Hamed-Abdel-Samad Der-islamische-Faschis

Abdel-Samad ist eigentlich bekannt wie ein bunter Hund, und ich habe mir jetzt das Buch gegeben, dessen Grundlage (ein Vortrag in Ägypten) ihm eine Todes-Fatwa eingebracht hat. Seine Hauptthese ist, dass der politische Islam eine faschistische Bewegung ist, unabhängig davon, ob sunnitisch oder schiitisch. Die Wurzeln lägen in der Entstehung der Muslimbrüderschaft in den 1920er Jahren, die sofort Verbindungen mit dem italienischen Faschismus und dem deutschen Nationalsozialismus knüpfte.

Seine Faschismustheorie beruht nicht auf Dimitrov (der Faschismus als terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals), sondern sie ist ideologisch und basiert auf der These, dass Faschismus in verspäteten, abgehängten Gesellschaften aufkomme.

Die islamischen Gesellschaften hätten im 9. Jahrhundert eine Chance gehabt, als ihre Hochblüte in nicht von der Scharia geprägten Herrschaftsbereichen erreicht wurde, im Iran, Irak sowie in Andalusien. Diese Gesellschaften seien von Toleranz geprägt gewesen, in denen ein wissenschaftlicher und kultureller Austausch stattgefunden habe, die Geistesgrößen wie Avicenna oder Ibn Rushd/Averroes hervorbringen konnte. Als jedoch diese Regionen radikal islamisiert wurden (Saladin spielte eine wichtige Rolle bei dieser Wende) und die Ungläubigen als minderwertig und "Tiere" betrachtet wurden, begann die islamische Gesellschaft zu stagnieren. So sei es nicht verwunderlich, dass erste Gutenberg'sche Druckpressen im Osmanischen Reich erst im 18. Jahrhundert eingeführt und strikt unter staatliche Kontrolle gestellt wurden.

Es entwickelte sich über Jahrunderte ein Mischmasch an Unterlegenheitsgefühl einerseits und moralischem Überlegenheitsgefühl andererseits (der Islam als die letzte und daher wahre Prophezeiung Gottes). Die islamischen Gesellschaften wurden zu Modernisierungsverlierern (seit Vasco da Gama das Kap der Guten Hoffnung umsegelte und die arabische Welt vom globalen Handel abschnitt), die jedoch in der Gottesunterwürfigkeit samt Ungläubigenhass und Misogynie dem protofaschistischen Denken eines Massenmörders der arabischen Halbinsel anhingen.

Auf dieser Dichotomie des moralisch überlegenen Verlierers bauten und bauen die Ideologien der Muslimbrüder, der iranischen Mullahdiktatur, der Hamas, der Hisbollah, neuerdings der Salafisten sowie der Dschihadisten von Al Qaida bis zum IS auf, die wiederum unter den aktuellen Modernisierungsverlierern bzw. den moralisch Gespaltenen global ihre Rekruten finden, die bereit sind, ihr eigenes Leben zu opfern, um dem Feind Schaden zuzufügen. Die 72 Jungfrauen mit ihren je 70 willigen Dienerinnen im Dauerpornoparadies der permanenten Erektion des Islam sind da noch eine Hoffnungsdraufgabe.

Was für Abdel-Samad Faschismus kennzeichnet, ist:

- Glaube an die absolute Wahrheit
- Unterwerfung unter einen Führer
- Absoluter Gehorsam
- Einteilung der Welt in Freund und (zu vernichtenden) Feind
- Ablehnung der Moderne
- Ablehnung der Aufklärung
- Ablehnung des Marxismus
- Errichtung eines Imperiums bis hin zur Weltherrschaft
- Überlegenheitsgefühl (sei es rassistisch oder religiös)
- Beschwörung und Überhöhung einer großartigen Vergangenheit

Da der islamische Faschismus für Abdel-Samad sehr tief in den Ursprüngen des Islam verwurzelt ist und im Leben sowie der Überlieferung Mohameds seine Begründung finden kann, ist der Ausweg für ihn schwierig, das Buch bietet Ansätze. Da ja nicht Milliarden gläubiger Muslime Faschisten seien, sei es wichtig, den Dschihad nicht zur sechsten Säule des Glaubens werden zu lassen und den Dschihad auch nicht verniedlichend in "kleinen" (das ist der kriegerische) und "großen" (der Kampf für die eigene Moral) zu trennen, der Dschihad sei immer Krieg gegen Anders- oder Nichtgläubige. Und für das Zusammenleben sei es wichtig, dass aufgeklärte, liberale Muslime wie Nicht-Muslime zueinanderfinden und die Gesellschaft prägen, damit die Radikalen so wenig Resonanz wie möglich erhalten.

Aber so ganz scheint er seinen Überlegungen nicht zu trauen, da er am Ende noch fünf Muslime vorstellt, die ihren Glauben gänzlich verloren haben. Damit schließt sich eine Klammer, da im Buch zunächst der Polytheismus grundsätzlich für friedvoller gehalten wird als der Monotheismus (das erinnert mich an die Gedanken des Ägyptologen Jan Assmann). Doch letztlich scheint der Ausweg nur in einer Gesellschaft, welche nicht mehr an einen Gott und dessen Kleriker glaubt, zu finden zu sein.

Es ist kein wissenschaftliches Buch (dafür ist es auch sehr kritisiert worden), eigentlich auch kein Sachbuch. Es ist ein langer Essay.