9781482381382

Ein Menschheitsdrama der Extraklasse.

Medea ermordet ihren Bruder und verrät ihr Vaterland, um mit dem griechischen Schönling Jason samt dem Goldenen Vlies aus Kolchis zu entfliehen. Jason zieht mit ihr nach Korinth, sie haben zwei Söhne, und Jason beginnt mit der Königstochter Kreons ein Techtelmechtel, zieht von seiner Frau weg und plant die Königstochter zu heiraten.

Medea ist nicht nur die düpierte Gattin, sie ist auch eine Fremde, die nicht mehr in ihre Heimat zurück kann. So plant sie die totale Rache. Als Magierin webt sie ein Brautkleid, das die Königstochter wie auch Kreon verbrennt, und da sie damit rechnet, dass ihre Söhne auch getötet werden, bringt sie diese um. In einem letzten Dialog mit Jason, der die bereits toten Söhne noch retten will, entflieht sie auf einem fliegenden Drachen ihres Sonnengottes.

Euripides packt in dieses Drama zwei Themen, die bis zum heutigen Tag aktuell sind und die Feuilletons bestimmen: Das Aufeinanderprallen zweier Kulturen und Frauen als Spielball dominanter Männer. Die Rache der gedemütigten Fremden ist unerbittlich.

Und gleich zu Beginn stellt Euripides klar: Wenn der imperialistische, das Vlies rauben wollende Grieche Jason nicht in Kolchis aufgetaucht wäre, hätte es nie zu dieser Tragödie kommen können. Er lässt die Amme in Medeas Haushalt sprechen:
AMME.
Oh, wäre durch die schwarzen Wunderfelsen nie
Das Schiff geflogen, steuernd nach dem Kolcherland,
Wär auf den Waldhöhn Pelions nie der Fichtenstamm
Durchs Beil gefallen, hätte nie zum Steuer gedient
Der Hand erkorner Helden, die das goldne Vlies
Dem Pelias holten! Nimmermehr wär auch geschifft
Medea, meine Herrin, dann zur Griechenstadt,
Von Jasons Liebe hingerissen und betört,
Und hätte Pelias' Töchter nie zum Vatermord
Verführt und wohnte nicht im Land Korinthos hier
Mit Mann und Kindern – bei den Bürgern zwar beliebt,
In deren Land sich niederließ die Fliehende,
Und treu zur Seite Jason stehend überall,
Worauf die Wohlfahrt allermeist im Haus beruht,
Wenn mit dem Manne einträchtig wirkt des Weibes Sinn. –
Doch nun ist alles feindlich, und das Leben siecht,
Weil Jason meine Herrin samt den Kindern hat
Im Stich gelassen und die junge Fürstin freit,
Die Tochter Kreons, der in diesem Land gebeut.
Nach der Ermordung der beiden Söhne bereut Jason, keine Griechin, sondern eine barbarische Fremde geheiratet zu haben:
JASON.
O Scheusal, o im Grund der Seel verhaßtes Weib
Den Göttern und der ganzen Menschheit so wie mir!
Die gegen ihre Kinder könnt, ihr eigen Blut,
Das Eisen zücken, morden mich durch ihren Mord!
Und schaust nach solcher Handlung noch das Sonnenlicht,
Die Erde noch nach solcher ganz ruchlosen Tat?
Verdirb! O hätt ich's damals eingesehn wie jetzt,
Als aus der Heimat wildem Land und Volk ich dich
Entführt' ins schöne Griechenland zum Fluche mir,
Des Vaters und des Vaterlands Verräterin.
Der Himmel stürzte deinen bösen Geist auf mich,
Denn deinen Bruder schlugst du tot am Vaterherd,
Bevor du ins schönbordge Schiff der Argo stiegst.
In solcher Art begannst du. Jetzt, vermählt mit mir
Und Mutter trauter Kinder, die du mir geschenkt,
Erschlugst du sie aus Eifersucht ums Ehebett.
Dies hätte nie ein griechsches Weib zu tun vermocht!
Und ihnen hab ich vorgezogen deine Hand,
Ich Tor, zum widerwärtigen, unheilvollen Bund,
Dich, grimmge Löwin und kein Weib, von wildrer Art,
Als Skylla ist, das Ungeheur Tyrseniens.
Daran schließt der Streit, wer denn Schuld an dieser Tragödie sei, und beide geben sich nichts. Jason steht dazu, dass es sein Recht ist, Medea stehen zu lassen und sie solle seine Eskapaden schlichtweg erdulden:
MEDEA.
Gewiß, doch wenn nur du nicht lachst, ist's Trost für mich.[670]
JASON.
O Kinder, welch ein schlechtes Weib hieß Mutter euch!
MEDEA.
O Kinder, welch ein törger Vater mordet' euch!
JASON.
Hat meine Hand doch wahrlich nicht den Mord verübt!
MEDEA.
Dein Übermut und deine neugeschloßne Eh!
JASON.
War dir das Bett so wichtig, sie zu töten drum?
MEDEA.
Geringe Kränkung, meinst du, sei dem Weibe das?
JASON.
Ja, wenn sie sittsam – du bist aller Tugend bar.
Die Übersetzung von Johann Hartung ist umwerfend gut, online
http://www.zeno.org/Literatur/M/Euripides/Tragödien/Medea

Eine unfassbar gute Verfilmung ist Pasolinis Fassung aus dem Jahr 1969 mit Maria Callas in der Hauptrolle. Auf YouTube gibt es die italienische Originalfassung mit spanischen Untertiteln. Hier im Spoilerhttps://youtu.be/uZYy493Hrd8