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Im September 1914 wandten sich 93 deutsche Kunst- und Kulturschaffende mit einem Unterstützungsappell für den Krieg an die Kulturöffentlichkeit. Dies ist der Text:
An die Kulturwelt!

Wir als Vertreter deutscher Wissenschaft und Kunst erheben vor der gesamten Kulturwelt Protest gegen die Lügen und Verleumdungen, mit denen unsere Feinde Deutschlands reine Sache in dem ihm aufgezwungenen schweren Daseinskampfe zu beschmutzen trachten. Der eherne Mund der Ereignisse hat die Ausstreuung erdichteter deutscher Niederlagen widerlegt. Um so eifriger arbeitet man jetzt mit Entstellungen und Verdächtigungen. Gegen sie erheben wir laut unsere Stimme. Sie soll die Verkünderin der Wahrheit sein.

Es ist nicht wahr, daß Deutschland diesen Krieg verschuldet hat. Weder das Volk hat ihn gewollt noch die Regierung noch der Kaiser. Von deutscher Seite ist das Äußerste geschehen, ihn abzuwenden. Dafür liegen der Welt die urkundlichen Beweise vor. Oft genug hat Wilhelm II. in den 26 Jahren seiner Regierung sich als Schirmherr des Weltfriedens erwiesen; oft genug haben selbst unsere Gegner dies anerkannt. Ja, dieser nämliche Kaiser, den sie jetzt einen Attila zu nennen wagen, ist jahrzehntelang wegen seiner unerschütterlichen Friedensliebe von ihnen verspottet worden. Erst als eine schon lange an den Grenzen lauernde Übermacht von drei Seiten über unser Volk herfiel, hat es sich erhoben wie ein Mann.

Es ist nicht wahr, daß wir freventlich die Neutralität Belgiens verletzt haben. Nachweislich waren Frankreich und England zu ihrer Verletzung entschlossen. Nachweislich war Belgien damit einverstanden. Selbstvernichtung wäre es gewesen, ihnen nicht zuvorzukommen.

Es ist nicht wahr, daß eines einzigen belgischen Bürgers Leben und Eigentum von unseren Soldaten angetastet worden ist, ohne daß die bitterste Notwehr es gebot. Denn wieder und immer wieder, allen Mahnungen zum Trotz, hat die Bevölkerung sie aus dem Hinterhalt beschossen, Verwundete verstümmelt, Ärzte bei der Ausübung ihres Samariterwerkes ermordet. Man kann nicht niederträchtiger fälschen, als wenn man die Verbrechen dieser Meuchelmörder verschweigt, um die gerechte Strafe, die sie erlitten haben, den Deutschen zum Verbrechen zu machen.

Es ist nicht wahr, daß unsere Truppen brutal gegen Löwen gewütet haben. An einer rasenden Einwohnerschaft, die sie im Quartier heimtückisch überfiel, haben sie durch Beschießung eines Teils der Stadt schweren Herzens Vergeltung üben müssen. Der größte Teil von Löwen ist erhalten geblieben. Das berühmte Rathaus steht gänzlich unversehrt. Mit Selbstaufopferung haben unsere Soldaten es vor den Flammen bewahrt. – Sollten in diesem furchtbaren Kriege Kunstwerke zerstört worden sein oder noch zerstört werden, so würde jeder Deutsche es beklagen. Aber so wenig wir uns in der Liebe zur Kunst von irgend jemand übertreffen lassen, so entschieden lehnen wir es ab, die Erhaltung eines Kunstwerks mit einer deutschen Niederlage zu erkaufen.

Es ist nicht wahr, daß unsere Kriegführung die Gesetze des Völkerrechts mißachtet. Sie kennt keine zuchtlose Grausamkeit. Im Osten aber tränkt das Blut der von russischen Horden hingeschlachteten Frauen und Kinder die Erde, und im Westen zerreißen Dumdumgeschosse unseren Kriegern die Brust. Sich als Verteidiger europäischer Zivilisation zu gebärden, haben die am wenigsten das Recht, die sich mit Russen und Serben verbünden und der Welt das schmachvolle Schauspiel bieten, Mongolen und Neger auf die weiße Rasse zu hetzen.

