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Daniel Everett war ein Amazonasmissionar, der sieben Jahre unter den Piraha - Indianern lebte. In dieser Zeit verlor er seinen Glauben und ist heute ein bekennender Atheist.
Dies sei aber nur am Rande erwähnt. Mir geht es um eine Begebenheit, die er in seinem autobiografischen Buch über jene Zeit recht anschaulich geschildert hat:
Ich erwache aus tiefem Schlaf....,aufgeweckt durch den Lärm und die Rufe der Piraha. Ich setze mich auf und sehe mich um. Ungefähr sechs Meter von meinem Lager entfernt,auf der Uferböschung des Maici, hat sich eine Menschenmenge versammelt. Alle schreien und gestikulieren energisch. Sie schauen ans andere Ufer, auf eine Stelle gegenüber von meiner Hütte. Ich schlüpfe in meine Flipflops und trete vor die Türe …
Ich reibe mir den Schlaf aus den Augen, dann frage ich meinen Sprachlehrer, was da los ist „Siehst du ihn denn nicht da drüben?“, fragte er ungeduldig. „Xigagai, eines der Wesen, die über den Wolken wohnen. Er steht am Strand und schreit uns an, sagt uns, dass er uns töten wird, wenn wir in den Dschungel gehen.“
„Wo?“, frage ich. „Ich kann ihn nicht sehen.“ „Na, genau da!“, gibt Kohoi gereizt zurück, und starrt auf die Mitte des offenkundig leeren Strandes. „Im Dschungel hinter dem Strand?“ „Nein! Da am Strand. Sieh doch!“, erwidert er empört. … immer noch blicken alle zum Strand hin. ( S.13-15)
Ganz offensichtlich nahmen hier die Indios etwas wahr, was Everett verborgen blieb: Ein übernatürliches Wesen, was sogar Sätze schrie!
Warum Everett dieses Wesen nicht sehen und hören konnte, bleibt rätselhaft. Aber die Annahme, dass sich die Indios da kollektiv etwas eingebildet haben könnten, halte ich für ausgeschlossen. Offensichtlich geschah dies auch nicht zum ersten Mal, da sie ja genau wussten, um welchen Geist es sich da handelte, nämlich um einen namens Xigagai.

Eine ähnliche Geschichte einer anfänglich unterschiedlichen Wahrnehmung gibt es auch in der Bibel. Am Ende sahen dann beide - anders als im Falle von Everett - dasselbe:
Und der Diener des Mannes Gottes stand früh auf und trat heraus, und siehe, da lag ein Heer um die Stadt mit Rossen und Wagen. Da sprach sein Diener zu ihm: O weh, mein Herr! Was sollen wir nun tun? Er sprach: Fürchte dich nicht, denn derer sind mehr, die bei uns sind, als derer, die bei ihnen sind. Und Elisa betete und sprach: "HERR, öffne ihm die Augen, dass er sehe!" Da öffnete der HERR dem Diener die Augen und er sah, und siehe, da war der Berg voll feuriger Rosse und Wagen um Elisa her. (2.Könige 6)
Fazit: Wenn zwei in diesselbe Richtung schauen, muss das nicht heißen, dass sie auch dasselbe sehen ... und vielleicht sieht der andere manchmal mehr als man selber!