheit in Ägypten) und Sunniten hinaus geprägt von zum Teil sehr erfolgreichen Warlords.

3.
Diese gedeihen vor allem in dem gegenüber dem Schiitsmus weniger zentralisierten Sunnismus, der durch die Ulema-Struktur individuelle Glaubensauslegungen ermöglicht, die mittels militärischem Nachdruck gegenüber Widerstreitern wie auch der Bevölkerung durchgesetzt werden können.

4.
Der Kampf zwischen verschiedenen muslimischen Warlords ist oft brutaler als der Dschihad gegen die Kreuzritter. Beispiel ist Saldadin, der zwar 1187 Jerusalem für die muslimische Welt zurückerobern kann, aber im Anschluss in Verträgen einen modus vivendi mit den Christen findet (Lessing mit Nathan der Weise hat ihm ja ein literarisches Denkmal gesetzt). Seine Kriegszüge gegen muslimische Widersacher vor 1187 sind weitaus brutaler geführt.

5.
Trotz der kriegerischen Auseinandersetzungen gab es sowohl unter christlicher wie auch unter muslimischer Herrschaft im 12. Jahrhundert wirtschaftliche Beziehungen, die für beide Seiten sehr profitabel waren.

6.
Interessant auch, dass die gerühmte kulturelle und wissenschaftliche christlich-muslimische Brücke auf Sizilien nicht während der muslimischen Herrschaft im 11. Jahrhundert stattfand, sondern im 12. Jahrhundert unter normannischer Herrschaft.


Das Buch endet mit einem Ausblick auf die osmanischen Eroberungen, welche die Frontlinien innerhalb der muslimischen Welt als auch zwischen der muslimischen und christlichen Welt verschoben, sowie mit dem Ende von al-Andalusia auf der pyrenäischen Halbinsel im Jahr 1492.

Infos und Leseprobe im Spoiler

Autor:
http://www.sas.upenn.edu/nelc/people/facultyProfiles.html#cobb (Archiv-Version vom 03.06.2017) (Autor)

Leseprobe (1. Kapitel):
http://features.thesundaytimes.co.uk/public/books/pdf-reader/reader/web/?file=1407301343_paul-m-cobb_race-to-paradise.pdf

Rezensionen:
https://networks.h-net.org/node/12840/reviews/107609/king-cobb-race-paradise-islamic-history-crusades
https://scholarworks.iu.edu/journals/index.php/tmr/article/view/20760/26783
https://www.academia.edu/29596852/Review_of_Paul_M._Cobb_The_Race_for_Paradise_An_Islamic_History_of_the_Crusades._