Der nur mehr schwer zu ermittelnde Psychologe Walter Ludwig hat während des Ersten Weltkriegs etwa zweihundert in Spitälern liegende Frontsoldaten über ihre Fronterfahrungen schreiben lassen, woran sie während des Beschusses durch Feindatillerie gedacht haben und die Ergebnisse in seiner Dissertation Psychologie der Furcht im Kriege 1920 veröffentlicht.

Der Historiker Jörn Leonhard hat die Ergebnisse in seinem Buch Die Büchse der Pandora auf Seite 552 tabellarisch zusammengestellt. Diese sind jetzt nicht überraschend, aber definitiv nicht im Sinne der Kriegspropaganda, da vaterländische oder patriotische Gedanken am wenigsten genannt wurden, sondern sehr persönliche wie religiöse Gefühle, Heimaterinnerungen oder soziale Emotionen gegenüber unmittelbaren Kameraden am häufigsten genannt wurden.

Interessant für mich ist, dass die Kategorie Familie nicht vorkommt. Oder ist sie in "Heimaterinnerungen" enthalten? Ich weiß es nicht.
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Aber selbst in Feldpostbriefen wurde dem Frust freien Lauf gegeben. Am beeindruckendsten ein anonymer Brief an Kronprinz Wilhelm von Preußen, der die 5. Armee kommandierte (Leonhard, S. 585):
Wenn Sie uns nochmal so plötzsinniger weise ins Feuer jagen wie sie dies schon öfter mit uns gemacht haben, dann werden wir Ihnen eine Portion Kugel in den Hintern jagen daß Sie auch wissen wie diese schmecken.
In Zeiten vor Web 2.0 sind solche Frustausbrüche nicht in soziale Netzwerke geschrieben, sondern an den Verursacher, und irgendwie ging diese Botschaft nicht verloren.