Es ist nicht wahr, daß der Kampf gegen unseren sogenannten Militarismus kein Kampf gegen unsere Kultur ist, wie unsere Feinde heuchlerisch vorgeben. Ohne den deutschen Militarismus wäre die deutsche Kultur längst vom Erdboden getilgt. Zu ihrem Schutze ist er aus ihr hervorgegangen in einem Lande, das jahrhundertelang von Raubzügen heimgesucht wurde wie kein zweites. Deutsches Heer und deutsches Volk sind eins. Dieses Bewußtsein verbrüdert heute 70 Millionen Deutsche ohne Unterschied der Bildung, des Standes und der Partei.

Wir können die vergifteten Waffen der Lüge unseren Feinden nicht entwinden. Wir können nur in alle Welt hinausrufen, daß sie falsches Zeugnis ablegen wider uns. Euch, die Ihr uns kennt, die Ihr bisher gemeinsam mit uns den höchsten Besitz der Menschheit gehütet habt, Euch rufen wir zu:

Glaubt uns! Glaubt, daß wir diesen Kampf zu Ende kämpfen werden als ein Kulturvolk, dem das Vermächtnis eines Goethe, eines Beethoven, eines Kant ebenso heilig ist wie sein Herd und seine Scholle.

Dafür stehen wir Euch ein mit unserem Namen und mit unserer Ehre!
Vom Kosmopoliten zum Nationalisten. Mehr fällt mir dazu eigentlich nicht ein.

Die meisten der Unterzeichner sagen mir spontan relativ wenig, aber es sind doch einige Namen (auch Wissenschafter) darunter, die aufhören lassen: Fritz Haber, Gerhart Hauptmann, Max Planck, Max Reinhardt, Wilhelm Röntgen.

Die vollständige Liste aller Unterzeichner befindet sich im Spoiler
Adolf von Baeyer
Peter Behrens
Emil Adolf von Behring
Wilhelm von Bode
Alois Brandl
Lujo Brentano
Justus Brinckmann
Johannes-Ernst Conrad
Franz Defregger
Richard Dehmel
Adolf Deißmann
Friedrich-Wilhelm Dörpfeld
Friedrich von Duhn
Paul Ehrlich
Albert Ehrhard
Carl Engler
Gerhard Esser
Rudolf Christoph Eucken
Herbert Eulenberg
Heinrich Finke
Emil Fischer
Wilhelm Foerster
Ludwig Fulda
Eduard Gebhardt
Johann Jacobus Maria de Groot
Fritz Haber
Ernst Haeckel
Max Halbe
Adolf von Harnack
Carl Hauptmann
Gerhart Hauptmann
Gustav Hellmann
Wilhelm Herrmann
Andreas Heusler
Adolf von Hildebrand
Ludwig Hoffmann
Engelbert Humperdinck
Leopold Graf von Kalckreuth
Arthur Kampf
Friedrich August von Kaulbach
Theodor Kipp
Felix Klein
Max Klinger
Alois Knoepfler
Anton Koch
Paul Laband
Karl Lamprecht
Philipp Lenard
Maximilian Lenz
Max Liebermann
Franz von Liszt
Karl Ludwig Manzel
Joseph Mausbach
Georg von Mayr
Sebastian Merkle
Eduard Meyer
Heinrich Morf
Friedrich Naumann
Albert Neisser
Walther Hermann Nernst
Wilhelm Ostwald
Bruno Paul
Max Planck
Albert Plehn
Georg Reicke
Max Reinhardt
Alois Riehl
Carl Robert
Wilhelm Röntgen
Max Rubner
Fritz Schaper
Adolf Schlatter
August Schmidlin
Gustav von Schmoller
Reinhold Seeberg
Martin Spahn
Franz von Stuck
Hermann Sudermann
Hans Thoma
Wilhelm Trübner
Karl Gustav Vollmoeller
Richard Voß
Karl Vossler
Siegfried Wagner
Heinrich Wilhelm Waldeyer
August von Wassermann
Felix von Weingartner
Theodor Wiegand
Wilhelm Wien
Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff
Richard Willstätter
Wilhelm Windelband
Wilhelm Wundt


Der Text des Manifests mit einem Kommentar des Historikers Rüdiger vom Bruch ist hier zu finden:
https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/q63-28308

Liste der Unterzeichner:
Wikipedia: Manifest der 93