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Robert Misik - Kaputtalismus

2 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Rezension, Kapitalismus, Linke ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
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Robert Misik - Kaputtalismus

27.02.2019 um 00:14
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Misik ist eine Art linkes "Original" unter den Journalisten in Österreich, betreibt einen wöchentlichen Videoblog (mit manchmal skurrilstem Outfit) und sieht sich vermutlich in der Rolle eines Vordenkers (er war auch Berater des SP-Kanzlers Christian Kern und sein Biograph). Auch treibt er sich gerne in der Welt herum, um sich mit linken Gallionsfiguren "anzufreunden" ... in diesem Buch ist Varoufakis sein "Freund".

Seine formale Ausbildung konnte ich immer noch nicht eruieren, vielleicht hat er Abitur. Keine Ahnung. Mit 23 Jahren begann er seine Journalistenkarriere. Vorher war er in der trotzkistischen "Gruppe revolutionärer Marxisten" (GRM) tätig, wie auch der Ex-Grüne Peter Pilz.

Zum Buch: Misik hat brav die wichtigsten Werke der Wirtschaftswissenschaft der letzten Jahre rezipiert und stellt sie in diesem Büchlein vor, vor allem schnappt er sich Überlegungen, die seine These vom Ende des Kapitalismus unterlegen. Seine Hauptthese: da Kapitalismus nur funktioniert, wenn die Zahlungsversprechungen der Zukunft (Kredite) laufen, wird sich die Verschuldung von Privatpersonen, Unternehmen und Staaten weiter steigern. Daher ist auch ein "Deficit Spending" auf Basis von Keynes' Vorstellungen nicht mehr zukunftsträchtig, Austeritätspolitik sowieso nicht, da diese die Wirtschaft in eine Abwärtsspirale treibt (wofür er einige überzeugende Belege anführt).

Was ist der Ausweg? Sozialismus als Staatsmacht ist diskreditiert (naja, als Trotzkist ist das klar) und der Keynesianische Weg der Sozialdemokratie des 20. Jahrhunderts geht auch nicht mehr, also bleibe ein "revolutionärer Reformismus".

Was ist das? Misik sieht sie in Kooperativen, wie er sie 2015 in Griechenland, Italien und Spanien entstehen sieht. Diese umfassen

- Ein-Mann-Firmen wie einen Fliegen-Hersteller (Fliege = komische Krawatte) in Griechenland
- 20-Arbeiter-Betriebe, die ökologische Seifen herstellen
- Öko-Kooperativen
- hippe IT-Startups
- Firmen, die Eigentumsscheine an Arbeitende ausgeben, in Italien und Spanien

Da kommt der Verdacht auf, dass da letztlich ein Bobo mit sehr kleinbürgerlichen Vorstellungen seine Zukunftswelt entwickelt. Denn was ist der Unterschied zwischen Familienbetrieben und Hipster-Kooperativen? Ökonomisch sehe ich keinen. Ob eine Familie einen Kleinbetrieb führt oder eine Gruppe von Hipsterfreunden, das ist dasselbe.

Und wenn Misik von "Selbstverwirklichung und Kreativität" als "hohem Wert" schreibt, frage ich mich schon, was das mit einer gesamtgesellschaftlichen Ökonomie zu tun hat. Eine Müllabfuhrkooperative, deren Mitglieder am Abend beim Bier von ihrer "Selbstverwirklichung durch Müllsackschupfen" schwadronieren, würde ich eher als einen Haufen Irrer betrachten.

Mich wundert dann nicht mehr, dass Misik einem linken Populismus nachhängt, und er stützt sich dabei auf Ernesto Laclau. "Wir müssen Populismus als den Weg betrachten, die Einheit einer Gruppe erst zu konstituieren." Das macht der rechte Populismus auch, nur mit anderen identitätsstiftenden Angeboten.

Und wenn Misik weiter schreibt: "Populismus ist die Stimme derer, die aus dem System exkludiert sind. Er stiftet relative Identität unter heterogenen Gruppen, den Gruppen jener, die sich angesprochen fühlen. Populismus, so verstanden, ist eine widerständige (gegen)hegemoniale Strategie gegen die Hegemonie der neoliberalen Postpolitik. Nur der Populismus ist politisch; der andere Typus bedeutet den Tod der Politik." Dann ist linke Politik endgültig in Beliebigkeit versunken.

Die Aussage ist nicht falsch, aber hier in Österreich fühlen sich derzeit viel mehr Leute von der Stiftung einer relativen Identität autochthoner Bevölkerungsgruppen angesprochen, deren Stifter sehr wohl gegen die Hegemonie neoliberaler Postpolitik auftreten, und dieser Populismus ist sehr politisch, er ist an der Regierung und meint im Augenblick, auch Verfassungsregelungen aushebeln zu können (pre crime detention AKA Sicherungsverwahrung).

Solange Berater linker Regierungen meinen, kleinbürgerliche Wirtschaftsstrukturen und populistische Phrasendrescherei seien der Weg, um aus dem (durchaus richtig und nachvollziehbar analysierten) Chaos neoliberaler Austeritätspolitik mit sinkendem Lohnniveau und sich weitender Vermögenskluft herauszukommen, frage ich mich schon, ob sich nicht die Linke fragen sollte, ob sie am Ende angelangt ist.

Eigentlich schade, das sozialdemokratische Westeuropa war vor ein paar Jahrzehnten sehr lebenswert und hat Menschen aus armen Verhältnissen Wege aus dem Elend ermöglicht. Nur: deren Vordenker waren keine als Hipster verkleideten Kleinbürger. Sie haben Steuerpolitik und staatliche Lenkung eingesetzt, um den erarbeiteten Wohlstand gerechter zu verteilen. Aber die Post-Blair- und Post-Schröder-Linke scheint in traumatische Lähmung versetzt zu sein.

Misik zu diesem Buch auf seiner Webseite:
https://misik.at/category/kaputtalismus-das-buch/


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Robert Misik - Kaputtalismus

03.03.2019 um 18:28
Gerade so Kleinbetriebe sind doch prekarisiert und wurschteln sich bei viel Arbeit und vglw. wenig Ertrag gerade so durch. Und auf ein erfolgreiches Start Up kommen fünf gescheiterte (Existenzen). Wer sowas empfiehlt und nicht die reformerische Restauration von Sozialstaat und sicherer Lohnarbeit ist eh nicht ganz sauber. Revolution ist nicht in Sicht, bei Salonlinken wie Misik aber auch ganz gut.


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