Grillparzer-Ottokar

Mit diesem frühen Werk (1825 als 34-Jähriger veröffentlicht) schrieb Grillparzer ein Theaterstück, das die Habsburg-Dynastie zu verherrlichen versucht. Er zeichnet die historischen Ereignisse im Streit zwischen dem böhmischen König Ottokar Przemysl und dem Habsburger Rudolf nach und der Schwerpunkt liegt in der Gestaltung zweier sehr unterschiedlicher Charaktere.

Ottokar ist arrogant, herrschsüchtig, aber in den realen Auseinandersetzungen als schwach gezeichnte. Rudolf ist ein mitfühlender, empathischer Mensch, der aber in den entscheidenden Momenten zielstrebig und ein - auch bereits unter Ottokar gegen die Ungarn - erfolgreicher Feldherr ist.

Zeitlich beginnt das Stück 1261, als sich Ottokar, König von Böhmen und Mähren, von seiner Gattin Margarethe, der letzten Babenbergerin, trennt, da sie zu alt für die Geburt eines Erben und im vierten Grade mit Ottokar verwandt ist (wichtig, damit die Kirche die Ehe für ungültig erklären kann). Margarethe ist für Ottokar wichtig gewesen, um nach der Eroberung der Steiermark auch die Babenberger Besitzungen zu erhalten. Nur ist ihr Schenkungsvertrag rechtlich irrelevant, da nach dem Ende der männlichen Erbfolge der Babenberger die Besitzungen ans Deutsche Reich zurückfallen, das damals jedoch ohne König ist. So versucht Ottokar König zu werden, brüskiert jedoch die Emissäre der Wahlfürsten mit seiner Arroganz dermaßen, dass diese Rudolf von Habsburg wählen, einen bis dahin kleinen Grafen, der - wie erwähnt - gegen die Ungarn in Ottokars Heerfolge gekämpft hat.

Wendepunkt ist, als während einer Unterwerfungszeremonie, in der Ottokar von Rudolf die Länder als Lehen empfangen soll, von einem seiner böhmischen Adeligen, der in die junge neue Frau Ottokars Kundigunde, der Tochter des ungarischen Königs Béla, fürchterlich verliebt ist, das Zelt niederreißt und in aller Öffentlichkeit sichtbar ist, dass Ottokar vor Rudolf kniet. Diese Demütigung führt dazu, dass Kunigunde, die einen starken Mann als Gemahl haben will, ihn verlässt und immer mehr von den ihm unterworfenen Ländern abfallen, so auch Wien.

In einem Verzweiflungsakt will Ottokar das kaiserliche Heer bei Marchegg an der Donau zu einem Entscheidungskampf stellen, was militärisch zu keinem Erfolg mehr führen kann. Er wird von einem jungen Adeligen, dessen Vater er als Verräter im Kerker hat sterben lassen, ermordet. Rudolf vererbt Österreich einem seiner Söhne.

Grillparzers Absicht ist offensichtlich: Rudolf wird als großherziger Charakter gezeichnet, während Ottokar ein machtbesessener, jedoch unfähiger Narzisst ist, der noch dazu seine Ehen eingeht, um seinen Herrschaftsraum zu vermehren. Ergo: Dass die österreichischen Lande den Habsburgern zufallen, wird gerechtfertigt.

Einen der Dienstmannen, die sich Rudolf unterwerfen, wird ein Loblied auf Österreich unterlegt, das an Schulen Kinder während der Monarchie und zum Teil später auswendig lernen mussten:
Er ist ein guter Herr, es ist ein gutes Land,
wohl wert, dass sich ein Fürst sein unterwinde!
Schaut rings umher, wohin der Blick sich wendet,
Wo habt ihr dessengleichen schon gesehen?
Lacht`s wie dem Bräutigam die Braut entgegen!
Mit hellem Wiesengrün und Saatengold
Von Lein und Safran gelb und blau gestickt,
von Blumen süß durchwürzt und edlem Kraut,
schweift es in breitgestreckten Tälern hin-
ein voller Blumenstrauß so weit es reicht,
vom Silberband der Donau rings umwunden!
Hebt sich`s empor zu Hügeln voller Wein,
wo auf und auf die goldne Traube hängt
und schwellend reift in Gottes Sonnenglanze.;
Der dunkle Wald voll Jagdlust krönt das Ganze.
Und Gottes lauer Hauch schwebt drüber hin
Und wärmt und reift und macht die Pulse schlagen,
wie nie ein Puls auf kalten Steppen schlägt.
Drum ist der Österreicher froh und frank,
trägt seinen Fehl, trägt offen seine Freuden,
beneidet nicht, lässt lieber sich beneiden!
Und was er tut, ist frohen Muts getan.
`s ist möglich, dass in Sachsen und beim Rhein
es Leute gibt, die mehr in Büchern lasen;
Allein, was not tut und was Gott gefällt,
der klare Blick, der offne, richt`ge Sinn,
da tritt der Österreicher hin vor jeden,
denkt sich sein Teil und lässt die anderen reden!
O gutes Land! O Vaterland! Inmitten
Dem Kind Italien und dem Manne Deutschland,
liegst du, der wangenrote Jüngling, da:
Erhalte Gott dir deinen Jugendsinn
Und mache gut, was andere verdarben.
Dass Grillparzer noch jung war, blitzt in einem kurzen Abschnitt auf, als Zawisch von Falkenstein in brennender Liebe für Kunigunde folgende Äußerung tätigt:
Alte Männer
Sollten alte Weiber freien! Jugend
Gehört für Jugend!
Zawisch hat übrigens nach Ottokars Tod wirklich Kunigunde geheiratet, aber das wäre eine neue, wilde Geschichte.