Die Frauen haben es ja von Zeit zu Zeit auch nicht leicht. Wir Männer aber müssen uns rasieren.
(Kurt Tucholsky)

Genauso ist es.

Wenn ich in den Ferien mal früher aufstand, hatte ich das Glück, Opa beim Rasieren zu beobachten.
Es war immer der gleiche Ablauf.
Er machte sein Schubfach auf, nahm alle Utensilien heraus und platzierte sie ordentlich auf Omas Nähtisch neben der Tür.
Dann löste er seinen Ledergürtel, hängte die Schnalle an einen Haken im Türpfosten und fing an sein Rasiermesser zu schärfen. Rauf und runter – rauf und runter.
War es scharf genug, kam der Gürtel ab und ein Spiegel an seine Stelle.
Nun rührte er fleißig den Schaum an und strich ihn ins Gesicht.
Jetzt kam die Stelle, wo ich immer den Atem anhielt.
Wie ein Jongleur hantierte er mit dem scharfen Messer auf seiner Haut, bis das letzte Haar entfernt war.
Endlich nahm er von seiner Schulter das Handtuch, wo er immer den Schaum abgestrichen hatte, fuhr damit übers Gesicht und schaute zufrieden in den Spiegel.
Oma meinte dann immer: „Glatt wie ein Kinderpopo.“