Hoffmann-Das-Fraeulein-Scuderi

Die Mutter aller Kriminalgeschichten ist trotz so mancher nicht mehr ganz nachzuvollziehenden Wendungen immer noch eine Hammerlektüre. Die Idee des Goldschmieds René Cardillac, der sich nicht von seinen Schöpfungen trennen kann, den Käufern nachstellt und sie ermordet, ist alleine schon genial und mit dem Begriff "Cardillac-Syndrom" bis heute namengebend für Künstler, die sich schwer von ihren Werken trennen.

Hoffmann bettet die Story in eine reale Pariser Giftmordserie ein, wegen der ein Sondergericht namens Chambre ardente gebildet wurde, die freie Hand hatte, Proskriptionslisten zu erstellen, Verdächtige zu foltern und sie im Schnellverfahren brutalst hinzurichten. Sie wurden bei lebendigem Leib verbrannt.

Polizei und Chambre ardente verfolgen die unbekannten Schmuckmörder, und als Cardillac selbst ermordet aufgefunden wird, ist sein Geselle und Schwiegersohn in spe, Olivier Brusson, der Hauptverdächtige und in Untersuchungshaft, vor der Folter stehend. Der über 70-jährigen Madeleine von Scuderi, die Brusson seit der Kindheit kennt, gelingt es nach einem langen Gespräch mit Brusson und dem Geständnis eines Offiziers, dass er den ihn attackierenden Cardillac in Notwehr getötet hat, Ludwig XIV. von Brussons Unschuld zu überzeugen, ohne dass die ganze Angelegenheit vor Gericht kommt. Brusson geht frei und zieht mit der Tochter Cardillacs von Paris nach Genf.

Hoffmann sprengt mit dieser Novelle die Grenzen der Romantik und erschafft ein ganzes Genre: die mysteriöse Kriminalgeschichte, die durch eine außerhalb von staatlichen Ermittlungsbehörden stehende Hauptfigur aufgelöst wird. Und das Beeindruckende: Es ist nicht bloß ein Vorläufer, sondern die Geschichte ist auch heute noch eine faszinierende Lektüre.