Dawisha - Putin

Die diesen April verstorbene, an der Miami University in Ohio sowjetische und russische Politik lehrende Universitätsprofessorin hat 2014 mit diesem Buch eine umfangreiche Studie über den Aufstieg Putins in St. Petersburg bis zu seiner ersten Präsidentschaft verfasst.

Das mit umfangreichen Belegen ausgestattete Werk stützt sich auf Gerichtsdokumente, Medienveröffentlichungen und Interviews und zeichnet eine Antwort auf die Fragestellung nach, wie Putin und seine Clique es geschafft hat, nicht nur reich zu werden, sondern bis heutzutage die Schlüsselstellungen im russischen Staat innezuhaben.

Kern von Putins Seilschaft sind seine Verbindungen innerhalb des KGB bereits zu den Zeiten im sowjetischen Leningrad wie in Dresden. Die Schlüsseljahre waren aber die Herrschaft Gorbatschows und seine Tätigkeit als Verantwortlicher für Auslandswirtschaftsbeziehungen in St. Petersburg bis 1996.

Zur Zeit von Gorbatschow beschlossen KPdSU und KGB, das mobile und immobile Eigentum von Partei und Staat zu "retten", und es wurde ein Gesetz benutzt, das private Kooperativen in Zusammenarbeit mit Behörden es gestattete, Exportgeschäfte zu betreiben.

Der Trick war einfach - im Nachhinein: auf die Idee muss man halt auch mal kommen. Es werden Güter am Inlandsmarkt zu staatlich subventionierten Preisen gekauft und im Ausland zu Weltmarktpreisen verkauft, und man muss schauen, dass so viel Gelder wie möglich auf Konten in Steuerparadiesen wie den Seychellen oder den Kanalinseln geparkt werden.

Der Hammer-Coup wurde 1991 in St. Petersburg in St. Petersburg durchgezogen, als Lebensmittel knapp waren. Private Kooperativen kauften Rohöl und verkauften es im Westen, um für Leningrad Lebensmittel zu erstehen. Einkaufspreis ein USD pro Tonne, Weltmarktpreis 100 USD pro Tonne. Putin genehmigte die Deals gegen Provisionen. Der Trick war: die Seilschaft um Putin hatte Beteiligungen an den Kooperativen. Der Coup: die Vertragsstrafen bei Nichtlieferung von Lebensmitteln lagen bei 1-5 Prozent. Es war also ein legales Riesengeschäft, das Rohöl zu verscherbeln, die Gewinne auf ausländischen Konten zu parken, Provision wie Vertragsstrafen zu zahlen und keine Lebensmittel zu liefern.

Gleichzeitig waren die Geschäfte durch Putins KGB-Seilschaft gedeckt und durch seine Genehmigungen, die oft nicht gerichtsfähig waren, letztlich legalisiert.

Mit dieser Art, Geschäfte zu treiben, wurde Putin wie die mit ihm Handel Treibenden reich. Sehr reich. Und der Geheimdienst deckte diese Geschäfte. Und als der Putin deckende Bürgermeister von St. Petersburg, Anatoli Sobtschak, nicht mehr wiedergewählt wurde, wurde Putin mit seinen Getreuen nach Moskau gehört, wo er in Präsidentenkanzlei Yeltsins für Auslandsbesitzungen verantwortlich war und schließlich zum Geheimdienstchef des FSB ernannt wurde. Die Art von Geschäften, wie sie in St. Petersburg geführt wurden, gingen nun im russischen Gesamtstaat mit den gleichen Leuten weiter.

Nach Ernennung zum Premierminister 1999 und der Wahl zum Präsidenten 2000 formte Putin Russland nach seinen Vorstellungen um: die ihm nicht folgenden Oligarchen wurden gejagt, die relativ autonomen Provinzgouverneure wurden ausgeschaltet. Der Staat wurde Top-Down mit Unterstützung seiner Getreuen und des FSB regiert, Staat und Großfirmen begannen sich eng zu verflechten, indem hochrangige Staatsdiener, Geheimdienstleute und Minister wie Staatssekretäre gleichzeitig Managementposten in strategischen Großunternehmen besetzten. Das heißt: man konnte sich bereichern und war gleichzeitig durch großzügige Immunitätsgesetze von strafrechtlichen Verfolgungen verschont. Genau diese Hauptprofiteure des Putin'schen Systems wurden schließlich nach Annexion der Krim von den USA und der EU persönlich sanktioniert.

Dieses System der Plünderung russischen Reichtums durch Einzelne ist ein Grundmerkmal des russischen Systems unter der Herrschaft Putins und zum Schaden der Gesamtwirtschaft wie der Bevölkerung. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist weltweit eine der größten, und die Performanz von staatlich dominierten Unternehmen wie Gazprom ist im internationalen Vergleich erschreckend schlecht.

Um dieses Buch gab es auch einen Disput mit der englischen Cambridge University Press, die sich weigerte das Buch zu veröffentlichen, weil sich der Verlag keinen Verleumdungsklagen aussetzen wollte. Der kommerzielle Verlag, der es übernahm und veröffentlichte, scheute ebenso eine Herausgabe in Großbritannien. Immerhin ist das kein Buch, das nur Strukturen analysiert, sondern auf Basis von gerichtlich vorliegenden Dokumenten Namen nennt.

Wikipedia: Karen Dawisha
Wikipedia: Putin's Kleptocracy

Ihre Dokumentensammlung ist immer noch online zugänglich:
http://www.miamioh.edu/cas/academics/centers/havighurst/cultural-academic-resources/putins-russia/ (Archiv-Version vom 23.11.2018)