293px-Heinrich LerschOriginal anzeigen (0,7 MB)

Mit diesem Gedicht von Heinrich Lersch komme ich zurück zum Abschiedsmotiv, das auch von Gerhart Hauptmann schon zwiespältig aufgenommen wurde. Hier jedoch wird der Tod des Einzelnen dem Leben der Gemeinschaft unzweideutig untergeordnet, ein Denken, welches der Nationalsozialismus noch radikaler (siehe Goerings "Nibelungenrede") formulierte.

So verwundert es nicht, dass Lersch zu den achtundachtzig [sic!] Schriftstellern gehörte, die im Oktober 1933 das Gelöbnis treuester Gefolgschaft vor Adolf Hitler als Reichskanzler ablegten.
Soldatenabschied

Laß mich gehn, Mutter, laß mich gehn!
All das Weinen kann uns nichts mehr nützen,
denn wir gehn das Vaterland zu schützen!
Laß mich gehn, Mutter, laß mich gehn.
Deinen letzten Gruß will ich vom Mund dir küssen:
Deutschland muß leben, und wenn wir sterben müssen!

Wir sind frei, Vater, wir sind frei!
Tief im Herzen brennt das heiße Leben,
frei waren wir nicht, könnten wirs nicht geben.
Wir sind frei, Vater, wir sind frei!
Selber riefst du einst in Kugelgüssen:
Deutschland muß leben, und wenn wir sterben müssen!

Uns ruft Gott, mein Weib, uns ruft Gott!
Der uns Heimat, Brot und Vaterland geschaffen,
Recht und Mut und Liebe, das sind seine Waffen,
uns ruft Gott, mein Weib, uns ruft Gott!
Wenn wir unser Glück mit Trauern büßen:
Deutschland muß leben, und wenn wir sterben müssen!

Tröste dich, Liebste, tröste dich!
Jetzt will ich mich zu den andern reihen,
du sollst keinen feigen Knechten freien!
Tröste dich, Liebste, tröste dich!
Wie zum ersten Male wollen wir uns küssen:
Deutschland muß leben, und wenn wir sterben müssen!

Nun lebt wohl, Menschen, lebet wohl!
Und wenn wir für euch und unsere Zukunft fallen,
soll als letzter Gruß zu euch hinüberhallen:
Nun lebt wohl, ihr Menschen, lebet wohl!
Ein freier Deutscher kennt kein kaltes Müssen:
Deutschland muß leben, und wenn wir sterben müssen!
Text:
https://gutenberg.spiegel.de/buch/herz-aufgluhe-dein-blut-6643/4