Viktor-Orban-Bernard-Henri-Levy
Foto: Camille Lotteau

Orbán kenne ich seit 1989. Nicht persönlich, aber als Politiker. Mich hat die Öffnung Ungarns beruflich für längere Zeit dorthin verschlagen und ich bereue das nie in meinem Leben: es ist schlichtweg ein cooles Land mit coolen Leuten.

Also zu Orbán. Er war ein junger Superstar der antikommunistischen Opposition (seine Rede bei der feierlichen Bestattung von Imre Nagy im Sommer 1989 war/ist Kult), Soros-Stipendiat. Das Stipendium ermöglichte ihm in Oxford eine Abschlussarbeit über die polnische Solidarnosc zu verfassen. Gleichzeitig baute er mit Freunden die Partei der Jungliberalen (Fidesz) auf, der es aber nie gelang, Orbáns Superstar-Status in bedeutsame Wählerstimmen umzusetzen.

Nach der Wahlniederlage 1994 beschloss Orbán, eine vakante Stelle im ungarischen Parteienspektrum zu besetzen: die demokratisch nationalistische (eine semifaschistische mit MIÉP gab es bereits, jetzt sind es die Jobbik). Fidesz strukturierte sich um: eine erkleckliche Anzahl an bisherigen Mitgliedern rannten schreiend davon ("Viktor, das nimmt dir keiner ab!", schrieb einer, wenn ich mich richtig erinnere), enge Freunde aus der ehemaligen Elite-Uni für Jurisprudenz blieben. Und sie gewannen 1998 die Wahl und wurden 2002 wegen Inkompetenz gleich wieder abgewählt.

Der zweite Regierungsversuch 2010 gelang. Orbán und Fidesz sind seither ununterbrochen an der Macht, haben das Wahlsystem und ein wenig auch die Gewaltenteilung umgekrempelt. Reich sind sie auch geworden. Nicht nur die Partei.

Und jetzt, 2019, interviewt ein französischer Philosoph, Bernard-Henri Lévy, Viktor Orbán. Er kennt ihn so lange wie ich, nur halt persönlich. Beides Soros-Leute. Ok, einer ein Ex. Orbán kennt ihn auch, und damit kommt ein Interview zustande, das mehr als schräg ist.

Was erfahren wir also?

- Orbán und Erdogan klopfen sich gegenseitig auf den Hintern, weil sie Fußballfans sind.
- Orbán hat als 30-Jähriger Berlusconi erklärt, wie man eine Partei aufbaut.
- Die Juden und die Magyaren haben im 19. Jahrhundert Ungarn vor Fremdherrschaft gerettet.
- Die Juden wollten mit Béla Kun 1919 die Herrschaft übernehmen.
- Horthy war super, aber das mit den Auschwitz-Deportationen war nicht so toll.
- Illiberalismus ist Freiheit.
- Sarkozy, Chirac und Giscard d’Estaing sind super Freunde von ihm.
- Macron weniger.
- Merkel ist sehr nett, aber warum soll Ungarn ihre Probleme lösen?
- Ungarn ist das Bollwerk gegen die Islamisierung.
- Die Ungarn und Türken sind eng verwandt, weil beide Sprachen eng verwandt sind.
- Marine Le Pen ist ein No Go, weil ihm das Laurent Wauquiez (ein Gaullist) gesagt hat.
- Soros wünscht er zweimal Gesundheit und viel Glück.

Lévy sieht während des Interviews traurige Augen und interpretiert sie, dass der alte Orbán weiß, dass die Träume des jungen Orbán sich nicht erfüllt haben.

Spielt er seit 1994 eine Rolle (die ihn auch sehr reich gemacht hat) oder ist er sich selbst treu? Ich weiß es nicht. Aber ich kann mich erinnern, dass ich 1989 schon mit Ungarn gestritten habe, weil ich Orbán für einen begabten, aber egoistischen Politiker gehalten habe ... und für ein wenig plemplem. Hat irgendwie gepasst.

Das Interview, das mehr einem absurden Drama gleicht, lässt sich auf Französisch und Englisch nachlesen:

https://laregledujeu.org/2019/05/03/34887/les-paradoxes-de-viktor-orban/
https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2019/05/bernard-henri-levy-interviews-viktor-orban/589102/