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Sir Laurence Olivier als Hamlet mit dem Schädel des Hofnarren Yorick.
Foto: Picturedesk.com/Everett Collection


Ja! Es ist ein unglaublich gutes Theaterstück.

Es beginnt mit den Wächtern, die dem Geist des Vaters von Hamlet begegnen, der etwa vier Monate zuvor verstorben ist (offiziell hat ihn eine Schlange gebissen). Seine Frau, Hamlets Mutter, hat binnen kurzer Zeit seinen Bruder geheiratet, der jetzt König von Dänemark ist. Hamlet wird mit dem Geist zusammengebracht und erfährt, dass sein Onkel, der jetzige König und Mann seiner Mutter, seinen Vater beim Nachmittagsschlaf im Garten durch Gift, das ihm ins Ohr geträufelt worden ist, ermordet wurde.

Hamlet wird fast wahnsinnig, bricht mit seiner Geliebten Ophelia und wünscht sie im Kloster, die schließlich ertrinkt. Es bleibt offen, ob es ein Freitod war oder nicht. Doch was ist geschehen? Hamlet möchte noch prüfen, ob der Geist nicht des Teufels ist, und lässt von einer Wanderschauspieltruppe den Mord nachspielen. Da sein Onkel von dieser Vorführung tief betroffen ist, ist sich Hamlet sicher, dass dieser seinen Vater ermordet hat. Bei einem Treffen mit seiner Mutter, bei dem er den ihr offenbar auch unbekannten Mord bekannt gibt, ersticht er den hinter einer Tapete lauschenden Polonius, den Hofkämmerer und Vater Ophelias, in der Annahme, er sei sein Onkel.

Rosenkranz und Güldenstern: Diese beiden Schulkameraden von Hamlet werden von Onkel und Mutter auf Hamlet angesetzt, um die Ursache seiner mentalen Verstimmung herauszufinden (Liebeskummer, weil Ophelia vom Rang nicht gleichwertig ist, oder mehr?). Nach dem Tod von Polonius sollen die beiden Hamlet in einer diplomatischen Mission nach England geleiten, doch dieser fädelt mit Hilfe seines "Netzwerks" eine getürkte Piratenentführung ein. Zuvor hat er die Depesche mittels des alten Königssiegels ausgetauscht und die beiden Spitzel in den Tod geschickt. Aufgelegt, dass in modernen Inszenierungen die beiden auch als Diktaturagenten (Stasi-IM u.a.) dargestellt werden.

Hamlet kehrt nach Helsingör zurück, schaut den Totengräbern zu, als sie das Grab Ophelias ausheben (Szene mit dem Schädel Yoricks, den Hamlet als Kind über alles geliebt hat - siehe Bild oben). Das Ende zeichnet sich ab, da auch der Bruder Ophelias, Laertes, in Helsingör eintrifft und den Tod seines Vaters rächen will. Mit dem König spricht er ab, dass er einen Zweikampf mit Hamlet anleiert und sein Degen mit Gift bestrichen wird, und zur Absicherung steht ein Gifttrank bereit.

Hamlet nimmt die Herausforderung an, seine Mutter trinkt versehentlich aus der Giftschale, er wird durch den vergifteten Degen verletzt, kommt aber noch in der Hitze des Gefechts selbst in Besitz dieses Degens, verletzt seinerseits Laertes und tötet seinen Onkel. Das dänische Königshaus ist tot.

Das Stück endet damit, dass der junge norwegische König Fortinbras (Norwegen ein langer Rivale Dänemarks) nach einem Feldzug gegen Polen durch Helsingör zieht und Zeuge des Massakers wird. Wie es mit Dänemark politisch weitergeht, bleibt offen.

Aber es ist nicht nur die vertrackte Handlung, die fasziniert, sondern auch Text und Sprache wie die beinahe modern anmutende Psychologisierung der Charaktere. Und da dieser Klassiker auch in Diktaturen so leicht nicht zu verbieten ist, war der Satz "Die Zeit ist aus den Fugen" sowohl in der NS-Zeit wie auch in der DDR durchaus ein Signal. Und wenn der König während des Theaterspiels, das seinen eigenen Mord vorführt, fragt: "Habt Ihr den Inhalt gehört? Ist kein Ärgernis daran?", dann ist er fast ein hilfloser Autokrat, der eigentlich Zensur will. Solche Botschaften werden durchaus verstanden.

Inszeniert habe ich Hamlet 1990 in Wien in der Regie von Heiner Müller (integriert mit seiner Hamletmaschine) gesehen. Acht Stunden entfesselter Pessimismus, total gegen den Zeitgeist des Optimismus und der blühenden Landschaften, Bösartigkeit und Wahnsinn als Konstante vor dem Hintergrund einer immer mehr zerstörten (Um-)Welt. Die ZEIT hat seine Inszenierung verrissen, ich bin aus dem Theater raus mit dem Eindruck: Das kann niemand mehr toppen. Ulrich Mühe war Hamlet.

1991 hat Blixa Bargeld mit den Einstürzenden Neubauten Müllers Hamletmaschine gelesen. Weil es passt, die Aufnahme im Spoiler

https://www.youtube.com/watch?v=0l5l400OTl8 (Video: Heiner Müller · Einstürzende Neubauten ‎– Die Hamletmaschine)