Rabinovici-Alles

Der Wiener Historiker und Schriftsteller Rabinovici hat 2018 für ein Theaterprojekt am Wiener Akademietheater (Ableger des Burgtheaters) Ausschnitte aus Reden rechtspopulistischer Politiker (keine Frauen, Marine LePen kommt nicht vor) zusammengestellt. Ziel war, wie der Journalist Florian Klenk im Nachwort schreibt, Denkweise und Ideenwelten komprimiert zusammenzustellen, "den illiberalen Kräften beim Sprechen zuzuhören ist Gebot der Stunde", vor allem da es "verführerische Worte, verlockend, betörend sogar, mitunter humorvoll" seien. Die Texte sind nicht bearbeitet, bis auf kurze Ausschnitte aus Texten von Victor Klemperer, Hannah Arendt und Erich Kästner sind sie auch nicht kommentiert.

Nicht unbedingt die hellsten Kerzen auf der rechten Seite des Kuchens sind die Österreicher Strache, Hofer und vor allem Kickl, aber auch Jarosław Kaczyński. Salvini fällt schon mehr auf, vor allem durch ein hohes Aggressionspotenzial, vor allem gegen Roma (vom Plattmachen der Roma-Lager über legales Verprügeln und dem Bedauern, dass Roma mit italienischer Staatsbürgerschaft nicht ausgewiesen werden können), aber auch als Redner im Europäischen Parlament ("Ich sage doch nur, dass ihr meiner Meinung nicht normal seid, mit vollem Respekt").

Die hellste Kerze ist definitiv der ehemalige Elitestudent und Soros-Stipendiat Viktor Orbán, der seit Jahren immer und immer wieder die Gefahr des Untergangs der ungarischen Nation heraufbeschwört. Da ist einerseits die demographische Entwicklung, die ja nicht nur Ungarn betrifft. Hier 2017:
In der Welt bleiben nur jene Gemeinschaften erhalten, die zumindest im biologischen Sinne in der Lage sind, sich selbst zu erhalten. Und Hand aufs Herz: Ungarn ist heute noch kein solches Land.
Auf Basis dieses Bedrohungsszenarios lehnt Orbán eine Immigrationspolitik ab, da eine solche die ungarische Nation und ungarische Kultur noch mehr gefährde. Auch sehe er sich nicht dazu verpflichtet (2018):
Wir kennen kein einziges Dokument, in dem stünde: "Wenn du der Europäischen Union beitrittst, musst du zu einem Einwanderungsland werden." Als wir beitraten, haben wir uns zu nichts dergleichen verpflichtet.
Auch sieht Orbán den Grenzschutz als Grundbedingung der inneren Freiheit, und Ungarn würde dieser Verpflichtung für den Schengenraum nachkommen (2018):
Die Außengrenze muss verteidigt werden, dies ist die Vorbedingung für den freien Verkehr im Inneren.
Bis jetzt eigentlich nicht über den "Standard" hinausgehend, aber was er bei dem von ihm regelmäßig besuchten Sommeruniversitätskurs im rumänischen Baile Tusnad 2017 äußerte, lässt mich dann doch aufhorchen:
Es gibt keine kulturelle Identität ohne eine stabile ethnische Zusammensetzung. Die ethnische Zusammensetzung eines Landes zu verändern ist identisch mit der Veränderung der kulturellen Identität. Ein starkes Land kann sich so etwas niemals erlauben, besonders wenn es nicht durch irgendeine Weltkatastrophe dazu gezwungen wird.

In unserem Fall gibt es keine starke ungarische Gemeinschaft, und es gibt keinen starken ungarischen Staat, wenn es uns nicht gelingt, das Weltungarntum in einer Gemeinschaft zu vereinen.

Die kommenden Jahrzehnte werden eine Hauptfrage in Europa besitzen, und diese lautet, ob Europa das Europa der Europäer bleiben wird. Sie lautet, ob Ungarn das Land der Ungarn bleiben wird. Ob Deutschland das Land der Deutschen sein wird. Ob Frankreich das Land der Franzosen sein wird. Ob Italien das Land der Italiener sein wird oder nicht. Wer wird in Europa leben? Dies ist die historische Frage, der wir heute ins Auge blicken müssen.
Auch im Hinblick auf die ethnische Vielfalt in Ungarn und die Magyarisierungspolitik ab dem Ende des 19. Jahrhunderts frage ich mich: Meint der das, was er da sagt? Welche Folgen hat das, wenn Politik auf Basis dieser Prämisse durchgezogen wird? Kurzfristig hatte ja auch die Kurz-Strache-Regierung mal den Südtirolern österreichische Pässe angeboten gehabt. Da war das Salvini-Italien etwas verschnupft.

Zum Autor:

Doron Rabinovici ist als Dreijähriger mit seinen Eltern 1964 aus Tel Aviv nach Wien gekommen und hat über den Wiener Judenrat von 1938 bis 1945 promoviert. Seitdem ist er als Publizist und Schriftsteller tätig. Seiner jüdischen Mutter gelang es, das Ghetto von Wilna/Vilnius zu überleben und konnte 1950 nach Israel emigrieren. Siehe Geschichtewiki Wien

Zum Buch gibt es noch Infos auf orf.at.