Volksbuch-FaustOriginal anzeigen (0,2 MB)

Das im Original Historia von D. Johann Fausten betitelte und vom Frankfurter Drucker Johann Spies 1587 verlegte Volksbuch wurde 1837 eigentlich als Jugendbuch ins moderne Deutsch übertragen, aber damit auch für zeitgenössische Leser bis zum heutigen Tag zugänglich gemacht. Da die Übertragung jedoch kunstvoll gestaltet ist, bleibt der sprachliche Verlust erträglich, da das frühneuhochdeutsche Original ja weiterhin zugänglich ist.

Die Faustgeschichte wird nach Wittenberg Mitte der 1520er Jahre verlegt, und so hat Johann Faust keine Chance, erlöst zu werden. Luther hat ebendort den Ablasshandel verdonnert.

Faust ist ein kluger junger Mann, und mit dem Erbe eines reichen Onkels studiert er in Ingolstadt (wie später übrigens Frankenstein bei Mary Shelley) und siedelt sich in Wittenberg an. Einerseits ist er ein Lebemann, der das Spiel, das Trinken und Schlemmen über alles liebt, andererseits pflegt er Nekromantie, und es gelingt ihm, Luzifer höchstpersönlich zu beschwören. Mit diesem schließt er einen auf 24 Jahre befristeten Pakt ab, auf Grund dessen ihm ein Teufel als Diener zur Seite gestellt wird, der ihm alle Wünsche erfüllt. Dieser heißt Mephistopheles.

Der Pakt selbst ist nicht so komplex wie später bei Goethe, wird aber viel ausführlicher präsentiert. Da gibt es zunächst fünf Punkte, die Faust einzuhalten hat:
1) Er soll Gott und allem himmlischen Heer absagen.
2) Er soll aller Menschen Feind sein und sonderlich derjenigen, so ihn seines bösen Lebens wegen würden strafen wollen.
3) Den Pfaffen und geistlichen Personen soll er nicht gehorchen, sondern sie anfeinden.
4) Zu keiner Kirche gehen, die Predigten nicht besuchen, auch die Sakramente nicht gebrauchen.
5) Den Ehestand hassen, sich in denselben nicht einlassen, nie verehelichen.
Im Anschluss schreibt Faust einen langen Vertragstext mit seinem Blut:
Ich, Johannes Faustus, Doktor, bekenne hier öffentlich am Tag, nachdem ich jederzeit zu Gemüt gefasset, wie diese Welt mit allerlei Weisheit, Geschicklichkeit, Hoheit begabet und allezeit mit hochverständigen Leuten geblühet hat; dieweil ich denn von Gott, dem Schöpfer, nich also erleuchtet und doch der Magie fähig bin, auch dazu meine Natur himmlischen Einflüssen geneigt, zudem auch gewiß und am Tage ist, daß der irdische Gott, den die Welt den Teufel pflegt zu nennen, so erfahren, gewaltig und geschickt ist, daß ihm nichts unmöglich ist; so wende ich mich nun zu ihm, und nach seinem Versprechen soll er mir alles leisten und erfüllen, was mein Herz Gemüt und Sinn begehret und haben will, und soll an nichts ein Mangel sichtbar werden; und so denn dem also sein wird, so verschreibe ich mich hiermit mit meinem eigenen Blut, welches ich, obwohl ich bekennen muß, daß ich's von dem Gott des Himmels empfangen habe, samt Leib und Gliedmaßen, so mir durch meine Eltern gegeben sind, mit allem, was an mir ist, samt meiner Seele, hiemit diesem irdischen Gott zu Kaufe gebe und verspreche mich ihm mit Leib und Seele.

Dagegen sage ich vermöge der mir vorgehaltenen Artikel ab allem himmlischen Heer und allem, was Gottes Freund sein mag. Zur Bekräftigung meiner Verheißung will ich diesem allen getreulich nachkommen; und dieweil unser aufgerichtetes Bündnis vierundzwanzig Jahre währen soll, so soll denn der Satan, wenn diese Jahre verflossen sind, dieses sein Unterpfand, Leib und Seele, angreifen und darüber zu schalten und zu walten Macht haben: soll auch kein Wort Gottes, auch nicht die solches predigen und vortragen, hierin einige Verhinderung thun, ob sie mich schon bekehren wollten.

Zu Urkund dieser Handschrift habe ich solche
mit meinem eigenen Blute bekräftiget und
eigenhändig geschrieben.
Faustus, Doktor.
Zunächst lässt sich Faust ein Schlaraffenland erfüllen. Mephistopheles versorgt seine Felder, in seinem Garten ist ewiger Sommer, der immer Früchte trägt, im Haus hält er sich prachtvolle Vögel, für den Winter ist immer Holz vorhanden. Irgendwie der Traum wohl aller Mitteleuropäer im frühen 16. Jahrhundert. Lange Zeit verschafft er ihm Geld für seine Spielleidenschaft, bis er nicht mehr will, und dann betrügt Faust einen jüdischen Geldverleiher.

Damit beginnen viele scherzhafte Episoden: fliegende Mäntel und Pferde, veräppelte Juden und Bauern, Wein aus Holztischen (dies wird Goethe übernehmen), aus der griechischen Mythologie und Geschichte lässt er Figuren erscheinen; viel Spaß, vor allem mit jungen Studenten. Dies ist ein witziger Teil des Buches, wie es zur damaligen Zeit in der Literatur en vogue war.

Als Faust dies etwas langweilig wird, nimmt er sich einen Famulus (Diener und Schüler) namens Christoph Wagner zu sich. Auch verliebt er sich in ein Nachbarmädchen, das er heiraten will. Da greift jedoch Luzifer ein, gemahnt ihn, dass er allen Sakramenten eine Absage erteilt hat und lässt ihn den Pakt erneuern. Als Ausgleich verschafft ihm Luzifer die griechische Helena, mit der er einen Sohn (Justus) zeugt.

Vor Ablauf der 24 Jahre denkt Faust, dass er sich durch Zuwendung zu Gott vor dem Teufel und der Hölle retten kann, er knüpft Verbindungen zu einem Priester, doch das hilft nichts (kein Ablass!), in der letzten Nacht vor Ablauf der Frist wird Faust mehr oder weniger in seine Einzelteile zerlegt. In seinem Zimmer finden Studenten Fausts Blut und Hirn überall verspritzt und seine Zähne liegen am Boden. Vor dem Haus liegt Fausts leerer, abgetrennter Kopf, sein Körper ist auf einen Misthaufen geworfen worden.

Sein Famulus Wagner ist Alleinerbe Fausts und hat auch Nekromantie von ihm gelernt, so gelingt es ihm, den Teufel zu bannen und der als Geist spukende Faust scheint seine Ruhe zu finden. Zumindest erscheint er nicht mehr.

Online ist der Text in dieser Fassung auf zeno.org