Graevenitz

Mit diesem Werk tauchte ich in für mich unbekanntere Gewässer ein, und zwar in die agrarpolitische Geschichte oder genauer, wie der Untertitel sagt, in den Internationalismus in der globalen Agrarkrise der Zwischenkriegszeit (1927–1937).

Die Schwerpunkte dieser Doktorarbeit werden einerseits bei den europäischen Agarorganisationen gesetzt, andererseits beim Weizen- und Zuckerhandel. Der Zeitrahmen ist höchstinteressant: die Zeit der Weltwirtschaftskrise und des Aufkommens des europäischen Faschismus und Nationalsozialismus.

Die Gegensätze sind vielfältig. Einerseits versucht der Völkerbund in Genf eine liberale Wirtschaftspolitik aufrechtzuerhalten, andererseits arbeitet die Internationale Agrarkommission (CIA) mit Sitz in Paris, die Forderungen der nationalen Interessensverbände der europäischen Bauern durchzusetzen. Diese sind stark protektionistisch ausgerichtet, um die europäischen Bauern in ihren Ländern zu schützen. Diese konservative, zum Teil nationalistische Internationale möchte innerhalb Europas Präferenzverträge mit Quoten und eine Zollabschottung gegenüber außereuropäischen Exportländern durchsetzen. Liberale Meistbegünstigungsklauseln werden strikt abgelehnt. Dieser Dachverband privater Interessensvereinigungen betreibt massive Lobbyarbeit beim Völkerbund und kann sich letztlich 1933 mit dem internationalen Weizenabkommen und 1931 wie 1937 mit internationalen Zuckerabkommen durchsetzen, in denen Marktintervention über das freie Spiel der Kräfte gesetzt wird. Mit unterschiedlichen Resultaten, bis hin zu Revolten wie 1933 in Kuba wegen der Reduktion der Zuckeranbauquoten.

Interessant auch das ideologische Bild des europäischen Bauern, das von der CIA propagiert wird, der mit seiner Familie auf seiner Scholle arbeitet. Dieser Slogan wurde von den Nationalsozialisten übernommen, die sich überhaupt sehr in der CIA engagierten. Ihr Ziel war, über die CIA Einfluss in die Wirtschaftspolitik vor allem osteuropäischer Staaten zu erhalten, ein Ziel, das schließlich mit Panzern versucht worden ist zu erreichen, eine Alternative, die Ribbentrop als Botschafter in London bei einer Wirtschaftskonferenz bereits 1937 unverblümt angesprochen hat.

Diese Politik der CIA wurde nach 1945 von der Nachfolgeorganisation CEA (Europäische Agrarföderation) innerhalb der EG weitergeführt: Marktintervention, geregelter Handel, kleinbäuerliche Strukturen. Zu Hilfe kam die Abschottung Osteuropas durch die kommunistischen Machtübernahmen, wodurch Konkurrenten vom Markt ausgeschlossen waren. Auch erlaubt GATT das Aussetzen der Meistbegünstigungsklausel, wenn innerhalb eines Staatenbundes Zölle gesenkt oder abgeschafft werden. Somit war auch die äußere westliche Konkurrenz gebannt.

Vorgestellt wird auch das 1905 von einem US-Bürger in Rom gegründete Internationale Agrarinstitut, mit dem zunächst Mussolini die Macht der CIA in Europa brechen wollte, indem er bewusst die Agrarwirtschaft global arrangiert haben wollte. Dies gelang nicht, da die CIA ihre eigenen Leute in Führungspositionen bringen konnte. Fortan setzte das Institut Schwerpunkte auch auf Standardisierungen von Qualität (bei Wein und Käse zum Beispiel) und fand seinen Nachfolger in der Food and Agricultural Organization (FAO).