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Mahomet als machtbesessener, meuchelmörderischer, hinterhältiger, notgeiler, totalitärer Machtmensch, der absolute Gefolgschaft erheischt. Das ist Goethes Verdikt auf den Schultern von Voltaire in diesem Fünfakter, in dem alle in fünfhebigen Jamben sprechen.

Mahomet ist seit fünfzehn Jahren aus Mekka vertrieben, wo Sopir als Shefir herrscht. Bei der ursprünglichen Auseinandersetzung wurde Mahomets Sohn getötet, im Gegenzug Sopirs Kinder (Palmira und Seide) von Mahomet entführt und als Geiseln aufgezogen, ohne von ihrem leiblichen Vater zu erfahren.

Das Stück beginnt damit, dass Palmira und Seide rückentführt sind, ohne dass diese oder Sopir wissen, wer sie sind. Mahomet lässt ein Ultimatum für die Machtübernahme in Mekka überbringen, in dem er Sopir vor die Wahl stellt: Übertritt zum Islam und Anerkennung einer Diktatur Mahomets im Gegenzug für das Leben seiner Kinder. Sopir lehnt ab. Aber ihm dämmert, wer Palmira und Seide sind.

Plan B Mahomets: Er treibt Seide - der in Palmira verliebt ist, ohne zu wissen, dass sie seine Schwester ist - dazu, seinen Vater Sopir zu ermorden, da dies der Wille Allahs sei und Palmira nur durch diese Tat seine Liebe beantworten werde. Der notgeile Mahomet plant jedoch, Seide wegen dieses Mordes zu verhaften und sich Palmira selbst unter den Nagel (besser: Schwanz) zu reißen.

Seide führt den Mordanschlag durch, doch Sopir ist nur schwer verwundet und kann seinen beiden Kindern enthüllen, wer sie sind. Daraufhin enthüllt Seide der Bevölkerung von Mekka die Machenschaften Mahomets, die sich gegen diesen totalitären Religionsfanatiker wenden, wird jedoch vergiftet, woraufhin Seide in der Öffentlichkeit immer schwächer wird und stirbt. Mahomet kann dies der Masse als Wille und Rache Allahs verkaufen. Sie frisst diesen Schmarrn.

Am Ende bleibt nur noch eine erschütterte Palmira zurück, die Mahomet entgegensteht und verzweifelt versucht, der Menge die Wahrheit zu vermitteln und zum Kampf gegen den Usurpator aufzurufen:
Auf! Mekka! Auf! Medina! Asien
Bewaffne dich, die Wut, die Heuchelei
Zu strafen.
Mahomet selbst hat vor dieser letzten Gegnerin, die zuvor noch sein feuchter Männertraum war, panische Angst und ruft aus:
Wehret ihr!
Doch als niemand ihr folgt und Mahomet triumphiert, nimmt sie sich das Leben, und ihre letzten Worte zu Mahomet sind:
Ich sterbe, fort!
Dich nicht zu sehen ist das größte Glück.
Die Welt ist für Tyrannen, lebe du!
Voltaires Original stammt aus 1741, Goethe hat es 1802 bearbeitet und verweist auf eine Schaffensperiode, in der Goethe sich bereits abgewendet hat von der optimistischen Weltsicht einer Iphigenie. Das humanistische aufklärerische Ideal ist nicht lebensfähig, es wird von totalitären Herrschern und Gesellschaften auch physisch vernichtet. Ein Thema, das sich bis zu seiner letzten Veröffentlichung, dem Ende von Faust 2 durchzieht.

Es wäre langsam an der Zeit, dass Goethes pessimistische Weltsicht seiner späten Werke sich nicht permanent bewahrheitet.

Der Text online:
http://gutenberg.spiegel.de/buch/mahomet-trauerspiel-in-funf-aufzugen-nach-voltaire-7258/1