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Die Ich-Erzählerin, eine Anfang der 1990er Jahre nach Österreich geflüchtete, mit einem Österreicher verheiratete Kroatin, schreibt über ihre auf einer Insel bei Split lebende alternde Großmutter, die schließlich in einem jüdischen Altersheim in Zagreb ihren Lebensabend verbringt.

Nana, die Großmutter, ist eine resolute, dauerrauchende Frau, die während des Zweiten Weltkriegs als Partisanin kämpfte, ihren Genossen Bebe heiratete, seit seinem Tod allein lebt und Zimmer in ihrem Inselhaus an Touristen vermietet.

Hauptaspekt ist, dass die Grundwerte von Großmutter und Erzählerin sich völlig unterscheiden. Nana lebt sehr sparsam, alle Speisen müssen aufgegessen werden, auch wenn sie schon verdorben sind, an Energie wird gespart (Strom und Wasser), ihre eigene Gesundheit ist ihr auch nach einer Bypass-Operation völlig egal, sie sieht das Leben optimistisch in dem Sinne, dass sie nur ihre eigenen oft spruchhaften Lebensweisheiten gelten lässt.

Ihrer Enkelin wirft sie mehr als einmal vor, jetzt mit einem "Ibermenschen" in "Esterraich" verheiratet zu sein. Für sie sind Österreicher immer noch Deutsche und Nazis.

Anna Baar dürfte mit diesem Roman das Ziel gehabt haben, sich von ihrer eigenen Vergangenheit freizuschreiben. Auch sie ist Kroatin, die nach Österreich gezogen ist. Ihre Sprache ist sehr wortschatzreich, oft fast nervig blumenhaft. Erst im zweiten Teil befreit sie sich von immer wiederkehrenden Platitüden und die Charaktere kommen einem etwas näher, vor allem auch durch die Kriegsschilderungen Nanas, die sehr eindringlich sind.

Über die Partisanensicht der Großmutter wird jedoch selten hinweggeschritten, nur tröpfchenweise wird man als Leser mit dem Jugoslawienkrieg der 90er konfrontiert. Das mehrfache Nachfragen nach "Bleiburg" (dem Massaker der jugoslawischen Partisanen an Ustascha-Faschisten, Tschetniks, Mitgliedern der slowenischen Heimwehr sowie regulären kroatischen Soldaten) bleibt von Nana unbeantwortet.

Die dezitierteste Haltung zu der Staatenbildung Anfang der 90er Jahre ist die Erwähnung, dass am Slawistikinstitut in Wien die Erzählerin sich zwischen Kroatisch und Serbisch hat entscheiden müssen, als die Sprachen getrennt wurden. Auch hat sie in Kroatien Probleme, als Wörter aus dem Serbokroatischen für veraltet und fremd gesehen werden.

Das Thema ist interessant, aber da wäre vielleicht mehr drinnen gewesen als dieser doch über lange Strecken inhaltsleere Wortschwall.

Infolinks im Spoiler

Die Autorin:
Wikipedia: Anna Baar

Verlagsinfo:
http://www.wallstein-verlag.de/9783835317659-anna-baar-die-farbe-des-granatapfels.html (Archiv-Version vom 26.10.2016)

Rezensionen:
https://cms.falter.at/falter/rezensionen/buecher/?issue_id=601&item_id=9783835317659
http://derstandard.at/2000021413405/Die-Farbe-des-Granatapfels-Unvermeidliches-Fremdsein
https://kurier.at/kultur/anna-baar-die-farbe-des-granatapfels/145.868.437
http://www.vienna.at/beeindruckendes-romandebuet-anna-baars-die-farbe-des-granatapfels/4419353